1. Michèle Kiesewetter und Martin Arnold
Michèle Kiesewetter wurde am 10.10.1984 in der thüringer Stadt Neuhaus geboren. Nach ihrer mittleren Reife ging sie 2001 in die Fachoberschule. Sie brach die Schule ab, um Polizistin zu werden. Laut ihrer Mutter „konnte man da reden was man wollte, sie hatte eben das Ziel Polizei und alles andere war ihr da egal.“ Ihre Freundin Ina K. erzählte, dass die Polizei ihre „große Liebe“ war, „dafür hätte sie alles getan.“
So fing MK am 01.03.2003 bei der Bereitschaftspolizei Biberach ihre Ausbildung an. Nach dem Abschluss war sie ab 01.09.2005 Einsatzbeamtin bei der Bereitschaftspolizei (Bepo) Böblingen. Sie kam in die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) mit der Nummer 523, die eine Personalstärke von 50 Personen hatte.
Durchgehend wird sie dort als gewissenhafte Beamtin geschildert: Der thüringer Marcel M. war bis Oktober 2006 in der BFE-523. Er beschrieb sie als aufstiegsorientiert und als „unsere „Edel-Einsatzbeamtin”. „Sie war anpassungsfähig, kommunikativ und passte einfach sehr gut in verschiedene Einsatzlagen.“
2007 studierte MK nebenbei im Telekolleg, um das Abitur nachzuholen. Ihr Ziel war, bei der Polizeihochschule zu studieren.
„Schlechte Aussichten“ auf Beförderung
Da bei der Bepo Böblingen laut ihrer Mutter „die Aussichten schlecht“ standen, „wollte sie eben nach Karlsruhe“ wechseln. Sie kam nicht ins „Stammpersonal“. Das wäre mit einer Beförderung zur Polizeiobermeisterin verbunden gewesen. Der Leiter des Bepo-Geschäftszimmers Sven H. schilderte, dass „Auswahlgespräche“ stattfanden und ihr „quasi gesagt“ wurde, „dass es zu einer Übernahme nicht kommen wird, was ihre Person angeht.“ MK wollte sich zusammen mit ihrem Freund Dominik W., der bei der gleichen Einheit war, in eine andere Dienstelle, in einer anderen Stadt versetzen lassen.
Ihr Onkel Mike Wenzel war ebenfalls Polizist
Laut ihrer Großmutter wäre Polizistin deshalb zum Traumberuf ihrer Enkelin geworden, weil sie „neugierig“ war und der Onkel ihr „immer vom Polizeiberuf erzählt [hat], so dass Michèle sehr großes Interesse dafür entwickelt hat.“
Von 2001 bis Ende 2006 war ihr Onkel mit der thüringer Polizistin Anja Wittig zusammen gewesen. In der Zeit waren Wittig und MK befreundet, etwa half sie ihr bei der Abschlussarbeit. Es bestehen beruflich bedingte Verbindungen von Mike Wenzel und Anja Wittig zu Rechtsextremen. Laut Anja W. hätte Wenzel etwa gegen den Deutsch-Russen Sergej S. ermittelt, wegen ausländerfeindlicher Schmierereien. Darüber informiert das Kapitel 10 gesondert.
Private Unternehmungen mit Kollegen
MK hatte eine Wohngemeinschaft mit der Kollegin Yvonne M. in Nufringen. Außerdem nutzte sie ein 16 Quadratmeter großes Zimmer in der böblinger Kaserne, mit zwei weiteren Polizistinnen der BFE 523. Es handelte sich um Romy S. und Simone F.. In diesem sogenannten „Umkleidezimmer“ gab es u. a. drei Kleiderschränke, ein normales Bett sowie ein zweistöckiges Stockbett. Nur in Ausnahmefällen übernachteten sie dort, entweder dann wenn in der Kaserne ein Fest stattfand, oder wenn zwei Einsätze kurz hintereinander stattfanden.
Der Bereitschaftspolizist Marcel M. sagte in seiner Vernehmung 2010, dass zu ihrer „Clique“ etwa Romy S. und Alexander D. gehörte, auch Einheitsführer Thomas B.! Vor dem bw PUA behauptete er das Gegenteil: Thomas B. wäre nicht Teil ihrer Gruppe gewesen, „weil einfach der Altersunterschied etwas größer ist.“ Thomas B. negierte ebenfalls ein besonderes Verhältnis zu MK gehabt zu haben, es wäre „ein ganz normales Mitarbeiter-Chef-Verhältnis“ gewesen. Seinen Namen speicherte MK nichtsdestoweniger als „Tom“ in ihrem Handy ab.
Martin Arnold
Martin Arnold wurde am 08.05.1982 in Bremen geboren. Im Jahr 2001 erhielt er das Abitur und studierte erfolgreich Wirtschaftsinformatik. Seitdem reparierte er nebenberuflich Computer. Auch für ihn war Polizist der Traumberuf. So machte er ab 2004 eine Ausbildung bei der Bepo Göppingen zum Bereitschaftspolizisten, die er am 01.03.2007 abschloss.
MK lernte er erst im März 2007 kennen – sie war eine seiner Ausbilder in der böblinger Kaserne. Arnold durchlief dort die zentrale BFE-Fortbildung, die vom 01.03.2007 bis 17.04.2007 ging. Er wohnte währenddessen meistens bei seinen Eltern in Sindelfingen, wo er ein Zimmer hatte, und übernachtete nur sehr selten im WG-Zimmer in der böblinger Kaserne. Sein WG-Partner war seit 6. April krankgeschrieben und bewohnte das gemeinsame Zimmer nicht.
Arnolds Eltern kommen aus Kasachstan. Der bw PUA befragte Kriminalhauptkommissarin Bettina F., die nach dem 04.11.11 Befragungen im persönlichen Umfeld durchführte. Sie schilderte, dass bei der Vernehmung seiner Mutter ihr Freund H. R. anwesend war.
H. R. hätte beim Bundesamt für Verfassungsschutz als Dolmetscher für die russische Sprache gearbeitet, wäre jedoch 2006 gekündigt worden, „weil eben sein Bruder in Verbindung gebracht wurde mit Prostitution, Menschenhandel im Zusammenhang mit russischen Frauen.” Der Kündigungsgrund war, dass er seinen Arbeitgeber über diese Verbindung nicht informierte.
Auch die Eltern von H. R. kamen aus Kasachstan. Beide Familien kannten sich von dort und kamen in den 70er Jahren nach Deutschland. Der Kontakt brach „mehr oder weniger“ ab, jedoch hatte „Frau A. (…) immer mal wieder noch lose Kontakt zum Bruder von H. R. (…).”
Dieser Hintergrund war für Bettina F. nicht ermittlungsrelevant: “Also, insofern haben wir da kein Motiv gesehen oder keinen Grund gesehen, ihm da noch weiter auf den Zahn zu fühlen.” Als Entlastend bewertete sie, dass H. R. von sich selbst darüber sprach. Ansonsten hätten die Ermittler nichts über diese Verbindungen gewusst: „Also, wir hätten, ohne dass er davon berichtet hätte, von seiner Zugehörigkeit zum Bundesverfassungsschutz, das ja auch erst mal gar nicht gewusst.” Außerdem wurden Frau Arnold und H. R. erst 2011 ein Paar.
2. Einsätze von Michèle Kiesewetter bei der Bereitschaftspolizei Böblingen
Bereitschaftspolizisten werden sie zu unterschiedlichsten Orten geschickt und in verschiedenen Bereichen eingesetzt. MK war beispielweise auch Schein-Ankäuferin von Drogen. Sie war “nicht öffentlich ermittelnde Polizeibeamte” (noep).
Der Einheitsführer Andie R. (BFE 522) bot einen Einblick:
„In der Bereitschaftspolizei fangen alle Polizisten an, die jung sind. Das sind alle 19-jährige Männer und Frauen, die viel Sport treiben und die einfach sich auch vergleichen wollen. (…) wir haben Beamte in den Einheiten, das sind ja Berufsanfänger zwischen 19 und 23 Jahren, da muss man einfach alles sehr dosiert machen (…).
Und dieser Personenzuschnitt, den wir da gebraucht haben, der war eben so begrenzt, dass wir eben jetzt nicht die 110-Kilo-„Elefanten“ nehmen konnten, sondern wir brauchten zierliche junge Frauen, die da reingehen und da eben unauffällig drin rumschleichen. Und deshalb–So viele junge, hübsche Frauen hatten wir eben nicht in diesen Einheiten.“
2.1. „Russen-Mafia” in Heilbronn und Neckarsulm
Vom 08.01.2007 bis 05.04.2007 gab es im Stadtgarten die Sonderaktion „Blizzard“, die von der heilbronner Kriminalpolizei ausging. Es war ein “massiver Schlag gegen die Heilbronner Rauschgiftszene.” Gezielt wurden dort Drogenabhängige und Dealer kontrolliert, angezeigt und festgenommen. Für ihre Sonderaktion forderte die heilbronner Polizei Bereitschaftspolizistin aus Böblingen und Göppingen an. In der Stadt wurden die Polizisten manchmal gefragt, „ob wir von Böblingen oder Göppingen kamen“.
Im Rahmen der Aktion kam die BFE 522 nach Heilbronn, „nur in Ausnahmefällen“ wurde die BFE 523 hinzugezogen, „gleichzeitig waren wir jedoch nie im Einsatz“. Die BFE 522 hatte 2007 insgesamt 53 „Blizzard“-Einsätze, wesentlich mehr die BFE 523 oder BFE 514. Es fällt auf, dass die heilbronner Einsätze manchmal schon zwischen 6:30 und 07:00 mit der Abfahrt von der Kaserne begannen und erst um 20:30 endeten! Während der Aktion waren Beamte, “fast ausschließlich in Zivil” im Einsatz. Die Leitung hatte der heilbronner Kriminalpolizist Jörg T..
Die Soko-neu fragte Jörg T., ob die Aktion dazu führte, dass “die Heilbronner Stadtgarten-Szene von Russen” “aus Öhringen” übernommen” worden wäre, “Spätaussiedler aus den angrenzenden Landkreisen”. Eine regelrechte Übernahme aus Öhringen verneinte Jörg T.. Es wäre jedoch „nachvollziehbar“, wenn „irgendwelche Spätaussiedler“ versuchten von der Aktion zu profitieren. Der heilbronner Kriminalpolizist Tobias S. antwortete, dass ihm dies nicht „unlogisch“ erscheinen würde, „weil aus dieser Ecke auch viele „Russen” kommen, die mit Rauschgift zu tun haben. In Öhringen fällt mir hier konkret das Zwetschgenwäldle ein.“
Die Bereitschaftspolizistin Yves S. (BFE 514) sagte, dass Deutschrussen aus Öhringen die Geschäfte erst ab Mitte/Ende 2007 übernommen hätten. Sie hätten sich „am K3 breitgemacht“. Es handelt sich hier um ein Einkaufszentrum am Berliner Platz, der an der Mannheimer-Str. liegt.
Diese Darstellungen beißen sich mit der Aussage des Bereitschaftspolizisten Thomas K.. Er war Gruppenführer der BFE 522. Laut ihm hätte man durch die “Blizzard”-Aktion “die Russen” von Heilbronn “nach Neckarsulm vertrieben.” Der Plattenwald in Neckarsulm wäre „in russischer Hand“ gewesen. Es wären bei der „Übernahme“ vor allem zwei Männer beteiligt gewesen: Die Kasachen Waldemar G. und Denis B.. Beide werden ab 2009 in den Ermittlungen eine große Rolle spielen, siehe Kapitel 5. Laut eines Zeugen wären sie Teil der öhringer Bande um „Stas“ gewesen.
Am Plattenwald in Bad Friedrichshall führt die „NSU-Straße“ vorbei. Nach 2 Kilometer in südlicher Richtung kommt die Stadt Neckarsulm, mit dem NSU-Museum des Unternehmens “Neckarsulmer Motorenwerke”. Nach einem weiteren Kilometer kommt die Hafenstraße. Die Hafenstraße mündet in der Theresienstraße, an der die Theresienwiese liegt. Am Trafohäuschen befand sich ein Grafiti „NSU“. Laut Polizeikreisen wären die Deutsch-Russen als die „NSU-Russen“ polizeiintern bezeichnet worden.
Zeitlich parallel lief die Aktion „sichere City“, die von der Fahndungs- und Ermittlungsgruppe (FEG) des heilbronner Polizeireviers organisiert wurde. Die Bereitschaftspolizisten sollten den Bewohnern und Einzelhändlern der Innenstadt durch Präsenz ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, indem laut Uwe Z. „Brennpunkte der Straßenkriminalität“ bestreift wurden. Sie hätten die “normale” Streifenarbeit der Dienstelle unterstützt. Der stellvertrende FEG-Leiter war Reiner M., der die Einsatzkonzeption wie folgt beschrieb:
„Präsenz in der Innenstadt, die Kontaktaufnahme und -pflege mit den Geschäftsleuten, die Betreuung der Obdachlosen- und Trinkerszene, aber auch der örtlichen Rauschgiftszene.“
Für diese Aktion kam die Einheit „Taktischer Einsatzzug“ (TEZ) nach Heilbronn. Die BFE 523 unterstützte die 514, als Ersatz für anderweitig eingesetzte taktische Kräfte. Am 02.04.2007 waren etwa achtzehn Polizisten der Einheiten BFE 523 und TEZ 514 gleichzeitig von 11:30-21:15 in Heilbronn. Der TEZ-Beamte Markus S. schränkte jedoch ein, dass es „keine gemischten Streifen BFE-TEZ“ gab, aber: „Natürlich waren wir aber teilweise zur gleichen Zeit im Einsatz.“
Die Bereitschaftspolizisten waren hier sowohl uniformiert, wie auch in zivil eingesetzt gewesen. Die Bereitschaftspolizistin Janette R. (TEZ 514) schilderte, dass „die uniformierten Bereitschaftspolizeikräfte im wesentlichen Kontrollen durchführten, die die Zivilkräfte veranlaßten. Die Zivilkräfte haben die uniformierten Kräfte angerufen und haben diesen mitgeteilt, wenn eine verdächtige Person zu kontrollieren war.“
Beide Aktionen liefen getrennt. Es gab die klare Vorgabe, dass die BFE 522 nur im Stadtgarten eingesetzt war, und dass sich die TEZ / BFE 523 von dem Ort „fernhalten“ sollen, schilderte der heilbronner Kriminalpolizist Tobias S.. Der Einheitschef der BFE-522 Andi R. wurde gefragt, ob er bei dieser Aktion „sichere City“ beteiligt war, seine Antwort: „Schwierig. Also, was Sie als „Sichere City“ bezeichnen, war wahrscheinlich der uniformierte Umgang mit der dortigen örtlichen Rauschgiftszene. Den hatte meine BFE, wenn ich das so sagen darf, gar nicht durchgeführt. Wir waren in Zivil unterwegs und haben die ganze Geschichte eher in Zivil erledigt. Aber da war ich dabei, selbstverständlich. Ja.“
Natascha T. von der TEZ 514 sagte aus, dass „sichere City“ eine Aktion ihres Zuges war, „Blizzard“ dagegen eine der BFE.
2.2. Gefährliche Situationen
Ihr Freund Dominik W. berichtete, dass sich MK während eines Schein-Ankaufes von Rauschgift in einem Hotelzimmer “völlig schutzlos” fühlte, und Angst hatte “abgestochen” zu werden. Dieser Einsatz fand in der Nähe von Neckarsulm statt, wurde jedoch von der Kriminalpolizei Heilbronn gefahren. Der an der Aktion beteiligte Polizist Marcel M. stellte den Ablauf der Ereignisse ebenfalls als dramatisch dar. Der notwendige Kontakt sei kurzzeitig abgebrochen gewesen, Kiesewetter wäre mit drei Ukrainern allein in einem Hotelzimmer verschwunden gewesen. Die Hintergründe sind jedoch unbekannt, z. B. wann genau der Einsatz stattfand.
Der heilbronner Kriminalpolizist Jörg T. dementierte den Vorhalt, dass MK bei „Russen“ Drogen gekauft hätte, geschweige denn von “kiloweise Kokain”.
“Unsere Dienststelle hat in zwei weiteren Ermittlungsverfahren einen russischsprechenden Kollegen der Bepo als Noep eingesetzt. Dieser wurde speziell in Ermittlungsverfahren gegen litauische Wanderdealer eingesetzt, hierbei erwarb er mehrfach Heroingemisch. Das zuvor geschilderte Kokaingeschäft ist mir nicht bekannt.”
Ihrem Kollegen Marcello P. erzählte MK, dass ein Scheingeschäft zu einer Gerichtsverhandlung führte, in der sie als Zeugin auftreten hätte müssen. Sie hätte Angst vor der Familiensippe. MK bezeichnete Heilbronn als ein „Drecksloch“. Auch hier widerspricht Jörg T.: Es hätte -keine- Verhandlung angestanden, bei der MK als Zeugin hätte auftreten müssen. Ihre Einsätze als verdeckte Ermittlerin hätten nicht zu Verhandlungen geführt.
„Frage: Wurde Michèle KIESEWETTER im Verfahren G./L. von Beamten des Rauschgiftdezernates Heilbronn über eine Vorladung zu einer Gerichtsverhandlung verständigt?
Antwort: Meines Wissens nach nicht. Ich habe zwischenzeitlich auch mit der zuständigen Stelle des AG Heilbronn telefoniert. Von dort wurde mir mitgeteilt, dass Michèle KIESEWETTER in keiner der Verhandlungen, ich meine damit gegen Silvia L. und die Gebrüder G., geladen wurde.“
Im Gegensatz zur Aussage von Jörg T. steht die Aussage der Kollegin Friederike T. – sie machte zusammen mit Arnold die Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei Göppingen. Nach dem Überfall fuhr sie in die Bepo Böblingen und wartete zusammen mit anderen Polizisten auf Nachrichten aus dem Krankenhaus. Dabei hätten ihr Kollegen erzählt, dass MK „wohl Tage bzw. Wochen zuvor“ Drogenhändler festgenommen hätte.
Dominik W. sagte aus, dass er in einem Rauschgiftverfahren der Kriminalpolizei Heilbronn eine Zielperson festgenommen hätte. Es ging um kiloweise Drogen. Er hätte mit „einem Kollgen von uns die Zielperson auf das Revier nach Heilbronn verbracht und er äußerte sich noch, dass er jetzt Probleme mit der Russenmafia bekäme. (…) Wann dies war weiß ich nicht mehr, kann auch nach der Tat gewesen sein.“ Zwei Tage vor dem Heilbronner Polizistenmord nahm die heilbronner Kriminalpolizei nach „Observationsmaßnahmen“ zwei “litauische Rauschgifthändler” fest. Ob eine Zusammenhang besteht, ist unbekannt.
Verfolgungsjagd nach einem Einsatz in Pforzheim
Ihrer Schwester Ina schilderte sie folgenden Vorfall: Als MK mit ihrem Auto auf der Autobahn fuhr, wäre sie von einem Kleinbus auf der Autobahn zum anhalten gedrängt worden. Nachdem sie auf einem Parkplatz stoppte, wären Männer vom Bus ausgestiegen und auf „sie zugelaufen oder hätten sie irgendwie bedrängt. Ich weiß nicht mehr genau wie sie sich aus der Situation rausgerettet hat.“Auch die Kollegin Romy S. berichtete, dass Kiesewetter von einem unbekannten Autofahrer verfolgt worden wäre.
“Sie war wohl auf dem Weg in Richtung Nufringen und wusste nicht was sie nun tun solle. (…) Ich weiß wirklich nicht mehr, was sie genau über das Fahrzeug gesagt hat, auch nicht ob sie ein Kennzeichen hat.”
Ihr damaliger Freund Dominik W. erzählte, dass sich die bedrohliche Situation nach einem Einsatz in einer pforzheimer Diskothek im Februar/März 2007 ereignete. Laut den Ermittlungsakten richteten sich ihre Einsätze in Pforzheim als Zivilbeamtin gegen die Türsteherszene, die in Drogendeals beteiligt war.
Der BFE-523 Einheitschef Thomas B. dementierte dies allerdings: Über den Vorfall hätte er erst nach dem Überfall gehört. Dass MK in ihrem privaten PKW vom Einsatzort zurückfuhr, hielt er nicht für „schlüssig“. Auch Gruppenführer Timo H. wusste nichts von dem Vorfall.
Einsatz in Russen-Diskothek „Luna“
Dominik W. berichtete außerdem von einem besonderen Einsatz, der am 11.12.2005 in der Russen-Disco “Luna” in Kornwestheim stattfand. Danach hätte seine Freundin Angst gehabt, erkannt worden zu sein. Bei diesem gefährlichen Einsatz musste sie Spezialkräften die Hintertür des Lokals öffnen. Pit H. war der Chef der Bepo Böblingen und leitete den Großeinsätze persönlich. Bei dem „Luna-Einsatz“ waren auch Bepo-Kräfte von Göppingen beteiligt gewesen.
2.3. Schutz von US-Kasernen und Gerichtsprozessen vor islamistischen Terroristen
Bereitschaftspolizisten sicherten Gerichtsprozesse in Stammheim ab, die sich gegen Islamisten richteten. Es ging dort um Mitgliedschaften in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Sie schützen auch intensiv US-Kasernen im Rahmen des „Objektschutzes“, aufgrund der akuten terroristischen Bedrohungslage, die von der „Sauerländer Terrorzelle“ ausging. Es waren die „Robinson Barracks”, „Kelley Barracks” und „Patch Barracks”.
Der „stern“ zitierte aus einem „”Rahmenbefehl Nr. 10“ des baden-württemberger Innenministeriums an die Bereitschaftspolizisten, den der damalige Landespolizeipräsident Erwin Hetger am 08.05.2007 herausgab. Dort steht, dass aufgrund der akut steigenden Terrorgefahr die Einsatzkonzeption „Sichere City“ „für diesen Zeitraum ausgesetzt“ werden könnte, weiter …
“Alle verfügbaren Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten”, seien “vorrangig” als “flexible Eingreifreserve vorzusehen”, steht in dem Rahmenbefehl weiter.“
Die Frage ist, ob MK und MA am 25.04. gegen die Terrorzelle eingesetzt waren? Der „Stern“ fragte nach und erhielt nebulöse Antworten:
„Das Innenministerium Baden-Württemberg darf “diese Frage leider nicht beantworten”, verweist an die zuständige Generalbundesanwaltschaft. Die GBA “geht davon aus”, dass die beiden Polizisten für die Aktion “Sichere City” unterwegs waren.“(ebd)
Die Frage verneinte dafür Erwin Hetger als Zeuge vor dem bw PUA deutlich: Er wies darauf hin, dass die beiden Ereignisse zeitlich und sachlich nicht zusammenpassen würden. Sein Befehl wurde am 08. Mai herausgegeben, während sich der Überfall am 25. April ereignete. Außerdem würde feststehen, dass die Bereitschaftspolizisten am 25.04.2007 auf dem Konzeptionseinsatz „sichere City“ gewesen seien. Gleichfalls gäbe es keinen Zusammenhang mit einem „Sofort-Fernschreiben“ vom 20.04. Dort werden die im Objektschutz an US-Einrichtungen eingesetzten Kräfte über die Gefährdungslage sensibilisiert. Der Hintergrund des Schreibens war, dass die US-Botschaft eine Terror-Warnung herausgab, die primär Einrichtungen in Stuttgart betraf.
Hetgers Rahmenbefehl ging u. a. an die Bereitschaftspolizei in Göppingen und an das dortige Sondereinsatzkommando (SEK). In Göppingen ist das Bereitschaftspolizeipräsidium ansässig.
3. Der Tatort Theresienwiese
Heilbronn bietet optimale Verkehrsanbindungen per A 6, A 81 weiter zur A 8, in alle Himmelsrichtungen. Die Kriminalitätslage wird als „normal” bezeichnet. Es würde allerdings ein „hoher Anteil an Spätaussiedlern und Ausländern“ in der Kriminalstatistik auffallen.
Der LKA-Ermittler Wolfgang F. berichtete den parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) des Bundestages, dass sich am Tattag in eine Funkzelle in Tatortnähe eine Handynummer einwählte, die zuvor in einem „Schleusungssachverhalt von Polen“ registriert wurde. Daraufhin erwähnte der damalige CDU-Obmann Clemens Binninger, dass die Theresienwiese „einer der Haupttreffpunkte für Schleusungen“ gewesen war. Binninger war auch Mitglied im Visa-Untersuchungsausschuss des Bundestages, der die missbräuchliche Vergabe von Visa an ukrainische Frauen in der deutschen Botschaft in Kiew untersuchte. Viele dieser Frauen wurden Opfer von Zwangsprostitution der organisierten Kriminalität.
Für Marcel M. war die Theresienwiese „immer ein Kontrollort [gewesen], da sie im unmittelbaren Umkreis der Rotlichtszene lag“.
Stimmen heilbronner Streifenpolizisten
Rolf M.: „Die Theresienwiese ist bei uns bekannt als eine örtlichkeit, an der ab und zu osteuropäische Fahrzeuge abgestellt sind, die dann auch von uns kontrolliert werden.“
Carsten K.: „Dort stehen immer wieder osteuropäische Fahrzeuge, die wir auch des Öfteren im Rahmen der Streife überprüfen. Es sitzen dort oft auch mehrere Personen in einem Fahrzeug.“
Auch der heilbronner Polizist Michael P. bestätigte, dass „dass dort im Bereich der Theresienwiese das „Rotlichtviertel” ist. Dies war auch der Grund, warum man in dem Bereich mal vorbei gefahren ist.“
Theresienwiese kein Brennpunkt der organisierten Kriminalität?
Laut Reiner M. wäre die Theresienwiese dagegen kein Kontrollort gewesen. Es hätte auch keine Bedrohungslage für die Bereitschaftspolizei bestanden. Er war bis März 2007 der stellvertretende Leiter der FEG-Heilbronn. Auch für den im April amtierenden FEG-Leiter Uwe Z. war die Theresienwiese kein besonderer Ort. Es waren ihm auch keine Kontrollen bekannt: „Nein, es handelte sich auch nicht um einen Brennpunkt.“
4. Ungeklärte Hintergründe
4.1. Private Kontakte zwischen Kriminellen und Kiesewetters Einheit BFE-523
Mitglieder der BFE-523 Einheit trainierten im sindelfinger Fitneßstudio „easy Fit“, zusammen mit Türstehern der Russen-Diskothek “Luna”. Dies ist unverständlich, weil es in der Kaserne einen Fitneßraum gab. Einheitschef Thomas B. erklärte den Besuch des Fitneßstudios mit den billigen Preisen von 10-20 Euro im Monat, die eben auch Personen aus der Unterwelt angezogen hätten.
“Die Mitgliedschaft ist sehr billig, was als Konsequenz nach sich zieht, dass auch Personen dort verkehren, die zur Polizei nicht das beste Verhältnis haben.”
In diesem Fitneßstudio trainierten in erster Linie „Türken“ oder „Russen“. Der Bereitschaftspolizist Uwe B. bezeichnete sie als ihre „Kundschaft“. Laut Marcel M. wäre „allgemein bekannt“ gewesen, dass Türsteher aus der Unterwelt gleichfalls im „Easy Fit“ trainierten.
Polizistinnen wären schon mal von Männern angesprochen worden, auch MK? Ende 2006 schenkte MK ihrer Mutter ihr altes Handy, samt SIM-Karte. Dort rief immer wieder ein „Ausländer“ an. Einmal nahm MK den Anruf im Beisein der Mutter entgegen und hätte auch „nichts verstanden“.
Wurde Thomas B. jahrelang verfolgt?
Ende 2003 hätte ihn im vaihinger Fitnessstudion „Fitness Land“ eine Frau names „Duska“ um Hilfe gebeten. Ein dort ebenfalls trainierende Kollege namens Andreas G. hätte ihr zuvor gesagt, dass Thomas B. in einer Spezialeinheit sei und ihr helfen könnte. Günther konnte die Version nicht bestätigen, da er zu einem späteren Zeitpunkt Selbstmord beging. Thomas B. hätte Duska zum LKA BW vermittelt, da sie Aussagen gegen ihren schwerkriminellen Ehemann Bozo C. machen wollte. Dank ihr konnte Bozo C. lebenslänglich verurteilt werden, mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Er war bis zu seiner Haft in Heilbronn wohnhaft.
Obwohl sich Thomas B. im Fitness-Studio von Bozo C. beobachtet fühlte, trainerte er dort zunächst weiter. Das Interesse Bozos an ihn hätte sich jedoch immer weiter gesteigert. Es hätte sogar einen „Vorfall“ mit zwei Türstehern gegeben, „in dessen Folge mir zwei BMW hinterhergefahren sind“. Deswegen wäre er Ende 2004 / Anfang 2005 in das Fitnessstudio „Physics“ in Vahingen gewechselt. Im Herbst 2005 ging er von dort ins „Easy Fit” in Sindelfingen.
Nach dem Überfall äußerte Thomas B. die Vermutung, dass ein Zusammenhang mit Bozo C. besteht. Diese Vermutung äußerte zuerst sein US-Freund Brian G.. Er war bei US-Spezialeinheiten und auch auf dem Balkan eingesetzt gewesen. Die schwerkriminellen Kreise vom Balkan hätten „sehr gute Aufklärungskräfte“ und hätten herausbekommen können, dass Beamte seiner Einheit in Heilbronn waren.
So erwähnte Thomas B. schon in seiner ersten Vernehmung 2007 Beschädigungen an seinem Wagen und vermutete, dass der Polizistenüberall „im Zusammenhang mit einem Sportstudio in Sindelfingen „Easy-Fit” stünde. So übergab er der Soko am 22.05.2007 eine „Dokumentation des EV Da Capo aus persönlicher Sicht“, in der er Manipulationen an fünf Privatfahrzeugen von Kollegen schilderte, darunter war auch das Fahrzeug von Dominik W.! Thomas B. hätte den Auftrag, die Dokumentation zu erstellen, vom Chef der Böblinger Bepo Pit H. erhalten, an dessen Auto gleichfalls manipuliert wurde!
Die Polizisten aus Kiesewetters Einheit bestätigten die “aufgeschraubten Radmuttern”, schrägen Blicke und die „Ventilschnitte” und brachten sie ebenfalls mit den dubiosen Männern im Fitnessstudio „Easy Fit“ in Verbindung, siehe Bilal A., Ringo L.! Olaf M. fiel dort dagegen nichts besonderes auf und hörte „auch nichts negatives“.
Jochen S. von der Einheit TEZ 514 trainierte zwar nicht im „Easy Fit“, hatte jedoch zweimal kurz hintereinander Platten. Es wären „zweimal Nägel im Reifen“ gewesen, obwohl ihr Parkplatz in der Kaserne überwacht wird.
Unglaublicherweise trainierte Thomas B. nach dem Überfall weiter in dem Fitness-Studio! Erst als er im Herbst 2008 nach Stuttgart abgeordnet wurde, „bin ich dort fast nicht mehr im Training gewesen.“ Romy S. fing erst nach dem Tod Kiesewetters richtig an, intensiv im „Easy-Fit“ zu trainieren!
Noch „Ende März/Anfang April 2011“ kam es zu einer gezielten Beschädigung eines Autoreifens der Ehefrau von Thomas B.!
Welche Rolle spielt BFE 523 Einheitsführer Thomas B.?
Thomas B. war bis 2004 beim bw Sondereinsatz Kommando (SEK) und betreute zeitweise eine serbische Spezialeinheit, als sie „im Ländle“ ein Praktikum absolvierte. Ab 2005 war er bei der BFE in Böblingen. Er wurde 2010 mehrere Monate wegen der „Libyen-Affäre“ suspendiert. Der Hintergrund war eine Ausbildungsmission in Libyen, das damals von Muhammar Gaddafi geführt wurde. Vor Ort halfen bw Polizisten in den Jahren 2005 – 2008 bei der Ausbildung von libyschen Polizisten.
Es kam zu Verdächtigungen, dass die deutschen Elitepolizisten privat nach Libyien gereist wären, ohne staatliche Rückendeckung. Von diesem Vorwurf wurden sie freigesprochen, jedoch kam es im Zuge der Ermittlungen zu Haudurchsuchungen. Bei zwei der drei baden-württemberger Polizisten kamen „Waffen beziehungsweise Munition“ zum Vorschein, die nicht ordnungsgemäß nach Waffengesetz registiert waren.
Wurde Gruppenführer (BFE 523) Timo H. geschützt?
Sechs Offiziere der im US-Bürgerkrieg unterlegenen Konföderation gründeten 1865 den Ku-Klux-Klan („White Knights of the Ku-Klux-Klan“). Aufgrund gewalttätiger und verbaler Angriffe auf Schwarze wurde 1871 die Organisation verboten, gründete sich jedoch 1915 neu.
Der Ku-Klux-Klan ist in Deutschland nicht verboten, wird jedoch vom Geheimdienst „Verfassungsschutz“ beobachtet. Die Organisation „europäische weißen Ritter des Ku-Klux-Klans“ kam 2000 in Deutschland auf und existierte bis Anfang 2003. Sie hatte ungefähr 20 Mitglieder aus verschiedenen Bundesländern. Achim S., ein Informant des Landesamtes für Verfassungsschutz, war der Gründer und Anführer der Gruppe. Ein weiteres Gründungsmitglied war der höchstwahrscheinlich vergiftete Thomas Richter, der 2005 eine NSU-CD in Umlauf brachte. Seit 1997 war Richter Informant des Verfassungsschutzes. Auch zwei böblinger Bereitschaftspolizisten waren dabei: Timo H. und Jörg W..
Im Jahr 2002 informierte der sogenannte „Verfassungsschutz“ den damaligen Landespolizeipräsident Erwin Hetger über die Mitgliedschaft der zwei böblinger Polizisten. Er wollte daraufhin ein „Exempel statuieren“. Das ging jedoch nicht, weil die Beweismittel nicht vom „Verfassungsschutz“ freigegeben wurden, da sie aus Abhöhrmaßnahmen nach „G 10“ stammen würden. Im Oktober 2003 observierte der Geheimdienst den „Sicherheitsoffizier“ der Gruppe, Steffen B. stundenlang, dem ein Peilsender am Auto angebracht wurde. So musste Hetger auf weitere Erkenntnisse warten. Erst am 22.12.2003 wurden die „Verwertungsbeschränkungen“ aufgegeben.
Als er auf die Beförderung von Timo H. angesprochen wurde, gab Hetger sich schockiert. Er hätte aber dagegen nichts unternehmen können, da „wir (…) nun mal in einem Rechtsstaat“ leben. Der Ausschuss müsse den damaligen Direktor des Bereitschaftspolizeipräsidiums Alfred G. darauf ansprechen.
Die Frage nach der Beförderung ging auch an den (damaligen) leitenden Polizeidirektor Ernst H. vom Polizeipräsidium Stuttgart. Er führte ab Mai 2004 in der Sache interne Ermittlungen durch und war der Dienstvorgesetzte des Direktors der Bereitschaftspolizei Alfred G..
Ernst H. sagte dem bw PUA, dass er erst 2004 in das Diszipilinarverfahren eingebunden war und nicht über die zwischenzeitliche Beförderung von Timo H. informiert wurde.
Frage: „Gut. Nun wissen wir, dass seit Mai 2002 die Polizeiführung von dem Vorfall wusste.
Z. E. H.: Da kann ich nichts dafür.“
Frage: „Wissen Sie, wann denn der Herr H. dann befördert wurde?
Z. E. H.: Nein, weiß ich nicht mehr. (…)“ Vorhalt: „Am 24.06.2003 zum Polizeiobermeister.
Z. E. H.: Da war bei mir gar nichts auf dem Tisch.“
Alfred G. rief ihn 2004 an und bat in der Sache „nicht in die Breite“ zu ermittlen.
Alfred G. verteidigte diese Bitte im PUA damit, dass Timo H. nicht von den Ermittlungen hätte gewarnt werden dürfen! Timo H. hätte zur Sache überraschend vernommen werden sollen, so dass er sich vorher nicht mit Kollegen hätte absprechen können. Dann hätte man seine Aussagen auf Ungereimtheiten überprüfen können und ggf. mit weiteren Polizisten Vernehmungen durchgeführt. Alfred G. verteidigte außerdem die böblinger Bepo, denn sie hätte 2003 von den Disziplarermittlungen gar nichts gewusst. Außerdem wäre Timo H. gut bewertet worden. So ging seine Beförderung in Ordnung.
Nachdem Erwin Hetger, Ernst H. und Alfred G. im Juli 2015 ihre Aussagen ablieferten, kam im Oktober der führende Bereitschaftspolizist Andi R. in den bw PUA.
Er widersprach der Darstellung dahingehend, dass Befragungen in der Kaserne erst 2004 stattfanden! Vielmehr wäre bereits 2002 „ein Ermittler“ in die Kaserne erschienen, um sich über die Tätigkeit von Timo H. beim Ku-Klux-Klan zu informieren. Ab diesem Zeitpunkt hätte dies die ganze Kaserne gewusst. Trotzdem wurde Timo H. kurz danach ins Stammpersonal befördert, weil er die damals erforderlichen Fähigkeiten besass!
Die Abgeordneten sprachen ihre Verwunderung über seine Beförderung aus, die im Gegensatz steht zur Nichtberücksichtigung von Kiesewetter. Andi R. erklärte:
„Ja, in erster Linie mal über die Stellensituation im jeweiligen Jahr. Das ist ja klar. Und zum anderen ist halt die Frage: Wen brauchen wir gerade? Brauchen wir jemanden ––Eine Festnahmeeinheit hat sowohl einen zivilen Aufklärungstrupp, der eben nur einebegrenzte Anzahl von Personen hat –drei, vier –, und er hat Gruppenführer bzw. stellvertretende Gruppenführer, und dann der Rest vom Stammpersonal, wo man eben festgesetzte Personen schon hat. Und wenn da kein Platz frei ist im zivilen Aufklärungstrupp, kriegt sie halt keinen Zuschlag in dem Moment.“
Es gab einen weiteren Polizisten, der indirekte Verbindung zum Ku-Klux-Klan hatte: Der „Sicherheitschef“ des Ku Klux Klans, Steffen B.. Er hatte einen Bruder, Jörg B., der Polizist war. Jörg B., machte genau in der Zeit ein Praktikum im Bereich „Brandermittlungen“, als der NSU-Zeuge Florian Heilig in seinem Auto verbrannte, angeblich ein Selbstmord. Laut der „Stuttgarter Nachrichten“ stellte Jörg B. sogar 2001 den Kontakt zwischen seinem Bruder und den „KKK-Polizisten“ her. In der Kiesewetter-Einheit gab es einen Markus B., mit dem gleichen Nachnamen wie Jörg und Steffen. Handelt es sich um Verwandte?
Ein nächtlicher Zwischenfall mit Kollegen in Thüringen
Eine bedrohliche Situation soll sich laut ihrer Freundin Anja Wittig Ende 2006 ereignet haben, bei denen Polizeikräfte beteilgt waren. Wittig schilderte den Vorfall, der MK verstört hätte:
„Wenige Monate vor ihrem Tod berichtete Michèle Kiesewetter ihrer Freundin von einem nächtlichen Zwischenfall am Ortseingang Oberweißbach.
„Sie war verstört. Ich hatte sie vorher so noch nicht erlebt. Und insbesondere war ungewöhnlich, dass sie nicht sagte, was dort war.“ (Anja Wittig)
Michèle Kiesewetter erzählt nur, dass mehrere Autos da gewesen seien und auch Polizei. Sie befürchtet dienstliche Konsequenzen – sagt aber nicht, worum es ging.“
“Ich hätte anfangs vermutet, dass es vielleicht um einen Drogendeal ging. Aber wie gesagt, ich habe nicht weiter nachgefragt”. Sie empfindet es als äußerst merkwürdig, dass der Vorgang danach nie weiter aufgetaucht ist oder zur Sprache kam. [auch in der Presse hätte offenbar nichts gestanden]. “Ich hatte das auch gegenüber dem BKA erwähnt, aber da hat überhaupt keiner nachgefragt”. Ob Michéle Kiesewetter sich vielleicht noch anderen anvertraut haben könnte? Wittig: “Sie hatte auch Freunde bei der Polizei, ich weiß auch dass sie mit irgendwem vom LKA Kontakt hatte, ich weiß nicht, wer“.
Kurz nach der “NSU-Selbstenttarnung”, aber vor ihrer Vernehmung beim Bundeskriminalamt (BKA) hätten sie zwei Männer mit Dienstausweisen besucht und gewarnt, sie soll sich “mal nicht so sehr erinnern.”
Die NSU-Ermittlungen des BKA leitete ab Mitte November 2011 unter anderem Axel Kühn. Er war Mitglied der „Besonderen Aufbauorganisation“ (BAO) „Trio“, Leiter des Lagezentrums und zugleich stellvertretender Chef des Führungsstabes. Ihm war oben geschilderter Vorfall „nicht bekannt“ gewesen, „Nein, dazu weiß ich jetzt nichts.“
4.2. In welchen Übungen war wann Michèle Kiesewetter beteiligt?
Im April 2007 fanden in der böblinger Kaserne verschiedene Übungen statt. Bei der BFE-523 war für „Aus- und Fortbildung“ Martin H. zuständig. In der Einheitsliste steht auch der Zeitraum, von „01.09.05 – 31.03.06 / 23.04.07“. Er wurde niemals befragt, dabei hat er den gleichen Nachnamen wie Gruppenführer Timo H.. Liegt ein Verwandtschaftsverhältnis vor? Martin H. sitzt inzwischen für die AfD im Bundestag.
In der Woche vor dem Überfall, vom Montag, 16.04., bis Sonntag, 22.04., hatte MK lediglich einen einzigen Einsatz. Im Vergleich dazu waren andere Mitglieder ihrer Einheit bei mehr Einsätzen eingebunden gewesen. Die Erklärung könnte sein, dass MK wesentlich bei Übungen beteiligt war. Sie war jedoch einzig bei der BFE-Fortbildung als Unterstützungskraft tätig. Deren Teilnehmer Jochen R. schränkte weiter ein, dass sie nur „im Rahmen einer Übung“ teilnahm – „Zu den ständigen Ausbildern gehörte sie nicht.“ Es bleibt daher ungeklärt, was MK eigentlich in der Vorwoche machte.
Laut einer SMS, die MK an Manuel B. am 18.04. sendete, hätte sie am 18.04. den ganzen Tag tapeziert: Nachdem sie ihm zuvor um 13:42 schrieb, dass sie „grad fleißig am haus anstreichen“ wären, informierte sie ihn um 21:57, dass sie jetzt nur noch „von einem eck im bett ins andere“ falle. Markus S. (BFE 523) sagte dagegen, dass Mitglieder ihrer Einheit, darunter MK, „ungefähr eine Woche vor der Tat“ privat in die Disco „B 30″ gegangen wären. Es wäre auch Markus B. dabei gewesen.
Am 19.04. begann ihr einziger Einsatz: Ihre Gruppe fuhr zu einer Gerichtsverhandlung nach Stammheim. Allerdings wurden sie „an dem Tag nicht benötigt, daher sind die Einsatzkräfte gleich wieder zurückgefahrenfahren.“
Gruppenführerlehrgang
Dieser Lehrgang bereitete Bereitschaftspolizisten darauf vor, Einsatzgruppen zu führen. Er dauerte vom 26.03. bis zum 27.04.2007. Der Leiter war der böblinger Polizist Alexander U.. Teilnehmer waren u. a. Marcello P. (Bepo Lahr), Peter S. (Bepo Lahr) und Maik K..
BFE-Fortbildung
Bereitschaftspolizisten aus Göppingen und Bruchtal nahmen bei dieser Fortbildung im Bereich Festnahme- und Beweissicherung teil. Dazu zählten u. a. Martin Arnold, Manuel B., Stephan R. (alle Bepo Göppingen), auch Florian Sp., Florian Sc. (Bepo Bruchsal). Die „BFE-Fortbildung“ ging „vom 19.03.-18.04.2007.“ Die Abschlussprüfung fand am 17.04. statt, MK funkierte dabei als „Störerin“. Auch ihr Freund Dominik W. war als Unterstützungskraft der Ausbilder tätig. Kurz nach der Ausbildung wechselte Manuel B. zur Bepo Bruchsal.
Lehrgang des zivilen Aufklärungstrupps (ZAT)(?)
Am 02.05.2007 wurde Florian St. (Bepo Bruchsal) von der Soko befragt, da seine Nummer im Handyspeicher Kiesewetters stand. Er, abgespeichert als „Floh“, rief sie in den Morgenstunden des 05.04. um 05:06 und 08:09 an. Außerdem hätte er eine Affäre mit MK gehabt (diesen Hinweis gab Romy S.). Er schilderte der Soko-alt, dass er mit ihr im Telekoleg war. Außerdem kannte er MK von gemeinsamen ZAT-Zivileinsätzen her, die bei Großveranstaltungen stattfanden. Er verstrickte sich in Widersprüchen, denen jedoch 2007 noch nicht nachgegangen wurden:
So hätte er an der BFE-Fortbildung teilgenommen, „vor drei vier Wochen“, bei der er als Ausbilder dabei war. Im Rahmen dessen hätte MK mit ihm einen „ZAT-Lehrgang“ besucht, der vom 04.04. – 05.04.2007 ging. Es hätte in der Nacht zum 05.04. ein Fest in der Kaserne gegeben. Sie wären dann zur ihr ins Umkleidezimmer gegangen und hätten zusammen geschlafen! Am nächsten Tag hätte es „Gerede“ gegeben. Am 05.04. wären sie dann zum Kaffetrinken in ihre Privatwohnung gefahren. Er wüsste aber nicht, wo sie wohne, „denn sie ist gefahren.“ Am Morgen gegen 06:00 Uhr früh hätte dort eine ZAT-Observationsübung angefangen, die bis 10:00 dauerte. MK wäre die „Zielperson“ gewesen, die Kursteilnehmer hätten sich ihrer Wohnung unauffällig genähert. „Meine Aufgabe war die Observation zu bewerten.“ Es wurden keine dienstlichen Handys benutzt, sondern mit privaten Handys kommuniziert. Obwohl die BFE-Fortbildung weiterging, brach er danach seine Ausbildungstätigkeit ab und fuhr nach Hause.
Florian St. kannte Marcello P., da der „zeitgleich mit mir auf dem Gruppenführerlehrgang in Böblingen“ war! Dies bestätigte Marcello P. – sie hätte Peter S. zusammengebracht. Peter S. kannte Florian St. von der gemeinsamen Zeit bei der Bepo Bruchsal, bevor Peter S. nach Lahr wechselte. Florian St. hätte dagegen Manuel B. „gar nicht gekannt. Zum ersten Mal habe ich mit ihm am 20.04.2007 gearbeitet.“
Am 02.12.2010 wurde er nochmals befragt
Nun nahm er nicht mehr bei der BFE-Fortbildung teil, sondern nur noch am „ZAT-Lehrgang“, der laut seines Kalenders vom „02.04. – 06.04.2007“ ging. Er hatte leider „keine Lehrgangsunterlagen mehr“. Jetzt fand zuerst am 04.04. die Observations- und Zugriffsübung statt. Im Rahmen dessen wären sie auf “jeden Fall (…) am 04.04.2007 in ihrer Wohnung” gewesen. Während der anschließenden Feier im „BFE-Keller“ in der Kaserne kamen sie sich näher und gingen in ihr Umkleidezimmer in der Kaserne.
Lügt Florian St.?
Laut der Einsatzlisten der Bepo Böblingen war Michèle Kiesewetter am 03.04. in Heilbronn und am 04.04. von 13:00 – 22:15 beim Objektschutz in Stuttgart eingesetzt gewesen. Sie konnte also nicht gleichzeitig in der Böblinger Kaserne beim “ZAT-Lehrgang” gewesen sein. Es ist auch abwegig, dass sie nach der Nachtschicht am nächsten Tag um 06:00 Uhr eine ZAT-Observationsübung gehabt hätte. In ihrem Privat-PKW wurden vielmehr Unterlagen der „BFE-Fortbildung“ gefunden. Sie zeugen von einer „Vollübung der Zentralen Fortbildung für BFE Einheiten“, die am 05.04. stattfand!
Was sagen die Kursteilnehmer?
Stephan R. sagte, dass ihm der Name Florian St. “nichts sage”. Manuel B. und Marcello P. teilten der Soko-alt mit, dass sie zwar Florian St. kennen würden, er jedoch weder bei der “BFE-Fortbildung” teilgenommen hätte, noch bei dem “Gruppenführer-Lehrgang”. Stattdessen besuchte er in Böblingen einen gesonderten „ZAT-Lehrgang“. Marcello P. bestätigte nicht nur den ZAT-Lehrgangsteilnehmer Florian St., er will ihn sogar mit Kiesewetter während eines Festes in der Böblinger Kaserne beobachtet haben: „Er hatte hin und wieder den Arm um sie gelegt.“ Es gibt ansonsten keine Zeugen, die diese Zärtlichkeiten beobachteten, obwohl sie in der Öffentlichkeit stattfanden. Es wird auch nirgends eine Feier „im BFE Keller“ am 04.04.07. erwähnt!
Carolin L. (BFE-522, ZAT) sah MK am „23. oder 24.04.2007“ abends während eines kleinen Fests des „ZAT-Lehrganges“. Dort wären neben den Lehrgangsteilnehmern, auch ZAT-Einsatzbeamte von der Bepo Göppingen und Bruchsal dabei gewesen. Carolin L. war keine Kursteilnehmerin, sondern wurde von einem befreundeten ZAT’ler zur Feier mitgenommen.
Die Soko-neu versuchte ab 2009 intensiv, die Ungereimtheiten aufzuklären und suchte bis Ende 2011 vergeblich, die Teilnehmerliste des öminösen ZAT-Lehrgangs zu erhalten. Ende des Jahres 2010 schrieb sie einen Aktenvermerk, dass „bis zum heutigen Tage (…) Zweifel“ bestünden, dass „Unterlagen der Soko Parkplatz vollumfänglich vorliegen.“ Seltsamerweise vernahm die Soko-neu jedoch keine Mitglieder dieser Sondereinheit, dafür Susanne M.:
Sie wechselte unterdessen von der Bepo Böblingen ins baden-württemberger Innenministerium. Laut ihr hätte es eventuell gar keinen ZAT-Kurs gegeben. Es könnte sich vielleicht um den „herkömmlichen Gruppenführerlehrgang“ gehandelt haben. Zur Zeit des Überfalls war sie die Sprecherin der Bepo und stand während der Ermittlungen in Kontakt mit Soko-alt Chef Frank Huber. Sie war „für das Innenministerium Ansprechpartner in Sachen Soko Parkplatz“ gewesen. Am 01.12.2010 kam es zu einem Eklat – Susanne M. blieb trotz wiederholter Bitte bei ihrer Weigerung, eine DNA-Probe abzugeben.
Handyauswertung gibt Hinweise auf Einsätze und Übungen
Die Einsatz-Kommunikation lief auch über private Handys. Timo H. erklärte dies damit, dass es schwierig wäre, „überall Funkkontakt zu haben.“ Auch Gruppenführer Thomas K. bestätigte, dass dienstliche Kommunikation während Einsätze „hauptsächlich“ über private Handys erfolgte. Die Gruppenführer hätten „Einsatzhandies“ erhalten. Es wäre ein Rahmenvertrag mit dem Provider Vodafone abgeschlossen worden. Carolin L. berichtete vom Einsatz von SMS-Nachrichten: Der Zivilbeamte hätte zum Beispiel „zu jeder viertel bis halben Stunde eine leere SMS geschickt, um „mitzuteilen, dass alles in Ordnung war.“
Auswertung des Gerätespeichers von MK
Eine Auswertung ihres Gerätespeichers ergibt eine Zusammenballung von zehn erhaltenen Anrufen in der Nacht zum und am Morgen des 05.04! Thomas K. (abgespeichert als „Kreßi“) war Gruppenführer der BFE-522. Er rief sie mitten in der Nacht mehrfach an. Zwei dienstliche Handys der Bepo („Bb 71“ und „Bb 72“) riefen sie ab 07:00 an, auch Dominik W. („Dome“) telefonierte um 07:25 mit ihr. MK rief hingegen niemanden an. Bei den Bb – Nummern dürfte es sich um Nummern von “ZAT”-Kräften handeln, mehr dazu in Kapitel 6.
Erhaltene Anrufe: „Kreßi“: 02:05. „Floh“: 05:06 und 08:09. „Bb 72“: 06:42, 06:58, 07:30, 07:52. „Bb 71“: 07:11, 07:16. „Dome“: 07:25.
Verpasste Anrufe: „Kreßi“: 02:06. „Bb 72“: 07:08. „Mutsch“: 17:05.
Gewählte Rufnummern: Keine!
Weitere nächtliche Einsätze/Übungen?
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Im Morgengrauen des 15.04. nahm MK mehrfach kurz hintereinander Anrufe von Patrick Hä. entgegen, der laut Yvonne M. „mit mir bei der BFE 522“ war. Er rief sie um 01:47:37, 01:47:59, 01:55:32, 01:54:41 (verpasster Anruf) und um 01:54:58 an! Sie wiederrum rief ihn nicht ein einziges Mal an. Laut Einsatzlisten war sie in der Zeit nicht eingesetzt gewesen. Am 15.04. hatte Dominik W. tagsüber Objektschutz in einer US-Kaserne in Stuttgart, ab 05:00 Uhr früh. MK hatte dort gleichfalls Objektschutz, jedoch erst später von 21:00 bis 07:00 Uhr des nächsten Tages, dem 16.04.2007. In dieser Zeit führt MK keinerlei Gespräche.
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Am 17.04. nahm MK bei der Abschlussprüfung der BFE-Fortbildung teil. Am Abend des 17.04. war es MK, die folgende Einsatzbeamte anrief: Mark E. (BFE 523) 17:10:14, 18:19:01, 18:19:11 und 20:20:02, um 20:20:27 Manuel B. und schließlich um 20:29:48 Romy S.! Es gab keine Rückrufe! Erst um 23:20 gab es einen verpassten Anruf einer unbekannten Nummer. Mark E. könnte auch bei der BFE-Fortbildung geholfen. Er bildete eine Clique zusammen mit MK und den Lehrgangsteilnehmern Manuel B., Stephan R. und Florian Sp. Sie lichteten sich in einem privaten Foto gemeinsam ab, welches in den Akten ist.
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Um 18.04. steht in ihrem Gerätespeicher ein verpasster Anruf von Patrick Hä. um 02:11 und von Dominik W. um 03:14! In der Nacht vom 17.04. auf den 18.04. fand die Abschlussfeier der BFE-Fortbildung in der Kaserne statt.
Schwarzer Einsatz von MK in Heilbronn
Am 04.05.07 sagte Dominik W., dass MK und er ein oder zwei Wochen vor dem 25.04. gemeinsam in Heilbronn im Einsatz gewesen wären. Es wäre entweder der „16.04. oder der 09.04.“ gewesen, sicherlich ein Montag. Dominik W. sagte, dass sie ihn plötzlich gebeten hätte anzuhalten. Sie wolle telefonieren. Da sie zufälligerweise an der Festwiese waren, stoppte er in der Nähe des späteren Tatortes. Nach dem Gespräch kam MK zu ihm zurück in den Wagen und sagte, dass hier doch ein guter Ort wäre um zu „beobachten“. In ihrem Gerätespeicher steht als gewählte Rufnummer, am Montag, 16.04., Yvonne M. von der BFE-522, die sie am Abend anrief! Am 09.04. gab es dagegen kein einziges Telefonate.
Auch in seiner zweiten Vernehmung am 26.05.2011 wiederholte er diese Aussage. Die Anfahrt fand „eine Woche vor der Tat [statt], bei dem ich mit Michèle in Heilbronn eingesetzt war.“
Das Problem ist, dass dieser Einsatz nirgends aufgeführt ist, weder in der Zusammenstellung ihrer Einsätze, noch in den Einsatzlisten! Im April war sie in Heilbronn nur am 02., 03. und 25.04.!
Die Soko-neu sprach daraufhin Dominik W. auf diese Ungereimtheit an. Es müsste sich wenn um ihren gemeinsamen Einsatz am 02.04 handeln. Er bejaht dies daraufhin. In einem Vermerk wird kritisch angemerkt, dass die Fahrtenbücher der Dienstwagen „an den Einstatztagen 19.02/02.04/03.04.“ ergebnislos überprüft wurden. MK steht dort weder als Fahrerin noch als Beifahrerin.
Dominik W. wiederholte im bw PUA seine alte Darstellung: „Ich würde behaupten, eine Woche oder zwei Wochen vorher. Aber ich glaube – – Ich würde „eine Woche vorher“ sagen.“ Gestützt wird seine Aussage von der Heilbronnerin Karin S., die am 25.04. von MK kontrolliert wurde. Sie hätte Kiesewetter bereits etwa zwei Wochen vor der Tat in Heilbronn gesehen, bei einer „Kontrolle bei der Harmonie“.
4.3. War Arnold bei einer anderen Einheit oder am Tattag bei der Bepo Göppingen?
In seiner Geldbörse befand sich sein Dienstausweis mit der Nummer 5-431 aus dem Jahr 2007/2008 von der 5. Bereitschaftspolizeiabteilung Böblingen, Asservatennummer MA.15. Es gibt in den Akten nur ein stark geschwärztes Foto des Ausweises, wo kaum etwas erkennbar ist. Laut der BFE-Einheitsliste war er ab dem 01. März 2007 bei der BFE 523. Die Daten in seinem Personalbogen bestätigen diese Angaben jedoch nicht: Dort steht, dass sein Ausweis nur bis zum 28.02.2007 gültig war, die Nummer wird nur mit „5-…“ angegeben!
MA war in der böblinger Kaserne weitgehend unbekannt. Manche sagten, dass sie ihn vom sehen her vielleicht kennen würden, beispielsweise Yvonne M.. Sogar in seiner Einheit BFE 523 war er nur wenig bekannt. So sagte Uwe B., dass er ihn „nicht so sehr“ kenne, „er war ja erst kurz hier“ oder Volker G.: „Martin kannte ich vor der Tat eigentlich überhaupt nicht, nur vom Sehen her.“ Dem bw PUA sagte er 2015: „Ich kann nicht mehr über ihn sagen, weil ich habe ihn vorher auf gar keinen Fall gekannt und im Nachhinein ab und zu mal mit ihm gesprochen.“
Einheitschef Thomas B. „hatte bislang noch nicht die Möglichkeit mit ihm näher in Kontakt zu treten“, kannte ihn „bewußt vor der Tat so gut wie gar nicht.“ Der Chef des Geschäftszimmers Sven H. konnte „gar nicht viel“ über ihn sagen: „Er ist, glaube ich, am 01.03. damals zu uns gekommen. Und in der Zeit hatte ich kaum Berührungspunkte mit ihm.“
Es gab Stimmen dafür, dass Arnolds tatsächlich bei der BFE-523 war:
Olaf M. (BFE-523): „Kennengelernt habe ich den Martin Arnold bei seinem zentralen Fortbildungslehrgang im März 2007, er war seitdem so wie ich Angehöriger der BFE 523. Näheren persönlichen Kontakt zu ihm hatte ich bis zur Tat nicht.“
Romy S. (BFE-523): “Vor der Tat kannte ich Martin nur vom Sehen her. Ich habe in einem Gespräch mit Michèle mitbekommen, dass sie an dem Tattag mit ihm eingeteilt war und selber fahren wollte, weil sie einen „Neuen” nicht fahren lassen wollte.“
Manuel B. (BFE-Bruchsal): „Von den 28 aus meiner Klasse sind insgesamt 11 zu verschiedenen BFE Einheiten gegangen. Cedric M. und Martin Arnold kamen zur BFE nach Böblingen, ich meine beide zum 523.“
Romy S. erklärte 2015 den Abgeordneten, dass Heilbronn der erste Einsatz von Arnold gewesen wäre.
„Soweit ich weiß, war das für M. der erste Einsatz. Also, der kam ganz frisch erst im März in unsere Einheit, hat dann erst mal die Fortbildung gemacht. Also, ich weiß nichts davon, dass sie davor schon mal zusammen gefahren sind.“
Keine Erinnerungen an gemeinsamen Einsatz
Trotz intensiver Befragung der böblinger Bereitschaftspolizisten konnte sich keine einzige Person an einen gemeinsamen Einsatz erinnern! Dabei wäre Arnold (vor Heilbronn) drei Mal eingesetzt worden und zwar …
„16.03.07 in Potsdam anlässlich G8, 13.04.07 in Reutlingen (Fußball Reutlingen/Stuttgarter Kickers), 19.04.07 in Stuttgart (Objektschutz), 25.04.07 in Heilbronn (Einsatzkonzeption)“
Laut Darstellung der Soko wäre er etwa am 16.03. beim G8-Gipfel dabei gewesen. Der dort ebenfalls eingesetzte und dazu befragte Hendrik M. (TEE-521) sagte, dass Arnold „bei der BFE-Hundertschaft“ war. Carolin L. wies darauf hin, dass in den Hundertschaften auch Bereitschafspolizisten von der Bepo Göppingen beteiligt waren. Die Führung hatte der Chef der böblinger Bepo Pit H. gehabt.
Auch die böblinger Bereitschaftspolizistin Bilal A. sagte, dass Einsatzgruppen „durch Kräfte anderer Einheiten aufgefüllt werden“! Sogar während „Konzeptionseinsätzen“, wie dem Heilbronner, „werden die Kräfte der gesamten Einheit nach Verfügbarkeit eingeplant. In seltenen Fällen wurde die Einheit durch Kräfte einer anderen Einheit aufgefüllt.“
Matthias H. war im taktischen Einsatzzug (TEZ 513). Laut der TEZ-Einsatzlisten wäre er mit Arnold auf demselben Einsatz gewesen. Am 19.04. hätten sie gemeinsam ein US-Objekt in Stuttgart geschützt. Er sagte jedoch, dass er niemals mit Arnold zusammen eingesetzt war. Daraufhin hielt ihm die Soko-neu eine Einsatzliste vor. Seine Antwort war, dass er sich nicht erinnern könne. Arnold und er wären bei unterschiedlichen Einsätzen gewesen, das auch anhand ihrer unterschiedlichen Einsatznummern ersichtlich sei.
Die LKA-Beamtin Bettina F. war ab Ende 2011 mehrere Monate in den Ermittlungen zum Opferumfeld Arnold beteiligt. Laut ihr wäre Heilbronn sein dritter Einsatz gewesen. Sein erster fand am 19.04. bei einer US-Kaserne in Stuttgart-Vaihingen im Objektschutz statt, der zweite war in der „darauffolgenden Nacht dieser Zeugenschutzeinsatz. Dann kam das Wochenende, und montags oder in der darauffolgenden Woche hätte er eigentlich frei gehabt.“
Bettina F. berichtete weiter, dass sich Arnold …
„… von sich aus (…) den Ablauf dieser Woche (…) gar nicht mehr so richtig erinnern [konnte].Und wir hatten ihm dann einfach die Eckpunkte, die wir eben hatten, auch diesen Einsatz, genannt. Und ich glaube, dass er daraufhin dann bestätigt hatte: „Ja, so war es.“
Die grüne Landtagsabgeordnete Petra Häffner fragte Sven H. nach dem Zeugenschutzeinsatz und gab dazu mehr Informationen: Martin Arnold hätte am Freitag einen Zeugen betreut, der bei der Bepo untergebracht gewesen war. Am gleichen Tag fuhr MK nach Stammheim, um einen Gerichtsprozess zu schützen. Sie fragte, ob es einen Zusammenhang geben könnte? Die Antwort von Sven H. war nichtssagend.
War Arnold auch bei der Bepo Göppingen?
Seiner damaligen Freundin Rebecca V. erzählte er von seinem WG-Zimmer bei der Bepo Göppingen. MA war auch Mitglied bei der Internetgruppe „2.BPA Göppingen“, die sich über das „StudiVZ Zentrale“ Nachrichten schrieb. Am 25.04.2007 schrieb Florian Sa. um 11:32 eine Nachricht im Forum der Gruppe, um 10:46 schrieb Florian Sp. (Bepo Bruchsal) eine Nachricht an MA. Um 11:34 hinterließ er eine Nachricht auf Arnolds Pinnwand. Über den Inhalt der Nachrichten steht nichts in den Akten.
„StudiVZ Zentrale“ schickte nur Bestätigungsemails an die gmx-emailadresse Arnolds und informierte über die dort eingehenden Nachrichten. Es wird nicht der Inhalt der eigentlichen Nachrichten ersichtlich. Das Problem war, dass die Soko-alt lediglich Arnolds „gmx“-Postfach abfragte, aber nicht die Nachrichten, die auf dem „StudiVZ Zentrale“ abgespeichert waren. Deshalb bleibt im Dunkeln, was sich die Bepo-Kräfte am Tattag über „Studi VZ Zentrale“ schrieben.
Wenn MA bei einer anderen Einheit war, dann hätte er wahrscheinlich keine Urlaubswoche gehabt. Seine SMS belegen sie allerdings: Am Donnerstag, 19.04., schrieb Arnold an seine Ex-Freundin Antonia S. um 19:15 eine SMS, dass er die nächste Woche Urlaub hätte. Am Freitag, 20.04., um 22:42, 22:44 schrieb er zwei SMS an Freunde, dass er die geplante Grillparty am Sonntag (22.04.) absagen müsse. Er hätte eine „Observation“, die Info hätte er gerade „gelesen“. Um 22:45 fügt er hinzu, dass er „die ganze nächste woche urlaub“ hätte.
Am Samstag, 21.04. um 07:18, informierte er die Simone F. (BFE-523), dass „die Obseinsätze für dieses Wochenende“ sich „erledigt“ hätten. „Täter wurde (…) erwischt.“ Simone F. (BFE 523) antwortete, dass sie die Nachricht bereits in der Nacht im Funk „mitgehört“ hätte! Sie wünschte ihm „ein paar erholsame (und natürlich vorallem schlafreiche ;)) Tage“. Ab 21:00 Uhr war Simone F. vom 20.04. auf den 21.04. im US-Objektschutz in Stuttgart eingesetzt gewesen. In ihrer Gruppe waren Volker G., Olaf M., Ralf S., Romy S. und Maik S.! Wenn Simone F. über Funk von der Festnahme erfuhr, dann dürften diese Kollegen sie durchgeführt haben. Darüber ist jedoch nichts bekannt. Dagegen spricht, dass ein Objektschutz nichts mit einem Observationseinsatz zu tun hat. Es gibt ansonsten keine anderen Einsätze der BFE-523 an dem Tag.
Friederike T. traf Arnold am Sonntag, 22.04. bei der Grillfeier und erfuhr, dass er am Mittwoch einen „Konzeptionseinsatz sichere Innenstadt in Heilbronn“ hatte. Das Grilltreffen fand am Sonntag bei Celia S. auf dem Balkon statt. Laut ihr wären MA und Friederike T. früher gegangen, weil sie „am nächsten Tag einen Einsatz“ hatten und „sich in Stuttgart melden“ mussten!
SMS-Austausch MA und MK am 23.04.
In Arnolds geschriebenen und empfangenen SMS wird erst am Montag, 23.04. der heilbronner Einsatz erwähnt: MK und MA wechselten SMS, die den Einsatz betrafen. Die SMS befanden sich lediglich im Handyspeicher Arnolds. Ordner 8 informiert ab Seite 57 über die dort abgespeicherten SMS:
Am Montag um 10:43 hätte Kiesewetter Arnold gefragt, ob er „Lust“ hätte, mit ihr zusammen am Donnerstag „raus“ zu fahren. Dabei wäre ihr ein Fehler unterlaufen: Sie irrte sich und dachte, dass der Einsatz am Donnerstag wäre. Nachdem Arnold sie auf den Fehler aufmerksam machte und fragte, ob sie in der Geschäftsstelle sei, schrieb sie ihm um 10:49 zurück: Sie hätte im Geschäftszimmer „geschaut“ und bestätigte das Datum. Obwohl zu der Zeit die Einheit eine Urlaubswoche hatte, befand sie sich also in der Kaserne.
„Freigeist“ gibt an dieser Stelle einen berechtigten Hinweis:
„Ob diese Kommunikation zwischen MK und MA und die Verabredung zu einer gemeinsamen Streifenfahrt in dieser Form so jemals stattgefunden hat, muss angezweifelt werden. Mit der von der Soko genutzten Software „MobilEdit 2.3.0.0 konnten bei MK gar keine und bei MA nur ein Teil der SMS wiederhergestellt werden. Die erwähnten SMS gehörten nicht dazu.
Erst mit einem Nokia eigenen Software Tool der „PC Suite 6“ konnten die SMS angeblich wiederhergestellt werden. Damit konnten die SMS von den Handys per Bluetooth auf einem Rechner im „EXCEL-CVS“ Format gespeichert und ausgedruckt werden. Die Problematik die sich daraus ergibt wird später noch im Kapitel 25.4 ausführlich behandelt!“
Arnolds Name steht nicht in den böblinger Einsatzlisten
In Ordner 9 sind die Einsatzlisten der verschiedenen böblinger Einheiten enthalten. Arnolds Name taucht nirgends auf! Es kann sich natürlich auch um einen Fehler handeln, aber: Cedric M. kam ebenfalls von der Bepo Göppingen, absolvierte auch die BFE-Fortbildung und wechselte dann zur Bepo Böblingen. Sein Name steht fünfmal in den Listen, etwa schützte er den G8-Gipfel am 16.03.07.
Die Soko-neu vernahm Stephan R., der ab September 2004 bei der Bepo in Göppingen tätig war. Er war der einzige Bereitschafspolizist aus Göppingen, der vernommen wurde. Er bestätigte, dass Martin Arnold nach seiner BFE-Fortbildung zusammen mit Cedric M. nach Böblingen wechselte. Er hätte aber nichts davon gewusst, dass seine göppinger Kollegen Einsätze in Heilbronn durchführten, wörtlich:
„Die Theresienwiese kenne ich erst seit dem 26.04.2007. Davor war ich wie gesagt nie in Heilbronn im Einsatz, auch privat nicht. Ob die Bepo Göppingen schon Einsätze in Heilbronn hatte, weiß ich nicht, vielleicht vor meiner Zeit.“
Dabei stand es sogar (kurz vor dem Überfall) in der Lokalzeitung „Heilbronner Stimme“, dass Bereitschaftspolizisen aus Böblingen und Göppingen in der Stadt eingesetzt würden.
4.4. War Theresienwiese „Rückzugsraum“ für Bereitschaftspolizisten?
Laut der Soko-alt wäre die Theresienwiese ein „Rückzugsraum“ für Bereitschaftspolizisten gewesen, wo sie Pause machen könnten. Der damalige Soko-Chef Frank Huber sagte den baden-württemberger Abgeordneten, dass „dieser Raum dort, die Theresienwiese, (…) zur Pause genutzt [worden ist]; er war bekannt bei der Bereitschaftspolizei als Rückzugsraum.“
Einheit TEZ-514
Nur ein kleiner Teil der Bereitschaftspolizisten bestätigen diese Darstellung, etwa Jochen S. (TEZ 514): Für ihn und Teile seiner Einheit war die Theresienwiese „definitiv nur Pausenparkplatz“. Er hätte dort niemals Kollegen der BFE-Einheiten BFE 523 oder 522 gesehen. Der Tatort wäre wohl geziel ausgewählt worden, weil dort „regelmäßig, fast täglich und oft mehrmals täglich ein Streifenwagen von uns parkte (…).“ Andere Mitglieder der TEZ-514 sagten dagegen, dass von dem Pausenort erst nachträglich im Kollegenkreis berichtet wurde, z. B. Janette R.. Yves S. schilderte, dass sie davon „erst am Abend des Tattages erfahren [hätte], als wir mit Kollegen zusammen saßen und diese erzählt haben, dass sie dort öfter Pause gemacht haben.”
Unglaublich ist auch ein Pausentreffen zweier Streifenwagen: Es soll zwischen Jochen S., Natascha K. sowie Cecille R., Dominik H. am 19.04.2007 am exakt gleichen Ort stattgefunden haben, wo sechs Tage später der Überfall sich ereignete. Frau Natascha K. war „noch deutlich in Erinnerung, dass wir dort genauso parkten, wie später die Michèle Kiesewetter und der Martin Arnold. Ich weiß noch, dass wir eben auch an diesem Trafohäuschen standen, weil es abgelegen war und man von der Bevölkerung wenig wahrgenommen wurde, es war dort wenig Personenverkehr.“
Dominik H. machte sogar noch am 24.04. auf der Theresienwiese eine Pause. Er hätte sich per Handy mit anderen Kollegen verabredet und parkte seinen Wagen exakt so, wie MK einen Tag später. Sie hätten einen Autofahrer kontrolliert, der während des Fahrens telefonierte. „Besonderheiten gab es dabei keine.” Am Tattag hätte er frei gehabt. Während er im Internet surfte, hätte er die Meldung vom Überfall gelesen, und mit Jochen S. telefoniert. Laut der Einsatzlisten war er jedoch am Tattag im Objektschutz eingesetzt gewesen, seine Antwort auf Vorhalt: „Oje, nach meiner Erinnerung hatte ich frei. Aber vielleicht war ich doch morgens im Dienst,(…).“ Auch die Bereitschaftspolizisten Stefan K. und Rainer B. befanden sich am 25.04 im „Objektschutz” in Stuttgart. An der Bekleidung Kiesewetters befand sich ihre DNA.
Theresienwiese bei den Einheiten 523 und 522 unbekannt
Die Soko behauptet, dass MK mit MA am 25.04. zweimal (11:30 und 14:00) die Theresienwiese angefahren hätte, lediglich um dort eine Pause einzulegen. Die meisten der Kollegen ihrer Einheit widersprechen dem jedoch: Zum einen war die Theresienwiese in der BFE-Einheit 523 als Pausenort weitgehend unbekannt, zum anderen pauste MK an anderen Orten in Heilbronn. Zum Beispiel sagte dies Romy S.: MK hätte andere Pausenorte in Heilbronn gehabt. Die Theresienwiese war ihr nicht als Pausenort bekannt.
Aufgrund der gravierenden Widersprüche in den Aussagen ist es unmöglich zu sagen, ob die Theresienwiese tatsächlich ein Pausenort war oder nicht.
Auch in der Schwesterneinheit BFE 522 wurde der Ort nicht genutzt, z. B.: Yvonne M. kannte die Theresienwiese nicht als Pausenort und glaubte sogar, dass in ihrer BFE-522 Einheit “keiner davon wusste”. Als einziger Vertreter der BFE 522 gab Gruppenführer Thomas K. vor, die Theresienwiese als Pausenort zu kennen. Er war am 25.04. in Neckarsulm eingesetzt.
Soko stellt Sachverhalt falsch dar
Am 26.06.2007 erstellte die Soko-alt die Übersicht “Ermittlungsübersicht Vernehmungen von Angehörigen der BFE 523 und EZ 514”. Darin werden die Aussagen fünfzehn Polizisten sinnhaft zusammengefasst, ob ihnen die Theresienwiese als Pausenort bekannt gewesen sei. Bei folgenden fünf Zeugen steht in der Übersicht, dass ihnen die Theresienwiese als Pausenort bekannt gewesen sei.
Einheitsführer BFE 523 Thomas B., Gruppenführer TEZ 514 Manfred E., Steffen J. (514), Janette R. (514) und Stefanie B. (514).
Dabei steht in den Wortprotokollen das genaue Gegenteil: Ihnen war die Theresienwiese als Pausenort zur Tatzeit unbekannt. Zum Teil wurde ihnen der Ort erst nachträglich als Pausenort bekannt gemacht. Das heißt, dass ein Drittel der Übersicht falsch ist.
Ein Sonderfall ist Einheitsführer Thomas B.: Erst bestätigte er der Soko 2007, er hätte den Ort als Pausenort gekannt, im Jahr 2010 jedoch nicht mehr. Bei dieser Darstellung blieb er auch 2015 im parlamentarischen Untersuchungsausschuss von Baden-Württemberg: „War Ihnen denn die Theresienwiese als Pausenort bekannt? Z. T. B.: Nein.”
Die Übersicht der Soko-alt vermittelt auch deshalb einen falschen Eindruck, weil nur fünf Mitglieder von Kiesewetters Einheit befragt wurden. Warum sind in der Übersicht der Soko überproportional viele Vertreter (10) der Einheit TEZ 514 vertreten, wo der Ort zum Teil zum Pausen genutzt wurde?
Von den fünf BFE-523 Beamten bestätigte 2007 lediglich eine Person, die Theresienwiese als Pausenort zu kennen: Der am Tattag eingesetzte Uwe B.! In seinen Zeugenaussagen widerspricht er sich im Laufe der Jahre. Er gab unterschiedliche Zeugenaussagen:
2007: “Ich habe dort noch nie Pause gemacht. Als Pausenplatz ist die Theresienwiese bei uns schon bekannt.”
2011: “Ich kenne mich dort auch aus, die Theresienwiese hat mir vor der Tat schon etwas gesagt, war mir aber weder als Pauseparkplatz noch als Kontrollort bekannt.”
Dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss sagte er wieder, dass ihm der Ort als Pausenort bekannt gewesen sei! Frage: „Das war Ihnen bekannt? Z. U. B.: Ja.”
In seinem Vernehmungsprotokoll aus dem Jahr 2007 steht, dass Uwe B. bei der TEZ 514 gewesen wäre. Es dürfte sich um einen Fehler handeln, da er in den Einsatzlisten der BFE 523 vermerkt ist.
Olaf M. nutzte Ort zum Pausemachen
Es gibt jedoch Ausnahmen: Es handelt sich um Olaf M., der WG-Partner von Alexander D.. Laut ihm hätten er und Alexander D. dort „öfter unsere Pausen verbracht.“ Die Soko-neu hielt ihm vor, am 03.04.2007 mit MK auf der Theresienwiese gepaust zu haben. Seine Antwort:“Das kann sein, speziell erinnere ich mich daran nicht.“
Olaf M. sei der Pausenort von einem “Volker” gezeigt worden, der „sehr gute Ortskenntnisse“ hätte. Handelt es sich hier um Volker G., der am 25.04. auch in Heilbronn eingesetzt war? In der Einheitsliste der BFE 523 gibt es nur eine Person mit dem Vornamen Volker.
Volker G. nutzte ihn dagegen nicht
Volker G. wurde noch am Tattag, am 25.04.2007, um 16.35 Uhr im Polizeirevier Heilbronn befragt. Seine Aussage war, dass der Ort ihm -nicht- als Pausenort bekannt sei.
Während seiner Befragung durch die Soko-neu wiederholte er diese Aussage. Er hätte zwar aus „Presseberichten“ erfahren, dass Kollegen dort pausten, aber:“Ich selber habe dort nie Pause gemacht, habe keinen Kollegen dort jemals beim Pausemachen gesehen und mir war es vorher nicht bekannt, dass es so sein soll.“
Auch Alexander D. widersprach Olaf M. im BW PUA: Er nützte die Theresienwiese nicht als Pausenort! Frage: „Haben Sie die Theresienwiese als Pausenort einmal benützt? Z. A. D.: Nein, gar nie.”
Lediglich der Thüringer Marcel M. bestätigte, dass der Ort zum pausen genutzt worden wäre. Ausgerechnet er war jedoch von 2001 bis 2006 WG-Partner von Timo H..
Bei den Personen, die den Pausenort Theresienwiese bestätigen, könnte es sich um die Polizisten handeln, die am 25.04. in zivil in Heilbronn eingesetzt waren, bzw. sie könnten einen eingesetzten Kollegen mit ihrer Aussage schützen wollen.
Anwohner sah Streifenfahrzeuge erst ab Mitte April
Versteckt sich hinter dem „Pausenmachen am Trafohäuschen“ etwas anderes, was mit einem Einsatz zu tun hat? Dazu passt die Aussage von Devinder S., der täglich am Trafohäuschen auf seinem Weg zur Arbeit vorbeiging. Er sah dort geparkte Streifenfahrzeuge „erst seit ca. 2 Wochen dort“ stehen.
Eine andere Einheimische, Frau S. sagte aus, dass sie Streifenwagen in der Theresienwiese immer wieder langsam herumfahren sah. Einen „geparkten Streifenwagen habe sie noch nie gesehen.“
Heilbronner Polizisten bestätigen Theresienwiese als Pausenort nicht
Unisono sagen die vernommen heilbronner Polizisten, dass sie nicht bemerkten, dass die Theresienwiese als Pausenort genutzt wurde. Der Streifenpolizist Timo P. sagte beispielweise, dass ihm „noch nie aufgefallen“ ist, „dass dort Kollegen gestanden sind.“ Er weist darauf hin, dass er „seit 1992“ beim Polizeirevier Heilbronn ist.
Dieter A. von der Kripo fuhr zusammen mit Frank Huber zum Tatort. Er verfasste am 11.05.2007 einen Vermerk über die Aussagen der heilbronner Polizisten. Dort steht, dass der Pausenort „einigen wenigen Kollegen bekannt“ war. Er stützte sich auf Aussagen von Polizisten der „E-Schicht“, die zur Tatzeit Dienst hatten. Es würde sich um Kerstin K., Patrick R., Michael K. und Tobias S. handeln. Es gibt jedoch keine Wortprotokolle, die diese Aussagen belegen würden. Stattdessen gibt es handschriftliche Notizen einer unbekannten Person, an deren Wahrheitsgehalt gezweifelt werden muss, aus folgendem Grund:
Im Gegensatz zu seiner (angeblichen) 2007-Aussage antwortete Tobias S. in seiner Vernehmung durch die Soko-neu im Jahr 2010 auf die Frage, ob der Ort als Pausenort bekannt gewesen sei, mit einem klaren Nein: „Nein. Mir ist erst nach der Tat zu Ohren gekommen, dass die Kollegen der Bepo auf der Theresienwiese Pause machten.“
Das ist keine Ausnahme: Keiner der heilbronner Streifenpolizisten kannte den Ort als Pausenort!
Es kommt der Wille der Soko-alt zum Vorschein, die Theresienwiese als harmlosen Rückzugsort müder Bereitschaftspolizisten darzustellen.