In Sachsen untersuchten die letzten vier Jahren Landtagsabgeordnete den “National-Sozialistischen-Untergrund” (NSU). Die linken und grünen Abgeordneten veröffentlichten vor kurzem einen abweichenden Abschlussbericht. Zu meinem Unglauben werden dort die bestehenden Widersprüche nicht einmal erwähnt, stattdessen lediglich die offizielle Regierungsdarstellung wiedergegeben. Daher scheiterte auch dieser Untersuchungsausschuss, die bis heute offenen Fragen zu klären. Inzwischen müssen diese Ausschüsse als “Untersuchungs”-Attrappen bezeichnet werden. Der Journalist Thomas Moser bezeichnete zurecht den baden-württemberger Ausschuss als “So-tun-als-ob-Untersuchungsausschuss“. Ich werde den Vorwurf in drei Beispielen untermauern.
Ich kritisiere in dem Artikel zwar linke Politiker, aber ich gehe davon aus, dass auch der offizielle Abschlussbericht (CDU, SPD, AfD) nicht viel besser sein wird.
1. Während der ersten Monate im “Untergrund”, ab Ende Januar 1998, benützte Uwe Böhnhardt weiterhin sein altes Handy. Das thüringer Landeskriminalamt hörte seine Gespräche ab und wusste anhand der Funkmasten genau, wo er sich aufhielt. Die Fahndung wäre aber weiterhin erfolglos geblieben, „obwohl zeitgleich im LKA die Gespräche von Böhnhardts Handy mitgeschnitten werden.“ – siehe mdr, Sendung Fakt, „Handy-Daten Böhnhardts gelöscht oder ignoriert”, 25.02.14.
- Der sächsische Bericht ignoriert diese “Handyspur” und geht ihr dementsprechend nicht nach. Das ist keine Ausnahme: Bereits am 25.02.2014 sendete die ARD den Beitrag und interviewte empörte Bundestags- und Landtagsabgeordneten. Weder im thüringer NSU-Abschlussbericht, noch im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Bundestages steht darüber ein Sterbenswörtchen. Der ARD-Bericht bei “youtube” ist gelöscht worden.
2. In Zschäpes zwickauer Wohnung hätte am 05..11.11 der sächsische Brandursachenermittler Frank Lenk eine der Tatwaffen des Heilbronner Polizistenüberfalls gefunden: Die “Radom”-Handfeuerwaffe, mit der Michele Kiesewetter erschossen wurde. Dem widersprecht allerdings der damalige Kripo-Chef von Zwickau Bernd Hoffmann. Gemäß seiner Darstellung wären die elf Waffen (inklusive Tatwaffen) allesamt erst am 09.11. sichergestellt worden!
Bernd Merbitz war im November 2011 der Landespolizeipräsident des Freistaats Sachsen. Dem thüringer Ausschuss sagte er am 1. Juli 2013, dass er über die zwickauer Waffenfunde erst am Abend des 09.11.11 informiert wurde. An dem Tag wurde im Brandschutt eine Ceska mit Schalldämpfer gefunden. Er betont: „Gleichzeitig wurde ja dann auch die Waffe gefunden, mit der die Polizeibeamtin Kiesewetter erschossen wurde.“
- Im Abschlussbericht werden die gegensätzlichen Aussagen nicht erwähnt, stattdessen nehmen die Aussagen von Frank Lenk breiten Raum ein. Dabei steht im Bericht, dass der Waffenfund nicht dokumentiert wurde, sondern erstmal geheimgehalten! Ein unglaublicher Vorgang:
„Sabine Friedel, SPD: Aber dann verstehe ich noch nicht – wenn am 05.11. die erste Schusswaffe gefunden wird, am 05.11. auch die Handfessel von Kiesewetter, am 06.11. schon die dritte Schusswaffe, am 07.11. weitere Schusswaffen –, wie die Akten geführt werden können, ohne dass Sie wissen, dass dort Schusswaffen gefunden worden sind.
Zeuge Frank Prüfer: Das sind im Endeffekt auch wieder zwei verschiedene Schuhe. Die Schusswaffen sind durch die Kriminaltechniker bzw. Brandursachenermittler gefunden worden. Die sind dort auch erst mal sichergestellt worden. […]Ich habe erst an dem Donnerstag angefangen, dazu das Papier zu schreiben. Also, wenn diese Waffen gefunden worden sind, ist es erstens geheim gehalten worden.Zweitens. Die Dokumentation erfolgte dann durch mich bzw. durch den Waffensachbearbeiter am Donnerstag, dem 10. Zwischenzeitlich sind die Waffen irgendwo deponiert worden, also auch registriert. Aber aufgenommen in den Vorgang habe ich sie erst an dem Donnerstag. Es war nicht so, dass jeder reinkam: ‚Ich habe das hier!‘ Es ist alles unter dem Mantel des Vertrauens, der Verschwiegenheit im Endeffekt, erfolgt. Jeder erfährt das, was er braucht. Der Zeitpunkt war für mich dann eben der Donnerstag gewesen.“
3. Während des heilbronner Polizistenüberfalls wurden Michele Kiesewetter und Martin Arnold beraubt. Unter anderen fehlten in den Taschen die dienstlichen Taschenmesser (=Mulitfunktionstool), welche eingravierte Dienstnummern hatten. Während das Arnold-Tool in der Kaserne gefunden wurde, blieb das ihrige verschwunden. Es wurde von der Sonderkommission im Bundeskriminalblatt Nr. 100/2007 ausgeschrieben. Es konnte nirgends gefunden werden, aber nach einigen Wochen wurde es zurückgegeben. Martin Arnold teilte 2008 mit, dass er sein privat erworbenes (identisches) Multifunktionstool vermissen würde. Er hätte es am Tattag an seinem Gürtel mitgeführt. Da das private Multifunktionstool geraubt wurde, hatte es keine eingravierte Nummer. Dementsprechend besteht keine Möglichkeit, aufgefundene Toole Arnold zuzuordnen.
- Laut des Abschlussberichtes des Bundestages wäre im Brandschutt das Kiesewetter-Taschenmesser gefunden worden. Die Bundestagsabgeordneten berufen sich auf das Bundeskriminalamt. Demgegenüber zitieren die sächsischen Abgeordneten Frank Lenk, dass es Arnolds dienstliches Tool gewesen wäre! “Dieses Multifunktionstool stand ebenfalls zu dem Zeitpunkt zur bundesweiten Fahndung und gehörte dem Kollegen, der bei dem Anschlag damals neben der Frau Kiesewetter gesessen hatte. Das wurde mir mitgeteilt von dem Lagezentrum der Polizei, am Abend.”
Im Bericht steht, dass Michele Kiesewetter mit einer “Tokarew” erschossen wurde. Das ist falsch, es handelte sich um eine “Radom”.
“Hernach ergab sich, dass es sich bei einer der am 9. November 2011 aufgefundenen Waffen – eine Pistole Česká 83 mit Schalldämpfer – um die Tatwaffe bei einer Mordserie in den Jahren 2000 bis 2006 sowie bei einer weiteren Waffe – TT 33 Tokarew – um die Tatwaffe bei der Ermordung der Polizeibeamtin Kiesewetter im Jahr 2007 handelte.”
Ich bin wirklich gespannt, was im thüringer Abschlussbericht stehen wird, bzw. nicht stehen wird.