Liebesstufen

Auf den Stufen der Liebestreppe nimmt die „käufliche Liebe“ (eine falsche Begriffsdefinition) wohl eher eine untere Position ein. Und doch wage ich keine Wertung oder gar Abwertung von Menschen, die sich zur „käuflichen Liebe“ bekennen. Kommt niemand dabei zu seelischem Schaden, sollten wir sie nicht verurteilen, sondern nächstenliebend hinnehmen. Wer weiß denn schon im voraus, zu welchem Denken, Handeln und Tun er unter schwierigsten Lebenssituationen fähig oder nicht fähig ist? – Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

Höher, doch keinesfalls dem Liebesideal näher kommend, steht die Liebe, die nur auf Gegenseitigkeit, auf das Wiedergeliebtwerden ausgerichtet ist, die man „aufrechnet“ und „abgleicht“, die man nur unter Bedingungen gewährt. Eine Liebe, die man zurückzieht oder einstellt, wenn sie nicht in gleicher Menge und Intensität zurückfließt. Dies eine Liebes- Partnerschaft, eine Liebes-Gemeinschaft zu nennen, wäre eine unzutreffende, unberechtigte Aufwertung. Allenfalls verdient sie die Bezeichnung einer Interessen-, Finanz- oder Wirtschaftsgemeinschaft mit dem heuchlerischen Mäntelchen gelebter Moralprinzipien, die, wenn man genauer auf den Grund geht, in Wirklichkeit nicht viel mehr darstellt als eine armselige Doppelmoral. Wie schwach und zerbrechlich solch ein versprochenes Liebesbündnis ist, stellt sich erst dann heraus, wenn Gewöhnungs- und Abnützungseffekt voll durchschlagen. Ist das der Fall, flacht es zu einem lieblosen Tauschgeschäft ab, bei dem jeder darauf achtet, ideell und materiell nicht als zweiter Sieger auf der Strecke zu bleiben. Oder man geht, wie so viele, eigene Wege, um der Selbstverwirklichung Raum und Zeit zu geben.

Weit über dieser Liebesstufe, die wohl den größten Prozentsatz der Partnerschaften in Anspruch nimmt, müssen die Fähigkeit und der Wille zur uneigennützigen Liebe, ohne Erwartung einer Gegenleistung, ohne Besitzansprüche, bewertet werden. Der französische Philosoph und Schriftsteller Antoine de Saint Exupery hat in einem Satz die Kriterien dieser Liebe aufgezeigt: „Die wirkliche Liebe beginnt da, wo keine Gegengabe mehr erwartet wird.“ Eine harte Interpretation, kaum vorstellbar in der Theorie, fast nicht mehr nachvollziehbar im praktischen Lebensalltag. Dabei beinhaltet seine Aussage noch nicht die beiden nächst höheren Stufen:

Die Feindesliebe und die Hingabe des Lebens um der Liebe willen. Für die Liebe, wie sie Exupery interpretiert, gab und gibt es immer wieder leuchtende Beispiele, Menschen, deren Stern nie untergehen wird – wie zum Beispiel: Marc Aurel, Johannes XXIII., Albert Schweitzer, Raoul Follereau, Mutter Teresa.

Josef Sanftl

Ein Gedanke zu „Liebesstufen“

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