Aufklärungsbemühungen in Sachen Andreas Temme

Ich verfasste einen Kommentar zum Artikel “Rätseln über Temmes Anwesenheit”, der gerade in der Frankfurter Rundschau erschien. Anlass ist seine heutige Befragung im hessischen NSU-Untersuchungsausschusses:

“Leider ignoriert auch dieser Ausschuss die Informanten Temmes, die aus dem islamistischen Bereich kommen, und den Zeugen Hamadi Sh. Er telefonierte zum Zeitpunkt des Mordes in einer Telefonkabine, drei Meter neben Halit Yozgat. Zwar hörte er Schussgeräusche, hätte dann jedoch erstmal weitertelefoniert. Dann wäre er aus der Glastür der Kabine herausgetreten, hätte jedoch vergebens nach Halit Yozgat gesucht. Genauso wie Temme stand auch er unter Mordverdacht, weil auch seine Darstellung höchst unglaubwürdig war. Jetzt ist er im Nahen Osten und stellt sich nicht als Zeuge zur Verfügung.
http://friedensblick.de/21656/richter-goetzl-glaubt-ex-geheimdienstler-temme-entbloesst-nsu-schauprozess/

Es ist ein Trauerspiel in den Ausschüssen wie auch beim NSU-Prozess, dass sich die Aufklärer auf deutsche Rechtsextremisten als Täter festgelegt haben, genauso wie auf das Tatmotiv Rassismus. Dazu passt der Iraker Hamada Sh. nicht, obwohl Yozgats Vater ihm nicht glaubte. Zur politischen Feststellung, Rechtsextremisten als Täter, Rassimus als Tatmotiv, passen die islamistischen Informanten Temmes nicht, deswegen interessiert sich niemand für die. Damit leistet man den Opfern einen Bärendienst.”

6 Gedanken zu „Aufklärungsbemühungen in Sachen Andreas Temme“

  1. “Es ist ein Trauerspiel in den Ausschüssen wie auch beim NSU-Prozess, dass sich die Aufklärer auf deutsche Rechtsextremisten als Täter festgelegt haben,…” Zitat Ende

    Zu allen Zeiten in allen Gesellschaftsordnungen haben die jeweiligen Machthaber festgelegt, was gut und was böse ist. Ein völlig selbstverständlicher Vorgang welcher sich einer moralischen Bewertung entzieht. Die Untersuchungsausschüsse und die Kammer im Münchner Strafprozess leisten insofern gute Arbeit.

    1. >> Zu allen Zeiten in allen Gesellschaftsordnungen haben die jeweiligen Machthaber festgelegt, was gut und was böse ist.

      Das hat mit der Durchführung von Prozessen, in denen es um die Täterschaft, Schuld bzw. Schuldunfähigkeit geht, nichts gemein.

      Für die Beurteilung des Prozeßgeschehens ist das also bedeungslos, sofern man nicht bei der BILD oder für den Spiegel schmierfinkt.

      Insofern ist der letzte Satz, daß die PUAs und der Staatsschutzsenat gute Arbeit leisten, grober Unfug. Die PUAs schon mal gar nicht, da sie alles mögliche untersuchen, zu 99% Kennverhältnisse. Ausgeklammert sind die in Rede stehenden Kapitalverbrechen, exakt der Kern dessen, worum es geht.

      Nehmen wir Thüringen. Wer den Banküberfall, den mit dem Mulatten, näher untersucht, stattdessen BM zu Mulatten macht, der hat sie nicht alle. Wer den Doppelmord von Eisenach aus der Betrachtung ausklammert, stattdessen Verbrechen nach Beliebigkeit untersucht, sofern sie in die linkshassistische Schablone passen, der leistet keine gute Arbeit.

      Die PUAs haben sich bisher vor allem durch schlampige Arbeit und viel Propaganda profiliert. Daran ändert der an Blödsinn erinnernde Kommentar von KUH nichts.

  2. Mehr noch als um ein Trauerspiel handelt es sich um ein Versteckspiel: Wenn nach über 10 Jahren immer wieder mal (und trotz erkennbar dauerhafter „Immunität“ aus Staatsinteresse) der Staaatsdiener Klein-Adolf als Sandsack an die Wäscheleine des öffentlichen Interesses gehängt werden muss – von eben diesem Staat, der ihn letztlich doch verlässlich schonen und nie den Pelz waschen wird – , dann hat dieser Staat halt was ganz Wichtiges zu verbergen.

    Weil das viele nicht begreifen oder hinnehmen wollen, holt man zusätzlich den ganz großen Zaunpfahl raus:
    https://www.heise.de/tp/features/Verfassungsschutz-will-NSU-Bericht-fuer-120-Jahre-wegschliessen-3772330.html

    Dieser Wink mit einer Sperrfrist von 120 Jahren (völlig überzogen, ginge es nur um zwei tote Neonazis und ihre übelebende Haushälterin und Katzenmutter) zeigt nicht versehentlich, sondern ganz demonstrativ: Gebt auf, hinter unserem Temme verbirgt sich viel mehr als nur ein erweiterter NSU, viel mehr als nur braune Beziehungen von Teilen des Staatsapparates.

    Beim Winken mit diesem Zaunpfahl spricht sozusagen der tiefe Staat selber, aber ungeniert im Funktions-Gewand des offiziellen Staates, den er unterwandert hat: Es gibt mich, ob ihr das wollt oder nicht. Und ich habe Wichtigeres zu verbergen als nur meine bloße Existenz. Und ich werde diese Wahrheiten ganz amtlich und knallhart unterm Deckel halten, bis auch eure heute noch ungeborenen Kinder längst gestorben sein werden.

  3. Neben der bizarren Länge der Frist (120 Jahre) ist der Zeitpunkt der NSU-Akten-Sperrung aufschlussreich. Fünfeinhalb Jahre ab Tod der Uwes kein Sperrbedarf bzw. nur ein zeitlich überschaubarer und jetzt plötzlich geht es um ein epochales Geheimnis? Für Ämter Peinliches wurde schließlich über einen quälend langen Zeitraum „enthüllt“, vor Gericht (unvollkommen) beleuchtet oder aus den Ämtern selber heraus durchgestochen („limited hang-out“) – will man das langsam erlahmende Interesse der Öffentlichtkeit eigentlich neu entfachen? Oder gibt es wieder einmal, wie schon so oft, eine Botschaft hinter der Botschaft?

    Mögliche Adressaten:
    Zum einen der neue Bundestag (Clemens Binninger wird z.B. nicht in ihn zurückkehren): Seine künftigen Mitglieder können sich schon mal vorab vergewissern, dass Lorbeeren in Sachen Aufklärung für sie noch weniger drin sein werden als schon bisher.

    Zum anderen gibt es da aber noch einen Endlos-Prozess in München, bei dem inzwischen die Schlussplädoyers gehalten werden und wo die Blockade der Behörden ein großes Ärgernis war, bei dem man nie so richtig wusste, schützt innerhalb des Apparats eine eigenmächtige Bande von (Mit-)Tätern nur sich selber oder gibt es ein „echtes Staatsinteresse“ an Geheimhaltung.
    Jetzt ist das endgültig geklärt: Kein Behörden-Wirrwarr, sondern eine (speziell in Deutschland, anders als z.B. in Italien) an Regierungsanweisungen gebundene Bundesanwaltschaft handelt ebenso nach Regierungsvorgabe wie die („vermeintlich unkontrolliert stümpernden“) Behörden.

    In München ist zwar ein Schuldspruch schon deswegen unvermeidlich, weil nach dem Langzeit-Prozess ein Freispruch dem OLG einen kompletten Gesichtsverlust bescheren würde.
    Drohender Gesichtsverlust und lausige Beweislage erhöhen allerdings die Revisionsanfälligkeit eines Urteils, die jetzt noch zusätzlich steigt, wenn die Behörden sichtbar auf Total-Blockade umschalten. Andererseits wird für das OLG der Schmerz einer Niederlage vor dem BGH „gelindert“, wenn es sich hinter blockierenden Behörden verstecken kann.

    Aber „darf“ der BGH so einfach Recht sprechen und die von Mainstream-Medien und Polit-Zirkus innigst geforderte Verurteilung z.B. aus formalen Gründen verweigern?
    Sicher ist das nicht; die deutsche Justiz hat nämlich seit 9/11 in Sachen Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Justiz dazugelernt.

    Mounir al-Motassadeq wurde wurde 2003 wegen Beihilfe für Mohammed Atta & Co. zu 15 Jahren verurteilt. Der BGH hob das Urteil wegen fehlerhafter Beweiswürdigung auf. Grund war (ganz wie im NSU-Prozess) nicht nur das schlichte Fehlen von Beweisen, sondern das (behördliche) Verweigern von brisantem Material, von dem die Gerichte daher im Unklaren gelassen wurden, ob es als Beweis taugt – oder ob es gar Entlastendes enthält. Der BGH verwies den Fall zurück ans OLG Hamburg, welches den Angeklagten kurzerhand auf freien Fuß setzte.

    Dies passte dem obersten Dienstherrn der zuständigen „Blockier-Behörde“ allerdings überhaupt nicht: Niemand geringerer als die amerikanische Regierung kritisierte die Freilassung des „gefährlichen Typen“ und „überzeugte“ auf einem öffentlich nicht exakt dokumentierten Wege, neu zu verhandeln und (jetzt aber nur noch zu 7 Jahren) zu verurteilen.

    Das neue OLG-Urteil hätte ein „salomonischer Mittelweg“ zwischen BGH- und USA-Forderungen sein können – aber ein jetzt ebenfalls „geläuterter“ BGH sah plötzlich den Angeklagten auf voller Linie als schuldig an und wollte nichts mehr von Beweis-Problemen wissen (obwohl die US-Freunde nach wie vor nicht geliefert hatten). Die dritte und letztlich rechtskräftige Verurteilung 2007 machte der BGH aber nicht selber – sondern nach Rückverweisung hatte erneut das OLG Hamburg die Ehre. Es verhängte im 3. Anlauf die Strafe, die es bereits im 1. Anlauf verhängt hatte.

    Deprimierend daran ist nicht das Instanzen-Ping-Pong, das ein Rechtsstaat für eine anständige Wahrheitsfindung manchmal hinnehmen muss, sondern der hingenommene rechtswidrige Eingriff einer (zudem dubiosen) ausländischen Regierung, der hierzulande kaum thematisiert oder gar skandalisiert wird.

    Die bösen Menschenrechtsverletzter waren bekanntlich schon immer Russen, Chinesen und andere Feinde der USA. Aber dass aus dem bürgerfreundlich-rechtstaatlichen Grundsatz „in dubio pro reo“ inzwischen ein zynisches „in dubio pro Hegemon“ geworden ist, lässt für den NSU-Prozess im Vasallenstaat Germany nichts Gutes erwarten.

    Mounir al-Motassadeq war ja nur ein Migrant und Moslem; Zschäpe und Wohlleben sind ja nur Ossis und Nazis.
    Ja, und wir sind alle nur kleine Würstchen eines Vasallen-Volkes, das nicht merkt, wie der Hegemon alle gegeneinander ausspielt, um selber die Oberhand zu behalten – divide et impera.

    1. Während Götzl schon 11 Monate damit beschäftigt war, sein mündliches NSU-Urteil zu verschriftlichen, hat der BGH am 05.06.2019 (Az. 5 StR 181/19) – wiederholt – klargestellt: Mittäterschaft erfordert mehr, als dass die „passiv gebliebene Angeklagte das Vorgehen des anderen beobachtete, innerlich billigte und hiergegen nichts unternahm“.

      „Eine nach dem Sachverhalt grundsätzlich denkbare ,psychische’ Beihilfe durch den unter Umständen ,passiven’ Angeklagten würde voraussetzen, dass dieser die Tat objektiv gefördert oder erleichtert hat und dies dem Gehilfen bewusst war; zum Beleg bedürfte es genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion der Handlung sowie zur entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen“,
      http://www.zjs-online.com/dat/artikel/2019_5_1338.pdf

      Die „innerliche Billigung“ der Morde durch Zschäpe, die sie bestreitet und die Götzl ihr ohne richtigen Beweis unterstellt, würde für „Mittäterschaft“ und „lebenslang“ also nicht einmal dann reichen, wenn Götzl einen solchen richtigen Beweis hätte.
      Und für „psychischer Beihilfe“ durch ein Hausmütterchen, das von den zwei eiskalten Tätern oft und lange verlassen wurde, müsste Götzl sich einige textliche Verrenkungen einfallen lassen.

      Allerdings ging es im genannten Fall „nur“ um ein behindertes 4-jähriges Kind, das von zwei Erwachsenen (Elternteil und Stiefelternteil) in der häuslichen Badewanne verbrüht worden war. Mit dem Baden des Kindes waren beide gemeinsam beschäftigt, allerdings einer etwas aktiver als der andere. Nach Meinung des BGH gilt der passivere nicht als Mittäter und weil von der Vorinstanz nicht geklärt worden war, wer denn nun der aktivere und wer der passivere war, hob der BGH das Urteil kurzerhand auf!

      Es bleibt spannend, was Götzl ins Urteil schreiben wird. Und wenn der BGH anders als am 05.06.2019 über die Revision entscheiden wird (z.B. so, wie letztendlich bei Mounir al-Motassadeq), dann wissen wir, was man bereits jetzt ahnen kann: Es wird ein politisches Urteil.

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