Beate Zschäpes Anzeige gegen eigene Anwälte – nur Theaterdonner

Ewald T. Riethmüller, ter@jurtex.de, schrieb:

Das Ergebnis meiner Prüfung vorab: Die Strafanzeige von Beate Zschäpe gegen ihre drei Pflichtverteidiger Stahl, Heer und Sturm wegen Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht ist sowohl in rechtlicher, wie auch in tatsächlicher Hinsicht reiner Theaterdonner ohne Substanz.

Die strittige Formulierung von Wolfgang Heer lautete nach der dienstlichen Äußerung des Senatsvorsitzenden Manfred Götzl: „…..sie (die Pflichtverteidiger) hätten Beate Zschäpe nicht verboten in den Verhandlungen Angaben zu machen….“

War dies wirklich alles, so liegt weder ein Vergehen nach § 203 StGB (Verrat von Privatgeheimnissen) vor, noch eine Verletzung der sonstigen anwaltlichen Obliegenheitspflichten, denn diese Aussage beinhaltet lediglich eine Selbstverständlichkeit. Anwälte können einem Mandanten nichts verbieten – sie können ihm nur Ratschläge erteilen.

Wie hart der Vorgang an der rechtlich zulässigen Grenze liegt zeigt nachfolgende kleine Umstellung der obigen Äußerung: „….hätten nicht geraten in den Verhandlungen keine Angaben zu machen….“

Dies wäre eine unzulässige Offenbarung der verabredeten Verteidigungsstrategie und eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht.

Auswirkungen:

Beate Zschäpe hat mit dieser Strafanzeige weder einen erheblichen Fehler gemacht, noch etwas über ihre Person offenbart, denn die Anzeige geht wohl auf ihren vierten Pflichtverteidiger Matthias Grasel zurück, der mit diesem Schachzug nicht nur den ersten Eindruck des unerfahrenen „Lockenköpfchens“ als falsch entlarvt, sondern auch für ein mögliches Revisionsverfahren punktete, denn natürlich ist es befremdlich wenn Verteidiger – ohne Wissen des Mandanten – Gespräche mit dem Vorsitzenden führen, welche die Verteidigerstrategie tangieren. Insbesondere dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Anwälte und Mandat derart gestört ist, wie im NSU- Prozess.

 Wahlverteidiger – Pflichtverteidiger

Die Wahlverteidiger sucht sich ein Angeklagter selbst aus. Sie haben in der Regel sein Vertrauen und sie werden vom Angeklagten bezahlt – zumindest in den ersten Prozesstagen.

Der Münchner Rechtsanwalt Bossi konterkarierte dies. Spätestens am dritten Verhandlungstag offenbarte er, das sein Mandant nicht mehr in der Lage sei ihn zu bezahlen und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Selbst wenn das Gericht Pflichtverteidiger bestellt hatte, musste Bossi mit Hilfe dieses Tricks als weiterer Pflichtverteidiger beigeordnet werden. So kam auch so manch armer Angeklagte zu einem Starverteidiger.

Pflichtverteidiger sind vom Gericht bestellte Verteidiger – in Fällen der notwendigen Verteidigung. Haben die Angeklagten Wahlverteidiger, so lehnen es die Angeklagten häufig ab, mit den vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger auch nur zu reden.

Dies zeigt, das die Institution „Pflichtverteidiger“ nicht unbedingt das Vertrauen des Mandanten haben muss. Die Institution dient dem Gericht – bei einer notwendigen Verteidigung – die Anwesenheit eines Verteidigers – auch gegen den Willen des Angeklagten – zu gewährleisten.

Die notwendige Verteidigung soll die Rechtsstaatlichkeit eines Strafverfahrens garantieren und ist – wenn ich mich richtig erinnere – grundsätzlich gegeben, wenn dem Angeklagten im Falle einer Verurteilung eine Strafe von über einem Jahr droht. (Ich habe dies jetzt nicht nachgeprüft.)

Sie kann für das Gericht eine böse Falle sein, wie nachfolgende Anekdote zeigt:

Dem Gericht und der Staatsanwaltschaft war es gelungen meinen Mandanten in eine Ecke zu treiben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieser zusammenbrach.

Alle Entlastungsversuche – bis hin zum Theaterdonner – halfen nichts, die Herren hatten Blut geleckt und wussten, sie würden den Angeklagten „zu Fall „ bringen. Da fiel mir der Trick eines Frankfurter Strafverteidiger ein, der auf der auf der Tastatur der Strafprozessordnung spielen konnte wie ein Pianist. Ich beantragte für mich ein Raucherpause, mit der Begründung, das ich Level- Raucher sei und mein Nikotinspiegel zu niedrig sei. Natürlich wurde der Antrag ad Hoc abgelehnt. Machte nichts, ich stand auf, zog die Robe aus und legte gegen die Ablehnung meines Antrages – alle zulässigen Rechtsmitteln ein. Beim Hinausgehen spottete ich: „Denken sie dran dies ist eine notwendige Verteidigung, ohne mich kann es hier nicht weiter gehen. Wir sehen uns in drei Tagen wieder.“

Im Strafrecht müssen Rechtsmittel nicht bezeichnet werden und alle zulässigen Rechtsmittel bedeutet nun mal alle Rechtsmittel, insbesondere auch solche die die Fortsetzung einer Verhandlung verhindern. Sie brauchten wirklich zwei volle Tage um alle Rechtsmittel – die zulässig waren – zu finden. Dazu gehört auch die „Erinnerung“ (gegen eine Kostenentscheidung). Auch die ist zulässig, wenn auch abwegig.

Was hätte mir passieren können? Beschwerde an die Anwaltskammer wegen standeswidrigem Verhalten und Auferlegung der Kosten des geplatzten Termins. Und? Der Mandant brauchte eine Pause und zu der hatte ich ihm zu verhelfen. Fortgesetzt wurde die Verhandlung mit einem zusätzlichem Pflichtverteidiger, der sich von mir zunächst die Feinheiten des Tricks erklären ließ. Leider war der Kollege Nichtraucher.

Resümee:

Matthias Grasel entpuppte sich als Kenner der Strafprozessordnung und macht er auf diese Art weiter, dann könnte der Prozess in München endlich eine andere Richtung nehmen, denn bisher ist dieser Prozess noch nicht einmal in den Vorhof der Wahrheit eingedrungen.

Theaterdonner gehört zu einem Prozess, ebenso wie Show. Die Beteiligten haben Rollen, die sie ausfüllen müssen. Ein „Lockenköpfchen“ auf der Verteidigerbank nützt nur dem Gericht. Nicht der Wahrheitsfindung.

Dieser Prozess muss weg von der einseitigen Fokussierung auf die Angeklagten Zschäpe, hinter der sich bisher die Mitangeklagten und ihre Anwälte versteckten. Es ist Spekulation, aber ich bin mir sicher, das sich zum Beispiel hinter dem Mitangeklagten A. E. ein völlig anderer „Tatbeitrag“ verbirgt, als der angeklagte Vorwurf.

Und, es ist nicht die Aufgabe eines Strafprozesses involvierte Nachrichtendienste mit Samthandschuhe anzufassen oder gar zu schützen. Auch diese Behörden sind dem Recht und dem Gesetz unterworfen. Das Gericht hat notfalls mit Durchsuchungen die Wahrheit zu erzwingen.

Bisher hat sich das Gericht dadurch ausgezeichnet, das Zeugen logen und es teilweise frech veralberten. Mir kann Keiner erzählen, das es unmöglich ist einen offensichtlich lügenden Zeugen festzunageln. Wenn nicht im Kernbereich seiner Aussage, dann halt in einem Nebenbereich. Wenn beim ersten Zeugen die Handschellen klicken, dann werden sich die weiteren Zeugen überlegen wie sie auftreten.

Ich erwähne dies, weil nach meinem bisherigen Eindruck vom Prozess Ankläger und Gericht über so manchen lügenden Zeugen richtig erfreut erschienen. Immer dann wenn der BAW behauptete: „Diese Frage hat keine Relevanz“, dann diente dies dem Schutz des Zeugen. Es ist, als wären wir in den USA, wo es zulässig ist gegen Fragen „Einspruch“ einzulegen. Ein fragender Anwalt muss einen Freiraum haben. Ein Fragekomplex muss eine Relevanz zur Anklage haben, nicht jede einzelne Frage. Es wird Zeit, das sich in diesem Prozess etwas ändert.

4 Gedanken zu „Beate Zschäpes Anzeige gegen eigene Anwälte – nur Theaterdonner“

  1. Erste Aktualisierung des Artikels

    Mit einem notwendigen Update am 28. oder 29.7. hatte ich gerechnet, nicht aber damit, das sich die Informationen überschlagen. Dafür gibt es nun – exklusive – Neuigkeiten, welche die Medien noch nicht erreichten.

    Auffallend an dem von Beate Zschäpe inszeniertem „Theaterdonner“ war, das sie alle drei „Altverteidiger“ wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht anzeigte, obwohl die beanstandende Äußerung nur von Wolfgang Heer stammte.
    Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch Unterlassen gibt es nicht. Anwälte haben für ihre Mitverteidiger keine Garantenpflicht.
    Hinzu kam die Information, das angeblich neue Entbindungsanträge von den angezeigten Anwälten gestellt würden, was mich nicht verwunderte.

    Die Lösung des Rätsels scheint in dem Wunsch der Angeklagten zu liegen zwei oder drei Pflichtverteidiger aus der Kanzlei ihres jetzigen „Liebling- Anwaltes“ Matthias Grasel zu bekommen. Vermutlich verspricht sie sich davon eine effektivere Strafverteidigung.

    Abwegig ist diese Hoffnung nicht. Eine solche Konstellation hätte Vorteile in Sachen Arbeitsteilung und insbesondere in Sachen Vorbereitung. Besonders in Sachen Vorbereitung war sie offenbar mit ihren „Altverteidigern“ nicht zufrieden.

    Das Problem ist, sie hat die Sache initiiert, weshalb das OLG die Strafanzeige als reine Provokation – mit dem Ziel ihre bisherigen Wahlverteidiger los zu werden – werten kann.

    Doch es gibt ja auch noch die Befindlichkeiten der Angezeigten. Hat einer von diesen die Nase so voll, das er jegliche weitere Verteidigung ablehnt, da es ihm angeblich unmöglich ist eine Mandantin zu verteidigen, welche in angezeigt hat, so wird es das Gericht nicht auf die Einholung eines psychologischen Gutachtens ankommen lassen. Es wird den betreffenden Anwalt entbinden. Zwei Altverteidiger reichen für die Fortsetzung des Verfahrens.

    Das es vermutlich tatsächlich so ist, zeigt mir der Umstand, das sich ein Herr B. aus der Kanzlei Grasel bereits als weiterer, neuer Pflichtverteidiger – nach den mir vorliegenden Informationen – ins Gespräch brachte.

    Es wird spannend werden im OLG.

  2. Es ist wahrscheinlich die Frage, was wurde Zschäpe als Prozessausgang zugesagt und wie weit ist man aus ihrer Sicht davon weg. Kann durchaus sein, das sie im Verfahren Punkte wünschte, die ihr die Anwälte nicht brachten. Jetzt wird sie aktiv.

    Es muss ja nach gegenwärtiger Infolage davon ausgegangen werden, dass sie V-Frau ist. Sie hält ihren Teil des Deals ein und schweigt, spielt aber die Karte aus, dass muss nicht so bleiben.
    Daneben hat sie mit der Nummer der Revisionsblume fleißig Wasser gegeben.

    Insofern kann man vieles rein deuten, es ist unterm Strich wahrscheinlich deutlich weniger.

  3. Zweite Aktualisierung, 29.7.2015

    Die Staatsanwaltschaft München I hat nach nur drei Arbeitstagen die Strafanzeige von Beate Zschäpe gegen ihre drei Pflichtverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen als unbegründet verworfen.

    Nach Ansicht der StA haben sich die Anwälte legitim Verhalten und als Organe der Rechtspflege selbstständig und unabhängig von der Angeklagten agiert. Bei dem Gespräch der Anwälte mit dem Vorsitzenden seien keine Informationen geflossen, welche den Tatbeitrag oder die Schuld der Angeklagten tangierten.

    Im Ergebnis stimme ich dieser Entscheidung zu, nicht aber in der Begründung. Der Kernbereich der Verteidigung reduziert sich nun mal nicht auf schuldig oder unschuldig. Die Verteidigungsstrategie der Anwälte, aber auch die Strategie der Angeklagten gehören mit zu diesem Kernbereich, der dem Gericht nichts angeht. Doch dies sind jur. Feinheiten.

    Fazit:
    Theaterdonner – mehr nicht.

  4. Die recht spät eingereichte, da aufgedunsene Anklageschrift ließ anfangs eine erdrückende Beweislast vermuten. Der Prozess plätschert aber seit Jahren so dahin. Unzählige belanglose Zeugen, keine harten Beweise. Und das große Tabu eines Staates, der über sich selbst zu Gericht sitzen müsste, aber alles tut, um genau davon abzulenken.
    Was eignet sich besser, als ein überlanger Prozess, von dem irgendwann niemand mehr belästigt werden will.

    Der Vorteil für das staatliche Narrativ (Unbewiesenes brennt sich im öffentlichen Bewusstsein ein, Brisantes schleift sich ab) ist ein großer Nachteil für das Trio Heer/Sturm/Stahl: Sie haben griffige Namen und vermutlich Angst, in der Zeit nach dem NSU-Prozess als ewige Nazi-Anwälte dazustehen. Da ist ein bisschen streitbare Distanz zu Zschäpe ganz wohltuend.

    Umgekehrt will / muss das Gericht den Prozess zeitlich bis in 2016 schleppen, obwohl man seit Wochen das Gefühl hat, inhaltlich tue sich kaum noch was. Da ist eine zickende Zschäpe gutes Futter für die hungrige Meute der harmlos-niveaulos spekulierenden Medien.

    Genau: Theaterdonner. Und zwar vermutlich einvernehmlich. Um Zeit zu schinden und schönen bösen Schein der offiziellen Version und das jeweils eigene Gesicht zu wahren.

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