10.1. BFE 523
Gemäß der Darstellung von Timo H. hätten er und Uwe B. gerade ihre Mittagspause am Bahnhof gemacht, als sie über Funk die Meldung hörten. Timo H.: „Ich bin mit Kollege B. im Auto gewesen, ich meine es war in der Nähe des Bahnhofes. Über Funk wurde mitgeteilt, dass ein Kollege „Ex“ und ein Kollege schwerverletzt sei.“1 Sie fuhren daraufhin zum Tatort. Dort sperrten sie die Zufahrt ab.2 Im bw Landtag war Timo H. überfragt, wo sie ihren „Fiesta“ parkten.3 Auch mit der Frage, ob er am Tatort auf andere Polizisten traf, auf welche und in welcher Reihenfolge, war er überfordert: Nach seinen Überlegungen müssten „auf jeden Fall auch schon Revierkräfte“ da gewesen sein, denn ansonsten „wäre die Information: „Es gab eine Schießerei, Kollegen sind angeschossen worden“, ja so nicht gekommen, wenn da nicht schon jemand vor Ort gewesen wäre.“
Volker G. fuhr gerade mit Ralf S. in die Weinberge, um Pause zu machen.4 Dabei hörte er um „14:15“5 den ersten Funkspruch, dass „zwei Kollegen angeschossen worden wären.“ Sie kamen um „14:20“ an der TW an. Dort sperrte er gleichfalls die Zufahrt ab.
Diese Darstellungen hören sich vorgeschoben und abgesprochen an, weil der heilbronner Streifenpolizist Tobias S. ab 14:22 die Absperrung der Zufahrt vornahm. Sein VW-Streifenwagen ist auch in Filmaufnahmen zu sehen, ein Polizist steht mitten in der Zufahrt.6 Tobias S. erwähnte keine BFE 523 – Kräfte, geschweige denn den Mercedes-Streifenwagen „Vita“ von Volker G. / Ralf S. oder das Zivilfahrzeug „Ford Fiesta“ von Timo H. / Uwe B..
Uwe B. (BFE 523) wurde 2011 eingehend von der Soko-neu vernommen: Nach der mittäglichen Einsatzbesprechung machten sie gegen 14:00 eine Pause. Als sie im Zivilwagen saßen, hörten sie im Funk die Meldung und fuhren zur TW, direkt zum Trafohaus. Dort waren bereits Streifenwagen und Polizisten anwesend. Um welche Kollegen es sich handelte, wusste er nicht. Uwe B. sah eine Person „neben dem Fahrzeug“7 liegen. Zuerst stellten sie aber ihren Wagen „im Bereich der Einfahrt“ ab. Dann kam ein Kollege zu ihnen gelaufen und informierte, was passierte. Um wen es sich handelte, wusste er nicht. Daraufhin liefen sie zum Opferfahrzeug. An der Zufahrt kontrollierten sie dann zwei Inder.
Volker G. wurde einen Tag später befragt, seine Aussage: Als er und Ralf. S. bei der TW ankamen, stellten sie ihren Streifenwagen erstmal „unmittelbar an der Einfahrt“8 ab. Da er Personen am Trafohaus sah, rannte er dorthin. Erst in diesem Moment bemerkte er MK, die leblos auf dem Boden lag. Daraufhin rannte er zur Zufahrt zurück, ohne die Personen kontrolliert zu haben. Er konnte sich nicht erinnern, wie die Personen aussahen. Dann trafen Uwe B. und Timo H. an der Zufahrt ein. Sie kontrollierten gemeinsam die Inder.
Einheitschef Thomas B. verstrickt sich in Ungereimtheiten
Timo H. und Uwe B. gaben an, dass sie auf der TW Thomas B. sahen, zusammen mit Bepo-Chef Peter H.. Einheitschef Thomas B. negierte dagegen in seiner ersten Vernehmung: „Von meiner Einheit war am Tatort niemand.“9 Dies hätte zur Frage geführt, wo eigentlich die BFE 523 – Gruppe nach dem Überfall war. In seiner Aussage vor dem bw UA schien er, diese Frage beantworten zu wollen: Er behauptete auf einmal, dass „einige Leute von meiner Einheit“10 da gewesen wären. „Wer da jetzt genau war, kann ich jetzt namentlich nicht sagen.“
In seiner ersten knapp gehaltenen Vernehmung 2007 verbreitete er folgende wichtige Punkte: Die TW war eine „Rückzugsmöglichkeit“11 pausesuchender Bereitschaftspolizisten. Er betonte, dass MK „wohl kurzfristig“ für einen anderen Polizisten „eingesprungen“ ist. Es handelte sich also nicht „um einen gezielten Anschlag“ auf MK.
2011 wurde er von der Soko-neu viermal vernommen. Erstmals wurde er zu seinem Tagesablauf befragt, seine Antwort: Er war zur Tatzeit alleine am Bärensee radeln gewesen und wusste gar nicht, dass die BFE 523 in einem Einsatz verwickelt war. Nachdem er von seiner Freundin telefonisch benachrichtigt wurde, radelte er vom Bärensee in seine 10 km entfernte Wohnung in Gerlingen zurück, duschte. In der Zeit erhielt er einen Anruf von Timo H., „der mir tief betroffen sagte, dass die tote Michèle vor ihm liegt.“12 Dazu im Gegensatz sagte Timo H., dass er Thomas B. gegen 14:45 vom Überfall informierte und sein Chef zu dem Zeitpunkt noch gar nichts wusste.13
Thomas B. fuhr dann mit seinem Privatauto hinter einem „Convoy ziviler Polizeifahrzeuge“ her. So kam er schnell durch die Absperrungen und das Verkehrschaos. „Ich habe die Theresienwiese direkt gegenüber vom Trafohaus angefahren, mein Auto abgestellt und bin dann zum Trafohaus gegangen.“14 Für diese Geschichte kann Thomas B. keine Zeugen aufbringen. Merkten die Polizisten nicht, dass sich ein Zivilfahrzeug ihrem Konvoy anschloss?
Bei der zweiten Vernehmung 2011 wurde er gefragt, wie er die TW finden konnte? Er hätte nicht gewusst, wo sich der Platz befindet. Seine Antwort war, dass er die „Wegbeschreibung zur Theresienwiese telefonisch erhielt“. Die Polizeikolonne sei geradeaus gefahren, während er telefonisch informiert wurde, dass „ich in Heilbronn links fahren muss“15. Volker G. bestätigte im bw Landtag, dass er ihn zum Tatort lotste.16 Thomas B. wurde gefragt, wie schnell er zum Tatort kam. Er schätzte, dass er insgesamt nur eine Stunde brauchte. Er hätte die Autofahrt in nur 30 Minuten durch die Verkehrsbehinderungen geschafft, da er ja der Polizeikolonne hinterherfuhr.
Laut eines Routenplaners braucht ein Radfahrer vom Bärensee nach Gerlingen, bei schneller Fahrt 30 Minuten. Die Autofahrt von Gerlingen nach Heilbronn dauert 45 Minuten. Wenn er die Benachrichtigung um 14:30 erhielt, dann hätte er frühestens gegen 15:45 ankommen können, wenn die Geschichte mit dem Konvoi stimmt. Die Ermittlerin Sabine R. räumte die Zweifel im bw UA aus: Sie sei die Strecke selbst abgefahren: Es sei „unter guten Voraussetzungen möglich, dass man so schnell am Tatort“17 ankomme.
Angekommen hätte sich Thomas B. „gewundert“, dass der Einheitschef der BFE 522 Andi R. „schon am Tatort war.“ Diese Aussage ist unverständlich, da Thomas B. mit dem Rad vom Bärensee nach Hause, plus Duschen, plus Fahrt nach Heilbronn die weiteste Anreise hatte.
Was passierte im Geschäftszimmer der BFE 523?
Der Bereitschaftspolizist Patrick S. von der TEZ 512 befand sich zur Tatzeit in der Böblinger Kaserne. Als seine Gruppe vom Überfall informiert wurde, ging er ins Geschäftszimmer der BFE 523. Er war ein ehemaliges Mitglied dieser Einheit und kannte Kiesewetter persönlich. Im Geschäftszimmer traf er auf Einheitschef Thomas B.. Mit einer weiteren Person fuhren sie zu Dritt nach Heilbronn!18 Sven H. (BFE 523) wurde gegen 14:30 vom Geschäftszimmer angerufen, er sprach mit Maik S.. Der richtete ihn von Thomas B. aus, dass die BFE 523 nicht in die Kaserne zurückkommen bräuchte: „Ja, der Herr B. hat gesagt, wir sollten zu Hause bleiben.“19
10.2. Wie reagierte der TEZ 514?
Nachdem die Gruppe um 12:30 in Heilbronn ankam, nahm sie bis 13:30 an einer Schulung teil. Danach machte die Gruppe eine Pause. Gruppenführer Manfred E. und Natascha T. verblieben allerdings im Polizeirevier. Sie erstellten ein Protokoll, „um die anderen Zugmitglieder, die da nicht dabei waren, ebenfalls zu unterrichten.“20 Was passierte dann?
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Der Gruppenführer Manfred E. und seine Streifenpartnerin Natascha T. hatten zur Tatzeit kein eigenes Fahrzeug.21 Wie kann das sein? Normalerweise nutzten doch die Gruppenführer den BMW-Streifenwagen. Stattdessen liehen sie sich nach der Tat einen Streifenwagen von der Polizeidirektion aus.22 Laut Manfred E. waren sie eine längere Zeit „mit dem Auto unterwegs“ gewesen. Sie fuhren stadtauswärts am Neckar entlang. Währendessen hätte sich seine Gruppe „eigenständig bei der Wache gemeldet und einteilen lassen.“ Diese Darstellung ist unglaubwürdig, weil kein Gruppenführer seine Gruppe “im Stich lässt“. Seine Partnerin Natascha T. bestätigte, dass sie mit einem „Gruppentransportfahrzeug“ zur TW fuhren. Dort sperrten zwei BFE-Kräfte gerade die Zufahrt ab. Jeder suchte sich eigenständig Aufgaben, Janette R. hätte Personenkontrollen durchgeführt.23
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Nach der Schulung ging eine uniformierte Gruppe in die Pause. Mit ihrem T4-Bus fuhren Stefanie B., Jeanette H., Steffen J., Jochen S. in die Weinberge. Nach dem Überfall führte die Gruppe Kontrollen am Bahnhof durch.
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Die drei Zivilpolizisten Janette R., Cecille R. und Matthias G. machten nach der Schulung in einer Eisdiele Pause. Sie fuhren zum Tatort und parkten neben dem Trafohaus ihren roten Opel. Der Revierleiter Andreas M. ordnete ihnen einen Fahndungsraum zu, und sie gingen am Neckarkanal entlang in südliche Richtung zum Wertwiesenpark. Dieser Darstellung widersprach indirekt Andreas M. während seiner Vernehmung im bw UA: Aufgrund der Bedrohungslage betraute er keine einzelnen Streifen mit Aufträgen. Stattdessen nahmen sich Polizisten lediglich in Gruppenstärke, acht bis zehn Personen stark, den Kontrollpunkten an.24 Darüberhinaus wurden die Bereitschaftspolizisten zum Bahnhof geschickt: Andreas M. machte den Einsatzleiter Uwe Z. darauf aufmerksam, dass die „BePo-Kräfte beschäftigt werden müssen.“ Uwe Z. gab ihnen daher den Auftrag, „die Bahnhofsvorstadt auf Verdächtige zu kontrollieren.“
10.3. Wie reagierte die BFE 522?
Der neckarsulmer FEG-Leiter Steffen B. sagte, dass er und Thomas K. (BFE 522 – Gruppenführer) in dem Moment „am Funktisch”25 standen, als sie die Funkmeldung hörten. Er wäre sofort mit Daniela B. zum Tatort gefahren, während Thomas K. (BFE 522) seine Gruppe sammelte. Thomas K. erweckte in seiner Aussage dagegen den Eindruck, dass seine Gruppe in dem Moment bereits im Revier in Neckarsulm anwesend war: „Wir waren gerade zurück im Polizeirevier Neckarsulm als die Funksprüche reinkamen.“ Die Gruppenmitglieder schildern jedoch übereinstimmend, dass sie erst während eines Einsatz bzw. während der Rückfahrt informiert wurden. Thomas K. fuhr mit seiner BFE 522 – Gruppe zum Tatort. Als sie eintrafen, stand der Rettungshubschrauber noch auf der TW. Zu den Aussagen der befragten Polizisten:
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Jochen R. schätzte, dass ihre Fahrt nach Heilbronn trotz Blaulicht eine halbe Stunde dauerte. Es gab bereits Staus. Als sie an der TW ankamen, sah er den Rettungshubschrauber: „Kollege K. ist in die Nähe des Tatortes gerannt. Er hat uns Einsatzbeamte gebeten im Auto zu bleiben. Er kam schon nach 5 Minuten zurück, und wir sind dann in Richtung Bahnhof gefahren.“26 Das würde heißen, dass die Gruppe die Tatmeldung schon gegen 14:00 erhalten hätte, da der Hubschrauber mit Arnold gegen 14:45 wegflog. Die Gruppe musste sich ja vor der Abfahrt im neckarsulmer Polizeirevier sammeln und ausrüsten.
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Markus G. beschrieb, dass sie am Bahnhof Personenkontrollen durchführten. Mit dabei waren unter anderen Jessica B. und Gruppenführer Thomas K..27
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Jessica B. war bereits am 23. April28 und 24. April29 in Heilbronn unterwegs. Nach der Meldung fuhren sie mit „zwei Zivilfahrzeugen“30 direkt zum Tatort, darunter war auch Simon G. gewesen. Dort angekommen sah sie gleichfalls den Rettungshubschrauber, dann begaben sie sich zum Bahnhof, weil „ein blutverschmierter Mann in ein Taxi eingestiegen sein soll“.
Simon G. (BFE 522) hinterließ seinen Handflächenabdruck am Opferfahrzeug
Früh fanden Ermittler auf dem Dach des Streifenwagens ein Handflächenabdruck. Über Jahre wurde der Abdruck mit Fingerabdrücken von Tatverdächtige und Kollegen der BFE 523 verglichen, ohne Erfolg. Erst am 19. November 2010 konnte er schließlich Simon G. von der BFE 522 zugeordnet werden. Der Abdruck wurde damit erklärt, dass er am 11. April den Wagen nutzte. Allerdings bestehen Zweifel, denn ausgerechnet er verstrickte sich in Ungereimtheiten:
Er sagte den Ermittlern 2010, dass er während der Tatzeit bei einer Fortbildung in der Böblinger Kaserne gewesen wäre.31 Erst nach dem Überfall fuhr er mit Kollegen von Böblingen nach Heilbronn. In seiner Vernehmung konnte er sich nicht an die Namen der Kollegen erinnern, mit denen er diese 45-minütige Fahrt unternahm: „Nein, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.” Am Polizeirevier angekommen, passierte nichts weiteres. Seine Gruppe wartete unnütz 3 Stunden im Revier, bis sie wieder zurückfuhren.
Was sagen die BFE 522 – Beamten, mit denen Simon G. angeblich eine Fortbildungsveranstaltung in Böblingen besucht hätte? Durch ihre Aussagen wird klar, dass Simon G. höchstwahrscheinlich lügt. Alle berichten von einem dramatischen Einsatz an einer heilbronner Bank, den Simon G. nicht erwähnte. Beispielsweise sagte Alexander H.: „Da gleichzeitig ein Bankalarm in Heilbronn war, wurden wir zu diesem Einsatz herangezogen. Unsere Aufgabe war die Umstellung der Bank. Es stellte sich heraus, dass es sich um einen Fehlalarm handelte.”32 Ermittler fragten weder Alexander H. noch die anderen Gruppenmitglieder, ob Simon G. bei ihnen war. In einem Vermerk vom 27. Juli 2011 wird darauf hingewiesen, dass Simon G. eine interessante Aussage traf: Er wäre „nie” mit MK während eines Einsatzes in Kontakt getreten, dabei waren sie am 20. Februar 2007 in Heilbronn. An dem Tag waren zur selben Zeit sowohl eine Gruppe der BFE 522, wie auch der BFE 523 in Heilbronn gewesen. „An diesen „gemeinsamen” Einsatz kann sich Koll. G. nicht erinnern.“
10.4. Wann liefen Fahndungs- und Rettungsmaßnahmen an?
Die Soko-alt sicherte sämtliche Funkgespräche, die Polizisten im Zeitraum von 09:30 bis 18:00 Uhr in Heilbronn führten. Ausgewertet wurde allerdings lediglich der Zeitabschnitt von 13:30 bis 14:12 Uhr. Außerdem sollte nur nach Funksprüchen der späteren Opfer gesucht werden.33 Wortwörtlich: Es sollte nur abgeklärt werden, ob „irgendwelche relevante bzw. nicht erkannte Funksprüche (…) der späteren Opfer vorhanden sind.“34 Auf den Vorhalt im bw Landtag, dass sie „die an diesem Tag durchgeführten Funksprüche untersucht“ hätte, antwortete die Ermittlerin Sabine R.: „Das ist so auch nicht ganz richtig. Ich hatte hier nur einen kleinen Zeitraum, und zwar von 13:30 bis 14:12 Uhr, und in diesem Zeitraum war laut meinen Aufzeichnungen kein Funkverkehr, also kein Funkverkehr in Bezug auf das Opferfahrzeug.“35 Es hätten sich für Sabine R. „keine weiteren Ermittlungsansätze“ ergeben. Sie verteidigte sich, dass sie lediglich den kurzen Zeitraum untersuchte: „Ich habe den konkreten Auftrag, diesen Zeitraum auszuwerten, und, sagen wir mal, ich habe eine gute Soko-Leitung, da muss ich nicht jeden Auftrag hinterfragen: Warum jetzt nur dieser Zeitraum?“
Das stuttgarter Regierungspräsidium wertete ebenfalls die polizeilichen Funkgespräche aus, die über Dora, Funkkanal 426, liefen. Am 30. April 2007 informierte es die Soko-alt über die Funksprüche im Zeitraum zwischen 14:14 und 14:18 Uhr. Die heilbronner Zeitangaben basierten auf dem Aufzeichnungsprogramm „ASC Powerplay“ ihrer Einsatzzentrale. Im Bericht steht ausdrücklich, dass die dort aufgezeichneten Uhrzeiten 2-3 Minuten von den Uhrzeiten abweichen, die im Einsatzkalender des „Polizeiführers im Dienst“ der Landespolizeidirektion Stuttgart stehen. Die stuttgarter Zeiten wurden „mittels Funkuhr erhoben“36. Beispielsweise sei laut des Einsatzkalenders die Ringfahndung schon um 14:12 ausgerufen worden, aber das heilbronner ASC-Programm hinterlegte den späteren Zeitpunkt von 14:15. Das heißt, dass der erste Funkspruch nicht um 14:14 stattfand, sondern schon gegen 14:11.
Ein Grund für die Abweichungen wird nicht genannt. Das Regierungspräsidium schlug vor, dass die Soko die Zeiten der Funksprüche selbst ermittelt, sollten „diese Uhrzeiten von entscheidender Wichtigkeit sein“. Die heilbronner Polizei würde ja Mitschnitte ihrer eigenen Funkgespräche besitzen. Die Soko-alt bestätigte, dass es „zeitliche Diskrepanzen“37 gibt. Die Soko-neu übernahm die Uhrzeiten, die im heilbronner ASC-Programm hinterlegt waren und begründete dies wiefolgt: „Ungeachtet dieser möglichen Zeitdifferenzen sind die im vorliegenden Bericht aufgeführten Zeitangaben den jeweiligen Einzelberichten bzw. Zeugenaussagen entnommen.“38
Zusammenfassung – welche Besonderheiten gab es:
Vor- und Tatwoche |
Mitglieder der BFE 523 schrieben sich in eine Liste ein, um am heilbronner Einsatz am 25. April teilzunehmen. Dieses handschriftlich erstellte Dokument ist verschwunden. |
Kiesewetters Einheit BFE 523 hatte im Tatzeitraum eine Urlaubswoche. Ausnahme war die Gruppe, die nach Heilbronn geschickt wurde. Zur Tatzeit war das Geschäftszimmer der Einheit nicht vom regulären Leiter besetzt, sondern von einer unerfahrenen Ersatzperson. |
Schausteller bauten ein Volksfest auf der TW auf. Landfahrer stellten auch ihre Wohnmobile und – wagen auf die Festwiese. |
Am Vortag |
Bereitschaftspolizisten aus unterschiedlichen Standorten führten Kontrollen in Heilbronn durch, beteiligt sind Böblingen, Göppingen, Biberach und Bruchsal. |
Kiesewetter sicherte sich den heilbronner Einsatz am 25. April, indem sie mit einer Kollegin tauschte. |
Es gab einen Uhrzeiten-Tausch mit einer Gruppe der TEZ 514. Daher war der TEZ 514 am 25. April erst ab 12:30 in Heilbronn. Die Kiesewetter-Gruppe kam schon um 09:30 nach Heilbronn. Die TEZ-Kräfte dementieren einen Tausch und wussten nicht, dass die BFE mit ihnen im Einsatz ist. |
Am Tattag |
Der BFE 523 – Einsatz begann schon um 09:30, nicht wie „eigentlich ausnahmslos“39 erst am Nachmittag. |
Einsatzleiter Uwe Z. bot bei Einsatzbeginn keine Besprechung an. |
Die zwei böblinger Einsatzgruppen kamen nur mit einem einzigen BMW-Streifenwagen nach Heilbronn. Ansonsten gab es „eigentlich immer40 zwei BMW. Der Gruppenführer der TEZ Manfred E. hatte zur Tatzeit kein eigenes Fahrzeug. |
Das heilbronner Polizeirevier in Person von Uwe Z. gab eine Schulung für die Bereitschaftspolizisten. Die Teilnehmerliste der Schulung ist verschwunden. |
Die A-Schicht des Polizeireviers hatte am Vormittag einen Sonderdienst: Es fand ein Vortrag über „Islamismus“ statt. |
Die Streife Kiesewetter/Arnold war zum ersten Mal zusammen unterwegs. Arnold war das erste Mal in Heilbronn. Kiesewetter machte zum ersten Mal Pause auf der TW. |
Die Streife meldete sich bei der heilbronner Dasta mit dem Funkrufnamen „Bruno 5/71“, der zuvor niemals verwendet wurde. |
Im nördlichen Bereich der TW standen keine geparkten PKW. |
Unbekannte Bereitschaftspolizisten aus Göppingen führten kurz vor dem Überfall eine Kontrolle durch. Gleichzeitig hatten Bereitschaftspolizisten von verschiedenen Standorten eine Übung in Bruchsal und standen mit den Opfern in Verbindung. |
Ermittlungsschwerpunkt „DNA-Phantom“, wie “in Stein gemeißelt”. |
Mehrere Wattestäbchen mit „uwp-DNA“. Wahrscheinlichkeit der Nachfindungen „1:625 Millionen.“41 |
Neue Artikelserie über heilbronner Polizistenüberfall | http://friedensblick.de/31833/neue-artikelserie-ueber-heilbronner-polizistenueberfall/ |
Einführung | http://friedensblick.de/31840/einfuehrung-der-tiefe-staat-im-mordfall-kiesewetter/ |
Teil 1 | https://friedensblick.de/31849/teil-1-michele-kiesewetter-und-martin-arnold-waren-bei-der-bereitschaftspolizei-boeblingen/ |
Teil 2 | http://friedensblick.de/31864/teil-2-einsaetze-ihrer-beweissicherungs-und-festnahmeeinheit-523-im-tatzeitraum/ |
Teil 3 | http://friedensblick.de/31873/teil-3-die-vorgeschichte-des-polizistenmordes/ |
Teil 4 | http://friedensblick.de/31876/teil-4-der-tatort-theresienwiese-in-heilbronn-umschlagszentrum-des-menschenhandels/ |
Teil 5 | http://friedensblick.de/31884/teil-5-entdeckung-durch-den-radfahrer-peter-s-gegen-1408/ |
Teil 6 | http://friedensblick.de/31889/teil-6-reaktion-der-heilbronner-polizei/ |
Teil 7 | http://friedensblick.de/31899/teil-7-tatrekonstruktion-und-operative-fallanalyse/ |
Teil 8 | http://friedensblick.de/31915/teil-8-welche-einsaetze-fanden-am-tattag-in-heilbronn-und-neckarsulm-statt/ |
Teil 9 | http://friedensblick.de/31923/teil-9-wie-reagierten-die-bereitschaftspolizisten/ |
1O. 10, S. 215, A. a. 24.05.11
2Vgl. O. 10, S. 215, A. a. 24.05.11. Timo H.: „Wir sind zur Theresienwiese gefahren,Uwe ist gefahren, also gehe ich davon aus, dass dies auch schon über Funk mitgeteilt wurde. (…) Bei der Einfahrt zur Theresienwiese haben wir Personen kontrolliert, ich weiß aber nicht mehr, ob dies gleich bei unserem Eintreffen oder etwas später war. Mein erster Gedanke war, dass wir die Zu- und Abfahrtswege absperren müssen. Unsere andere Streife S. und G. war auch schon vor Ort.“
3Vgl. Landtag Baden-Württemberg, NSU-UA, 22. Sitzung, 06.07.15, S. 147: „Das kann ich Ihnen nicht mehr sagen.“
4Vgl. O. 10, S. 100, A. a. 25.04.07. Volker G.: „Wir stellten unser Auto bei der Zufahrt zum Parkplatz der Theresienwiese ab und sperrten den Bereich ab.“
5O. 10, S. 100, A. a. 25.04.07
6ARD, „Tod einer Polizistin, Das kurze Leben der Michèle Kiesewetter“, 24.04.17
7O. 9, S. 392, A. a. 25.05.11
8O. 11, S. 111, A. a. 26.05.11
9O. 9, S. 417, A. a. 03.05.11
10Landtag Baden-Württemberg, NSU-UA, 30. Sitzung, 19.10.15, S. 134
11O. 9, S. 406, A. a. 04.05.07
12O. 9, S. 425, A. a. 04.05.11
13Vgl. Landtag Baden-Württemberg, NSU-UA, 22. Sitzung, 06.07.15, S. 132ff: „30 Minuten nach meinem Eintreffen, 30 bis 45 Minuten nach meinem Eintreffen, (…). Also ich hatte den Eindruck, dass ich der Erste bin, der anruft.“
14O. 9, S. 417, A. a. 03.05.11
15O. 9, S. 426, A. a. 04.05.11
16Landtag Baden-Württemberg, NSU-UA, 31. Sitzung, 26.10.15, S. 103: „(…) weil er die Örtlichkeit nicht kannte, sodass ich ihn dann eingewiesen habe.“
17Landtag Baden-Württemberg, NSU-UA, Abschlussbericht, 28.04.16, S. 333
18O. 11, S. 318, A. a. 14.10.10
19Landtag Baden-Württemberg, NSU-UA, 30. Sitzung, 19.10.15, S. 90
20O. 10, S. 60, A. v. Manfred E. am 07.10.10
21Vgl. O. 9, S. 270, Vermerk: „Ohne Fahrzeug zum Tatzeitpunkt auf dem PRev H“
22Vgl. O. 12, S. 19. Aussage vom Natascha Tomek am 11.10.10
23O. 12, S. 19. A. a. 11.10.11: „Janette R. hat mit einem anderen Kollegen zusammen Verkehrs-/Personenkontrollen durchgeführt, zwei Beamte der BFE haben die Zufahrt auf die Theresienwiese abgesperrt.“
24Vgl. Landtag Baden-Württemberg, 7. Sitzung, 07.12.15, S. 170
25O. 9, S. 463, A. a. 16.11.10
26O. 11, S. 265, A. a. 14.10.10
27O. 10, S. 90, A. a. 06.10.10
28O. 9, S. 139
29O. 31, S. 409
30O. 9, S. 499, A. a. 06.10.10
31O. 10, S. 132, A. a. 06.10.10
32O. 10, S. 251, A. a. 14.10.10
33O. 30, S. 138, Bericht über Maßnahme Nr. 46 vom 11.05.07
34O. 9, S. 39, Vermerk vom 11.05.07
35Landtag Baden-Württemberg, NSU-UA, 37. Sitzung, 07.12.15, S. 71
36O. 30, S. 141, Bericht vom 30.04.07
37O. 2, S. 494, Vermerk vom 01.05.07
38Vgl. O. 2, Ermittlungsbericht vom 29.04.10, S. 16 ff.: Den hier genannten Zeiten müssen 2-3 Minuten abgezogen werden: “Die erste Meldung über das Geschehen erfolgte über Funk um 14:14:28 Uhr. Um 14:15:02 wurde eine Tatortbereichsfahndung Radius 5 km um den Tatort ausgelöst. Die Hubschrauberstaffel wurde um 14:15:58 Uhr verständigt. Um 14:16:15 Uhr trafen als erste Polizeibeamte PHK T. und PM’in K. vom Polizeirevier Heilbronn am Tatort ein. (…) Um 14:18:50 Uhr wurde über Funk vom Tatort mitgeteilt, dass eine Kollegin tödlich verletzt worden sei (…). Die unmittelbar danach eintreffende Notärztin, Frau Dr. S., SLK-Klinikum Heilbronn, konnte um 14.22 Uhr bei PM’in Michèle KIESEWETTER nur noch den Tod feststellen.”
39Landtag Baden-Württemberg, UA, 31. Sitzung, 26.10.15, S. 98
40O. 11, S. 257, A. a. 14.10.10
41Landtag Baden-Württemberg, NSU-UA, 25. Sitzung, 24.07.15, S. 30