Archiv der Kategorie: Gerichtsprozesse

Amtlich: Corona-Schnelltests zum vorbeugenden Infektionsschutz ungeeignet

Am 29. August 2022 kam der “Expertenrat der Bundesregierung zur COVID-19-Pandemie” zu seiner 26. Sitzung zusammen. Anwesend waren u.a. auch Gesundheitsminister Prof. Lauterbach und  Prof. Drosten.  Im Protokoll der Sitzung findet man einen bemerkenswerten Satz:

“Hinzu komme, dass der Antigen-Schnelltest die ersten 3 Tage falsch negativ ist und das Virus dadurch weitergetragen werde.” Zitat Ende

Die Schnelltests sind demnach zum vorbeugenden Infektionsschutz nicht zu gebrauchen. Schön dass die Bestätigung dieser (altbekannten) Tatsache, auch im Protokoll eines Gremiums der Bundesregierung festgehalten ist. Denn ein Schüler in Sachsen-Anhalt hatte bereits bei Testbeginn im April 2021, seine Schule mit dem Inhalt der Gebrauchsanweisung eines dort zum Einsatz kommenden Schnelltests konfrontiert, in welcher es gleichermaßen hieß:

“Wenn Sie Kontakt mit einer infizierten Person hatten, können Sie drei Tage später bereits den Nasentupfer Test durchführen” Zitat Ende

Der Schüler monierte also im April 2021 dasselbe, wie die Experten der Bundesregierung über ein Jahr später im August 2022. Nämlich dass man mit dem Einsatz derartiger Schnelltests in Schulen und Testzentren, die Ausbreitung des Corona-Virus noch beschleunigen würde, der Einsatz derartiger Tests also kontraproduktiv sei. (hier mehr dazu)

Schulleiter und Landesschulamt waren der undemokratischen Überzeugung,  eine Diskussion  über den Einsatz der (nutzlosen) Schnelltests wäre entbehrlich, denn deren Anwendung wäre von oben (sic) angewiesen. Dies ist besonders verwerflich, weil die Schulen den Eltern die Gebrauchsanweisungen der Schnelltests zur Kenntnisnahme und Einwilligung in das Testprozedere zuerst vorgelegt hatten.  (siehe hier)

Der Schüler – welcher letztendlich 200 Tage vom Unterricht ausgeschlossen blieb, nur weil er es sich wagte, die Eingangs zitierte Binse des Expertenrates der Bundesregierung, bereits bei Testbeginn im Frühjahr 2021 zu offenbaren -, verklagte seine Schule natürlich. Denn neben dem Schutz der eigenen Gesundheit, ging es dem Staat doch angeblich auch um den Schutz von vulnerablen Gruppen, welche durch den Einsatz der offensichtlich nutzlosen Tests an Leib und Leben gefährdet wären.

Die 7. Kammer des VG Magdeburg sprach indes dem Schüler – und damit allen Bürgern in Sachsen-Anhalt -. das Recht auf funktionierende Schnelltests grundsätzlich ab:

“Dem Kläger stand auch ein Anspruch auf die Zurverfügungstellung von SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests, die im Sinne des § 7 IfSG geeignet waren, akute Infektionen mit dem Krankheitserreger SARS-CoV-2 bei dem gesunden oder asymptomatischen Kläger
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisen zu können, nicht zurSeite.” Zitat Ende (Urteil VG MD vom 15.05.2022, Az.: 7 A 150/21 MD)

und das OVG Sachsen-Anhalt hatte bereits im Herbst 2021 vernünftiges Denken beim vorbeugenden Infektionsschutz außer Kraft gesetzt, indem es dem Schüler  und damit allen Bürgern in Sachsen-Anhalt im Eilverfahren beschieden hatte:

“Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Gebrauchsanweisungen der Schnelltests zu lesen und die dort gezeigten Grenzen des Tests zu berücksichtigen, ergibt sich aus dem Gesetz gerade nicht, weil die Sonderzulassung gemäß § 11 Abs. 1 MPG die Geeignetheit der Tests indiziert.” Zitat Ende, Beschluss OVG LSA vom 22.09.2021; Az.: 4 M 190/21)

Ein bewusster Zirkelschluss und mithin eine wissentliche Beugung geltenden Rechts, denn die Sonderzulassungen der Schnelltests beruhten eben gerade auf deren Gebrauchsanweisungen:

„Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat auf die gerichtliche Anfrage vom 25.11.2021 mit Schreiben vom 29.11.2021 auf die von ihm erteilte Sonderzulassung verwiesen, die auf der durch den Hersteller vorgenommenen Angabe der Zweckbestimmung im Sinne von § 3 Nr. 10 Medizinproduktegesetz
(MPG) beruht.” (Beschluss VG MD vom 22.12.2021, Az.: 7 B 303/21 MD)

§ 3 Nr. 10 MPG lautet :

Zweckbestimmung ist die Verwendung, für die das Medizinprodukt in (…) der Gebrauchsanweisung (…)  bestimmt ist.“ Zitat Ende

Fazit:

Der Einsatz von SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests während der COVID-19-Pandemie kann nicht zum Zweck des vorbeugenden Infektionsschutzes erfolgt sein. Sowohl Bundesregierung als auch Gerichte und Beamte haben wissentlich die Gesetze vernünftigen Denkens außer Kraft gesetzt, indem sie die Gebrauchsanweisungen der Schnelltests und mithin die Angaben der Hersteller zum Einsatz derselben ignorierten.

Daraus folgt aber auch, dass es dem deutschen Staat zu keinem Zeitpunkt der Pandemie um die Eindämmung des Krankheitserregers SARS-CoV-2, und mithin gerade nicht um die Verhinderung von Todesfällen und schweren Erkrankungen gegangen sein kann. Der Einkauf von Schnelltests im Wert von zweistelligen Milliardenbeträgen ist demnach einer anderen Motivation geschuldet gewesen, mit Sicherheit aber nicht dem Bestreben, die Bevölkerung vor einer Gesundheitsgefahr zu schützen.

Bedeutsam sind diese Schlussfolgerungen deswegen, weil vorbeugender Infektionsschutz generell eine gute Sache ist, durch das Handeln des Staates während der COVID-19-Pandemie jedoch ad absurdum geführt wurde. Sollte ein Krankheitserreger mit kürzeren Inkubationszeiten und höherer Letalität eine pandemische Verbreitung erfahren, dann würde bei gleichermaßen missbräuchlichem Einsatz von Antigen-Schnelltests, ein Großteil der Bevölkerung versterben. 

Ramelows Keule gegen die Gewaltenteilung wird zum Bumerang – die Justiz wehrt sich

Zur Maskenpflicht an Schulen traf in Weimar das dortige Familiengericht am 8. April bekanntlich eine sensationelle Entscheidung, die hohe Wellen schlug, [1].
Die größte dieser Wellen traf mit voller Wucht den „ursächlichen“ Familienrichter Christian Dettmar, denn ihm wurde u.a. von der Thüringer Landesregierung (Kultusministerium) ganz massiv vorgeworfen, er habe illegal Zuständigkeiten des Verwaltungsgerichts an sich gerissen und sei daher der Straftat der Rechtsbeugung verdächtig.
In unserer aufgewühlten Zeit, in der „Abweichler“ ganz schnell und verachtungsvoll in die Querdenker-Schublade gesteckt werden, hat es nun also einen Richter erwischt:
Im Rahmen der staatsanwaltlichen Ermittlungen wurde sein Haus durchsucht und sein Handy „sichergestellt“, [2].

Das könnte etwas voreilig gewesen sein: Zum einen hat in Bayern fünf Tage später das Familiengericht in Weilheim [3] ähnlich wie das in Weimar entschieden – mit einer ausführlicheren und sehr guten Begründung, warum das Familiengericht zuständig sei – und „Sanktionen“ gegen dieses Gericht gab es bisher keine.
Die Weilheimer Maskenbefreiung war zwar in einem wichtigen Punkt etwas bescheidener als die Weimarer: „Wie eine Sprecherin des Gerichtes mitteilte, gilt die Entscheidung allerdings nur für diesen Einzelfall“, [4].
Dennoch wäre es klüger für Ramelows Kettenhunde gewesen, erst mal weiter zu schauen, was andere machen – und nicht die verfassungsmäßige Gewaltenteilung zu beschädigen. Vorschnell und mit einer übergroßen Keule, die sich nun als Bumerang entpuppt.

Denn zum anderen hat in Baden-Württemberg das Oberlandesgericht Karlsruhe [5] als zweite Instanz am 28. April das Familiengericht Pforzheim zurückgepfiffen. Dieses wollte 9 Tage vor dem Weimarer Spruch nicht einmal „Vorermittlungen“ führen, ob ein beantragtes familiengerichtliches Verfahren nach § 1666 BGB einzuleiten sei. Es hielt sich für vorneherein und vollständig unzuständig und wollte die Antragstellerin postwendend an das vermeintlich zuständige Verwaltungsgericht verweisen.
Das Pforzheimer erstinstanzliche Gegenstück zu Weimar (das ganz nach dem Geschmack von Ramelows Landesregierung lief und von ihr vielleicht als Blaupause verstanden wurde?) hat jetzt in der zweiten Instanz Schiffbruch erlitten.

„Kein Verweis an Verwaltungsgericht bei behaupteter Kindeswohlgefährdung durch Corona-Maßnahmen“, titelt auch das Rechtsportal beck-aktuell, wo dann im Artikel darauf hinwiesen wird, der Beschluss aus Karlsruhe verlange nur eine ausführliche Zuständigkeitsprüfung, lasse inhaltlich aber offen, wo die tatsächliche Zuständigkeitsgrenze zwischen Familiengericht und Verwaltungsgericht denn nun genau verlaufe [6].
Man sollte sich daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Familiengerichte zu ganz anderen Entscheidungen gelangen können als die von Weimar und Weilheim.

So grenzt sich z.B. das Familiengericht in Waldshut-Tiengen [7] ausdrücklich vom Weimarer Spruch ab:
„Gerichtliche Maßnahmen können wegen der nur subsidiären Zuständigkeit des Staates als weitere Tatbestandsvoraussetzung nur ergriffen werden, wenn die Eltern zur Gefahrenabwendung nicht bereit oder fähig sind“ und verweist auf einen Gesetzes-Kommentar zu § 1666 BGB.
Dessen Wortlaut (Absatz 1: „und sind die Eltern nicht gewillt oder in der Lage, die Gefahr abzuwehren“) zeigt die hauptsächliche Stoßrichtung dieser Vorschrift: Ein persönliches Unvermögen der Eltern im konkreten Einzelfall, weniger ein Scheitern aller Eltern an objektiven Rahmenbedingungen.

Ganz ausschließen lässt sich die letztgenannte Variante aber nicht – das Familiengericht Waldshut-Tiengen macht es sich da etwas einfach: Weil die Mutter ja gewillt sei, komme es auf objektive Hindernisse nicht an und das Gericht habe keinen Anlass, in die elterliche Sorge der Mutter einzugreifen.
Man kann aber wohl davon ausgehen, dass der Antrag der Mutter (dessen genauer Wortlaut nicht veröffentlicht ist), gerade nicht die Beschränkung ihres eigenen Sorgerechts anstrebte, sondern nach Absatz 4 des § 1666 BGB („In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen“)
gegen die Schule gerichtet war und damit eben doch gegen Rahmenbedingungen, die die Mutter beim besten Willen und größtem Geschick nicht selber ändern kann und die unter Umständen sehr wohl das Kindeswohl gefährden können.

Fazit 1:
Mit regional unterschiedlichen Urteilen der gleichen Instanz mussten Bürger wie Verwaltungen schon immer leben. Daraus kann man den beteiligten Gerichten keinen Strick drehen, denn bis höhere Instanzen eine „gefestigte Rechtsprechung“ bieten, die auch wirklich alle Teilfragen abdeckt, kann es sehr lange gehen und gerade auch der Karlsruher Spruch entscheidet nur so eine kleine Teilfrage.
Solange es nicht einmal ansatzweise „Deutungsvorgaben“ höherer Instanzen gibt, ist jedenfalls der Vorwurf der „Rechtsbeugung“ seitens der Exekutive nicht nur inhaltlich fragwürdig, sondern im Sinne der Gewaltenteilung respektlos-übergriffig.
Von den Bürgern wird schließlich auch erwartet, dass sie ein unliebsames Urteil entweder akzeptieren oder auf dem vorgeschriebenen gerichtlichen Instanzenweg anfechten. Sein vermeintlich gutes Recht eigenmächtig in die eigene Hand zu nehmen und wie „Kalle mit der Kelle“ gewaltsam durchzusetzen, steht weder Bürgern noch Regierungen zu.

Fazit 2:
Vera Lengsfeld, Bürgerrechtlerin seit DDR-Zeiten, erörtert bei reitschuster.de die Vorgänge in Weimar nach dem Machtwort des OLG Karlsruhe:
„Eigentlich wäre ein Rücktritt des Kultusministers die einzig angemessene Reaktion. Aber dafür müsste Kultusminister Holter eine so korrekte Amtsauffassung haben, wie der von ihm verunglimpfte Christian Dettmar.“
Dem sturen Minister dürfte jedoch (neben der corona-hysterischen Basta-Stimmung) ein spezieller „Konstruktionsfehler“ der deutschen Gewaltenteilung entgegenkommen, der sowieso z.B. kaum zu europäischen Standards passt; Lengsfeld:
„Auch die Staatsanwaltschaft muss sich die Frage gefallen lassen, ob ihre Aktion gegen den Weimarer Familienrichter nicht aufgrund eines wirklichen Verdachts, sondern auf politische Intervention hin erfolgte. Die weiter gehende Frage ist, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt politischen Weisungen unterliegen sollte, oder besser unabhängig sein sollte“, [8].

[1] http://friedensblick.de/31664/ungeheuerliches-urteil-muessen-jetzt-in-weimar-alle-sterben/
[2] https://www.focus.de/politik/ermittlungen-wegen-rechtsbeugung-razzia-bei-masken-richter-aus-weimar-haus-durchsucht-handy-sichergestellt_id_13234593.html
[3] https://www.tichyseinblick.de/wp-content/uploads/2021/04/AG-Weilheim-2021-04-13-Familiengericht-untersagt-Maskenpflicht-an-einer-Realschule.pdf
[4] https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/weiteres-gericht-sieht-in-maskenpflicht-kindeswohlgefaehrdung
[5] https://2020news.de/wp-content/uploads/2021/05/Beschluss-des-Oberlandesgericht-Karlsruhe-vom-28.04.2021_online_2.pdf
[6] https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/olg-karlsruhe-kein-verweis-an-verwaltungsgericht-im-streit-um-kindeswohlgefaehrdung-durch-corona-massnahmen
[7] https://openjur.de/u/2335600.html
[8] https://reitschuster.de/post/olg-karlsruhe-staerkt-weimarer-familienrichter-den-ruecken/