Kein Strafprozess gegen den „Peter Urbach“ des NSU

1996 kam Thomas Starke aus dem Knast und wurde – nur für drei Monate? – zu Zschäpes Lover.

1997 soll er dem Trio mehr als 1 Kilo TNT-Sprengstoff beschafft haben, dessen Zweck und Verbleib unklar ist. Denn eine drohende Haftbefehl-Vollstreckung gegen Böhnhardt veranlasste das Trio zum Wechsel in den Untergrund. Dass die drei im Untergrund blieben, könnte mit diesem TNT zusammenhängen, denn Spuren davon fand die Polizei 1998 in der Garage, die Zschäpe am alten Wohnort Jena ausgerechnet von einem Polizisten angemietet hatte.

Starke selber, ein führender Blood-and-Honor-Mann in Sachsen, hatte keine Notwendigkeit, in den Untergrund zu gehen, sondern half den drei untergetauchten Thüringern, Unterschlupf in seinem Chemnitzer Umfeld zu finden. Seine waffen-affinen Leute hätten das Trio auf kurzem Wege und vor allem unauffällig mit den angeblich so begehrten Waffen versorgen können – aus vorhandenen Beständen.

Dagegen musste der in Thüringen zurückgebliebene angebliche Ceska-Beschaffer Ralf Wohlleben auf dem Weg nach Sachsen zwar keine bewachte Landesgrenze überwinden, aber als NPD-Politiker in Thüringen fühlte er sich (wohl zu Recht) bereits mehr als genug überwacht und hatte daher gute Gründe, nicht noch weitere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Zumal er ja (anders als Starkes Leute) nicht über Bestände verfügte, sondern alles was er u.U. liefern wollte, sich selber erst mal riskant hätte beschaffen müssen.

Obwohl Starke also ein ganz wichtiger Helfer war, lebte er nicht im Untergrund und festgenommen wurde er erst im November 2000 – nicht als NSU-Helfer und nicht als Mitglied der kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung Blood & Honour, sondern im Zuge der Ermittlungen gegen die Berliner Neonazi-Band „Landser“. Vorgeworfen wurden ihm keine Gewalttaten oder Verstöße gegen Waffen- und Sprengstoff-Recht, sondern Volksverhetzung aufgrund seiner Beteiligung an der Produktion des Albums „Ran an den Feind“.

Nach dem Auffliegen des NSU erfuhr man, dass Thomas Starke ab 2000 „Vertrauensperson“ (VP) des Berliner Landeskriminalamts (LKA) war, letztlich fast die ganze Zeit bis zum bitteren Ende 2011. Nach und nach kam heraus, dass er 2001 schon als „langjähriger Vertrauensmann“ der Schlapphüte galt und sogar bereits in der DDR in den 80er Jahren für die Stasi Fussballfans ausspioniert hatte und vielleicht 1990 von den neuen Herren einfach nur übernommen werden musste, [1], [ 2] .

Ob er in der kritischen Zeit seiner TNT-Lieferung wirklich nicht im Sold der Dienste stand (was jenen aus PR-Gründen sehr gelegen käme), ist sehr zweifelhaft. Wenn (gemäß des offiziellen Narrativs) das Trio aber zusammenblieb bis 2011 und die Uwes ab 2002 mit Zschäpes Wissen und Mitwirken mordeten, dann müsste Starke dies mitbekommen haben.

Denn nicht nur seine Spitzel-Tätigkeit dauerte fast bis zur NSU-Enttarnung – man fand in Zschäpes letzter Wohnung DNA-Spuren eines Starke-Abkömmlings:
„In der Frühlingsstraße wurde eine DNA-Spur gefunden, die zunächst einem Kind Starkes zugeordnet wurde. Auf dieser Grundlage wurde Starke befragt, allerdings stellte sich später heraus, dass es sich um das DNA-Material einen Mitarbeiters des BKAs handelte, der das Asservat verunreinigt hatte“, [3].

Verunreinigungen durch Spurennehmer kommen schon mal vor, aber dass deren DNA zum Verwechseln ähnlich ist der DNA einer völlig anderen Person, die sich aber durchaus in der Wohnung der Spuren-Entnahme aufgehalten haben könnte – das ist doch arg viel des „Zufalls“. Oder war ein Starke-Abkömmling 2011 schon im berufstätigen Alter und bei der Polizei eingestellt worden?

Wie Tino Brandt, der Gründer, Leiter und ideologische Einpeitscher des „Thüringer Heimatschutzes“, ist Starke also deutlich mehr gewesen sein als ein bloßer Mit-Läufer und bezahlter Mit-Horcher. Zum Beispiel ein agent provocateur,  ein in den USA völlig normaler Tat-Provozierer, dessen Einsatz bei uns eigentlich illegal wäre.

„Eigentlich“: Immer mehr kommen bei uns verdeckte Ermittler zum Einsatz, die z.B. einen Dealer nur auf frischer Tat überführen können.  Bei einem „Gelegenheits-Dealer“ wird es grenzwertig, aber bei eingefleischten Serien-Dealern ist die Rechtsprechung bereit, statt einer verbotenen Tat-Provozierung eine bloße „Verschaffung einer Tatgelegenheit“ zu sehen, bei der nicht zu befürchten ist, ein noch unentschlossener Tat-Kandidat sei erst und nur durch den Ermittler ernsthaft in Versuchung und zur Tat gebracht worden – sprich: er wäre ohne diese Versuchung rechtstreu geblieben, [4].

Brandt und Starke sind nach diesen Maßstäben eindeutige Anstifter, Tatprovozierer. Dass sie dies mit Wissen und sogar mit Willen ihrer staatlichen Auftraggeber taten, ist höchst wahrscheinlich, wird vom Staatsapparat aber weder zugegeben noch ernsthaft untersucht.

Den ersten großen berühmt-berüchtigten Fall eines staatlich eingeschleusten V-Manns und Anstifters gab es Ende der 60er Jahre bei der RAF:
Der RAF-Forscher Wolfgang Kraushaar bezeichnete Peter Urbach als das beste Beispiel für einen geheimdienstlichen Einfluss auf die linksradikale Szene. Es gebe immer noch keine Stellungnahmen der damals beteiligten staatlichen Stellen, und die Öffentlichkeit werde in dieser Angelegenheit wie in einer Reihe vergleichbarer Fälle „einfach hängengelassen“, [5].

Ein „Hängenlassen“ der Öffentlichkeit war im Falle von Starke schon früh im überlangen Prozess absehbar gewesen: So wie Temme (trotz kurzzeitiger Haft nach der Bluttat von Kassel, trotz unaufgeklärter Merkwürdigkeiten) im Prozess ab 2013 vom Gericht durchgehend nur als Zeuge behandelt wurde, so war klar, dass die Bundesanwaltschaft Leute wie Starke „erst in einem zweiten Prozess anklagen“ wollten, damit ihnen im „ersten“ Prozess ein Aussageverweigungsrecht zusteht.
Und ob es zu diesem zweiten Prozess überhaupt kommen würde, erschien umso unwahrscheinlicher, je länger der erste andauerte.

Die Münchener Urteile verstärkten den Eindruck: Wohlleben bekam 10 Jahre für die sehr auf sehr dünnen Beweis-Beinchen stehende Ceska-Beschaffung, obwohl die Öffentlichkeit nicht erfuhr, wie lange und wie intensiv er nach dem Untertauchen der drei überhaupt noch Kontakt hatte und über Mord- oder sonstige Pläne sichere Infos bekam. Der mitangeklagte Holger Gerlach unterstützte das Trio dagegen bis zum Schluss – hatte also rund 10 Jahre länger intensiven Kontakt, also die ganze Zeit der Morde über!
Und obwohl er kein hilfsbereiter Naivling war, sondern die braune Gesinnung der Uwes teilte und seine Unterstützung auch Waffenbeschaffung umfasste, obwohl er vor Gericht statt reinen Tisch nur eine heikle Teilaussage ablieferte, kam Holger Gerlach mit nur drei Jahren davon.

Hart bestraft wurden also nur zwei Angeklagte:

  • die kinderliebe Katzenfrau Zschäpe, die nach Meinung der Uwes und der anderen „harten Männer“ nichts von der Ceska-Anlieferung mitbekommen sollte;
    .
  • Ralf Wohlleben, der in Sachen Ceska-Beschaffung vom eigentlichen Ausführungs-Täter Carsten Schultze mit dubiosen (aber medial unverständlicherweise bejubelten) Aussagen zum allein bestimmenden Anstiftungs-Täter aufgebauscht wurde

Die übrigen kamen sehr schonend davon bzw. scheinen eine Art Bonus bekommen zu haben …

Ein Jahr, nachdem die Revisionen von Zschäpe und Wohlleben vor dem BGH gescheitert und ihre Strafen dadurch rechtskräftig geworden waren, wurde dann Im September 2022 die Katze aus dem Sack gelassen:

„Eingestellt wurden die Verfahren von Thomas St. (heute Thomas M.), Jan W., Max-Florian B., Matthias D. und Mandy St.“, [6].

Die im Gegensatz z.B zu Italien gegenüber der Regierung weisungsgebundene Bundesanwaltschaft wagt den NSU-Schlussstrich, betitelt Thomas Moser seinen Aufsatz.

[1] https://friedensblick.de/8212/nsu-tnt-lieferant-starke-war-langjaehriger-vertrauensmann/

[2] https://www.spiegel.de/panorama/nsu-in-chemnitz-radikalisierung-in-sachsen-a-873908.html

[3] https://www.nsu-watch.info/2014/08/protokoll-133-verhandlungstag-31-juli-2014/

[4] https://kripoz.de/2022/03/31/unzulaessige-tatprovokation-durch-staatliche-ermittler-voraussetzungen-und-folgen/

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Urbach

[6] https://overton-magazin.de/krass-konkret/die-bundesanwaltschaft-wagt-den-nsu-schlussstrich

16 Gedanken zu „Kein Strafprozess gegen den „Peter Urbach“ des NSU“

  1. „Zschäpe räumt Mitschuld an NSU-Morden ein“,
    https://www.tagesschau.de/inland/zschaepe-aeusserungen-u-ausschuss-100.html

    Sie sagte, sie hätte die Morde verhindern können – nämlich wenn sie sich gestellt hätte, als sie vom ersten Mord erfuhr.
    Zwar habe sie die Taten nicht gewollt – aber laut
    Toni Schuberl, dem grünen Ausschussvorsitzenden, habe das „Schuldeingeständnis“ dennoch eine „neue Qualität“:

    „So, als hätte sie selbst abgedrückt“

    Sie habe von den Ausspähungen potenzieller Opfer gewusst. Die Kriterien seien gewesen: „ausländisch klingender Name, vorzugsweise türkisch, und gute Fluchtmöglichkeit“.

    Im NSU-Prozess hatte Zschäpe eingeräumt, von den Banküberfällen ihrer Freunde gewusst und die letzte Fluchtwohnung des Trios im sächsischen Zwickau in Brand gesteckt zu haben. Aber von den Morden und Anschlägen habe sie immer erst im Nachhinein erfahren.

    Wie die Brandstiftung an ihrer Wohnung abgelaufen sein soll (weder hatte sie einen Fernzünder noch erlitt sie Verletzungen), ließ Zschäpe damals allerdings ebenso offen wie die Gerichtsexperten und auch den aktuellen Ausschuss scheint es nicht sonderlich zu interessieren.

    Genauso, wie sie aus einer kurzen Radiomeldung hinsichtlich zweier namentlich ungenannter toter Bankräuber treffsicher auf ihre zwei Uwes schließen konnte. Die folgenschwere Brandstiftung konnte sie im Falle eines Irrtums ja nicht einfach so rückgängig machen.

    Die Tagesschau erwähnt, dass sie als „Mittäterin“ verurteilt worden war – „auch wenn es keinen Beweis gibt, dass sie selbst an einem Tatort war“.

    Diesen Beweis vermisste sogar der gelernte Polizist und CDU-MdB Clemens Binninger, allerdings bezüglich der Uwes als „Haupttäter“ und aller ihrer 28 Tatorte. Der bayrische Untersuchungsausschuss ist da nicht so grüblerisch; das OLG-Urteil wird schon seine Richtigkeit haben.

    Warum aber nur musste die „Befragung abseits der Öffentlichkeit“ stattfinden?

    Ziel des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag sei es unter anderem, mögliche Verbindungen des NSU in die Neonazi-Szene in Bayern aufzuklären.
    „Hier aber hoffte der Ausschuss vergeblich auf Antworten Zschäpes.“

    Also wie gehabt: Großes Kino, keine harte Fakten.

    Um Zschäpe solche Infos zu entlocken, hätte man sie erst mal fragen sollen, warum sie die fehlenden „Gesinnungsspuren“ ihrer zwei mordenden Volkstums-Bewahrer nicht verwundert haben: Warum hinterließen sie keine NSU-Embleme, Bekenner-Briefe, Hakenkreuze, „Türken-raus“-Schmierereien etc. an den Tatorten? Schließlich wollten sie ja keine (gezielten) Mafia-Morde imitieren, sondern per wahllos-willkürlichem Rassismus eine ganze Bevölkerungsgruppe in Schrecken und Abwanderungs-Gesinnung versetzen?

    Was erzählten ihr die Uwes über die (für Öffentlichkeit und Medien) lächerlich unsichtbare (und damit nahezu wirkungslose) braune Botschaft ihres Terrors?
    Perfekte Spurenvermeider vermeiden auch vollständig das Anbringen der ihnen doch so wichtigen „Gesinnungsspuren“?
    Und lernen Mord für Mord nicht hinzu, dass das gewünschte Feed-Back ausbleibt?
    Bis ihre Mord-Lust dann (warum eigentlich?) nach dem Mord in Kassel einschläft?
    Waren sie gefrustet, dass niemand ihre (ungeschrieben gebliebenen) Bekenner-Briefe las?

  2. Faeser zu Lübcke-Mord: Extremisten im Blick behalten

    „Dass ein aktiver Kommunalpolitiker wegen seiner Menschlichkeit gegenüber Geflüchteten, seiner Klarheit und seinem Mut von einem Neonazi erschossen wurde, bleibt bis heute ein unfassbares Verbrechen”, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag. Sie denke oft an Walter Lübcke und seine Familie.“
    https://www.stern.de/gesellschaft/regional/hessen/terrorismus–faeser-zu-luebcke-mord–extremisten-im-blick-behalten–33520282.html

    Man ist geneigt zu sagen: Die Nachdenklichkeit ehrt sie.
    Kreisen ihre Gedanken auch um die beteiligt gewesenen Täter (so wie sie ggf. künftige Täter im Blick behanlten will)?
    Der als Schütze geltende und somit als Mörder verurteilte Rechtsextremist Stephan Ernst wird im Artikel (wie auch schon während des Prozesses) mit vollem Namen genannt.

    Was hält Nancy Faeser von dem (in Sachen Mord) freigesprochenen Mit-Täter, dessen Freispruch nicht selbsterklärend ist (schon gar nicht für die Familie des Opfers), der aber den ganzen Prozess über einen gewissen Schutz durch Abkürzung seines Nachnamens genoss? Fürchtet sie von ihm ausgehende neue Taten oder ist das bei ihm „abgehakt“?

    „Nebenklage sieht Markus H. als Mittäter“

    Dieser von der Frankfurter Rundschau 2021 berichteten Sicht der Familie (kurz vor den Urteilen) kann man sich durchaus anschließen,
    https://www.fr.de/rhein-main/luebcke-prozess-nebenklage-sieht-markus-als-mittaeter-90166476.html

    Holger Matt, Anwalt der Familie des Mordopfers, dankte in seinem Plädoyer damals dem Senat für seine faire Prozessführung und seine Empathie gegenüber der Familie.

    Zum Tatablauf legte Matt sich darauf fest, dass Markus H. gemeinsam mit Stephan Ernst am Tatort gewesen sei. Der 44-Jährige sei nicht nur als Gehilfe, sondern als Mittäter zu betrachten. Es sei ein Fehler des Senats gewesen, H. Anfang Oktober aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Zum Vorwurf der Beihilfe schloss Matt sich der Staatsanwaltschaft an, die es in ihrem Plädoyer kurz vor Weihnachten als erwiesen bezeichnet hatte, dass H. Ernst etwa durch Schießübungen und das gemeinsame Ausspähen des späteren Tatorts unterstützt habe.

    Mitgefangen, mitgehangen:
    feine oder gemeine Unterschiede?

    Bei Zschäpe war eine Anwesenheit an den Tatorten nicht erforderlich (auch Anstifterin war sie nicht, eher „Dulderin / Helferin aus Hörigkeit“), um lebenslang hinter Gitter geschickt zu werden. Mit der Waffenbeschaffung hatte sie sowieso nichts zu tun – von der Ceska-Anschaffung sollte sie sogar, nach dem gerichtskundigen ausdrücklichen Willen der Uwes, nichts erfahren – im Gegensatz zu den „harten Männern“ im Umfeld des Trios.

    Der Umstand „Tatortabwesenheit“, der bei Zschäpe unbestritten als gegeben galt, bei Markus H. dagegen (in dubio pro reo) zu seinen Gunsten unterstellt werden musste, hat Zschäpe also nicht vor lebenslang bewahrt.
    Markus H. dagegen schon – obwohl er (anders als Zschäpe) keinerlei „Berührungsängsste“ mit braunen Gedanken hatte, ganz im Gegenteil. Und auch keine mit Waffen:
    Dem Schützen besorgte er die Waffe und brachte selbige nach der Tat in ein sicheres Versteck – die tatbegleitende (Waffen-)Unterstützung, die bei Zschäpe fehlt und selbst bei Wohlleben nur schwammig und gestellt aussieht, ist bei Markus H. ein klar erkennbar gewollter, erfolgsnotwendiger Tatbeitrag („condition sine qua non“).

    Während bei Zschäpe (jedenfalls vor dem aktuell nachgereichten „ergänzenden Geständnis“) unklar bleibt, ob das Gericht (wie jedefalls die Medien) ein aus Liebe höriges Dummerchen zur Hexe aufbauscht, ohne stichhaltige Gründe zu haben, hatte das Gericht bei Markus H. genügend konkrete und in sich stimmige Anzeichen, um in ihm einen berechnenden Hetzer, Vordenker & Vorbereiter, Anleiter, Tat-Regisseuer, Tatwaffen-Beschaffer, -Verwalter und -Entsorger, Ersatz- und Beichtvater des schießenden dummen Würstchens zu sehen – will diese Umstände aber nicht gegen ihn verwenden.

    Sondern es will ein reines Waffendelikt sehen, wogegen Wohllebens Richter in dessen (unklar gebliebener Beschaffungs-)Tat für weggezogene Kumpane ein hellsichtiges Voraussehen der künftigen, sich über Jahre erstreckenden Mordserie hineindeuten. („Logik“-Motto: Wir wissen nicht einmal für den ersten Mord, wann die Uwes welchen Mord planten, aber Wohlleben musste es (vorab!) wissen, schließlich haben die waffen-reichen Uwes „seine“ Waffe zur Tatwaffe auserkoren; ein Aufrechterhalten intensiver Kontakte zu den weit Entfernten brauchte es dazu nicht.)

    Ein langjähriges Verbrecher-Duo
    – für den Moment des Schusses doch kein Duo?

    Markus H. wurde als manipulativ geschildert und scheint der deutlich hellere der beiden gewesen zu sein – vor der Tat als auch dann im Prozess.
    Ein Anstifter, der stiften geht, indem er seinen Tat-Anteil auf den „Haupttäter“ schiebt?

    Stephan Ernst gilt als manipulierbar und leicht erregbar, hatte aber in ein bürgerliches Leben mit Ehefrau und teils migrantischem Bekanntenkreise gefunden. Warum er einen „Rückfall“ in die alten, anti-migrantischen Hass-Muster „erlitt“, konnte er dem Gericht nicht so recht erklären. Für Außenstehende erscheint es viel weniger geheimnisvoll, da er zu Markus H. wie zu einem väterlichen Freund aufgeschaut haben soll.
    (Ein leicht Manipulierbarer ist schier willenlos abhängig vom eingefleischten Manipulator – nirgends ist Anstiftung so einfach wie in dieser Konstellation!)

    Hat das Gericht den letzten Punkt nicht gebührend berücksichtigt, weil es selber „befangen“ war?
    In die Pfanne gehauen hat Stephan Ernst allem Anschein nach nämlich nicht nur der (inzwischen gewesene) Freund Markus H., sondern auch Ernsts Anwälte und sogar der Richter (hierzu insbesondere der letzte der nachstehenden Links).

    Mehr zur seltsamen Schonung des Markus H.:

    Lübcke-Prozess und NSU-Prozess:
    Unterschiede und markante Gemeinsamkeiten,
    https://friedensblick.de/30660/muss-der-muenchner-nsu-prozess-neu-aufgerollt-werden/#comment-9783

    Dubiose Rollenverteilung (oder -verkehrung?):
    Wer ist der Haupt-, wer der Nebentäter?
    https://friedensblick.de/30660/muss-der-muenchner-nsu-prozess-neu-aufgerollt-werden/#comment-10089

    Brisante Kritik und doch verhallt:
    der Zwischenruf eines pensionierten obersten Richters,
    https://friedensblick.de/30660/muss-der-muenchner-nsu-prozess-neu-aufgerollt-werden/#comment-10104

  3. „NSU und Lübcke-Mord:
    Ausschussberichte im Giftschrank“,

    https://www.nachdenkseiten.de/?p=102082

    Thomas Moser:
    „Sowohl im bayerischen Untersuchungsausschuss zum NSU als auch im hessischen zum Lübcke-Mord kassiert die Regierungsmehrheit den Schlussbericht ein und ersetzt ihn durch einen eigenen. (…) Gelten die parlamentarischen Regeln noch?“

    In München wurde der 800 Seiten umfassende Bericht mit der Begründung, er verstoße gegen den Geheimschutz sowie gegen den Datenschutz, komplett einkassiert, eingestuft und im Giftschrank der Geheimschutzstelle des Landtags verwahrt.

    Ersatzweise präsentieren die Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler (also diejenigen, die im abgelaufenen Jahr kein allzu großes Interesse an einer Sachaufklärung an den Tag gelegt haben) einen eigenen, etwa 130 Seiten umfassenden Bericht.
    Gezeigtes Desinteresse und (heimliches?) Erarbeiten eines Parallel-Berichtes lassen vermuten, dass diese Art der Wahrheits-Steuerung von vorneherein beabsichtigt war und der finale Berichts-Tausch begleitend vorbereitet wurde.

    „Ein nahezu identisches Schauspiel im Landtag von Hessen“

    Hier war und bleibt das brisante Problem: War der Neonazi Stephan Ernst, der gestanden hat, auf das Opfer geschossen zu haben, ein Einzeltäter? Oder gab es einen Mittäter, nämlich Markus H.? Vom Einzeltäter Ernst gehen fast alle aus: Ermittler und Strafverfolger, Politik und Medien. Die Angehörigen von Walter Lücke, seine Frau und seine Kinder, allerdings nicht: Für sie war Markus H. nicht nur beim Mord dabei, sondern spielte die entscheidende Rolle. „Ohne Markus H. hätte es den Mord nicht gegeben“, sagte der Anwalt der Familie Lübcke vor Gericht.

    Mit der Verneinung der Täterschaft von Markus H. hängt unmittelbar die Frage zusammen: Warum? Sind es die Spuren, die von dem nominellen Neonazi H. zum Verfassungsschutz führen? Im vorliegenden Mehrheitsbericht steht, weder Stephan Ernst noch Markus H. seien V-Leute des LfV gewesen.
    Thomas Moser hätte gerne gewusst, wie das im unterdrückten Bericht des Berichterstatters dargestellt wird.
    Der SPD-(Oppositions-)Abgeordnete Rudolph sagte bei der Debatte zum Beispiel wörtlich: „Was ist mit Markus H.? Die These von Stephan Ernst als Einzeltäter glauben wir nicht.“

    Rudolphs Parteikollegin Nancy Faeser sitzt in Berlin in der Regierung – trotz der kürzlich gezeigten Empathie für Lübckes Angehörige verkneift sie und die Bundespartei sich aber die kritischen Fragen, die ihren hessischen Parteikollegen ebenso wie die Familie des Opfers umtreiben.
    Das scheint ein partei-übergreifendes Phänomen zu sein: Der Münchener UA wurde geleitet von Toni Schuberl (Grüne / Opposition) – in Hessen wie in Berlin sind die Grünen dagegen in der Regierung und zeigen sich eisern staatstragend.

    Selbst Linken-Politiker wie König-Preuß wollten in Thüringen nicht weiter hinterfragen, warum der Todeszeitpunkt der Uwes laut Obduktions wohl früher war als die 12-Uhr-Angabe von Polizisten, die die vermeintlichen Suizid-Schüsse gehört haben wollen.
    Ein solidarisches Miteinander (Motto: Der Staat und wir freuen uns gemeinsam über tote Neonazis und stellen keine dummen Fragen) scheint da unwiderstehlich gelockt zu haben: Endlich als Partei mal aus der SED-Nachfolger-Schmuddelecke herauskommen und den großen Parteien den eigenen Antifa-Kurs zur Vorgabe machen können,
    https://www.linksnet.de/artikel/47840

    Sind vielleicht die meisten der kritischen Fragen aus der Opposition auch nur Theater – abgesprochener Teil eines vorneweg geplanten gemeinsamen Demokratie-Theaters?

    Was Untersuchungsausschüsse überhaupt noch sollen, fragt man sich schon lange: Das bescheuerte Narrativ von den an allen 28 Tatorten perfekt Spuren vermeidenden Super-Tätern, die aber zu blöd waren, ihre Terror-Botschaft wenigstens in ein dahingeschmiertes Hakenkreuz zu fassen, um sie publik und damit wirksam zu machen, glaubt vermutlich keiner mehr, der nur halbwegs in die Materie eingestiegen ist.
    Und die zeitweise auf absurde 120 Jahre angesetzte Aktesperre war ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl, was die Exekutive von gelegentlich ernsthaft geäußerten Aufklärungswünschen der Legislative hält: nichts.

    Diese unerwünschte Wahrheit aussprechen, will oder darf sich aber keiner antun, der noch was werden (oder bleiben) will. Clemens Binninger hatte es als wahrheitsliebender Polizei-Fachmann im Parlament mehrfach kurz und vorsichtig versucht. Er hat dann das höfliche Ignoriert-Werden durch seine Mit-Parlamentarier verstanden und 2014 vermutlich keine Lust verspürt, als Edathy-Amtsnachfolger aufgrund persönlicher Hartnäckigkeit irgendwann zu enden wie Edathy. 2017 verzichtete er auf die aussichtsreiche Wiederwahl und kehrte der Ränke-Schmiede Parlament ganz den Rücken – er wechselte in die dezente Berater-Branche,
    https://www.faz.net/aktuell/politik/binningers-rueckzug-vom-nsa-ausschuss-zweifel-geruechte-und-jede-menge-fragen-12888210.html

    „NSU: Der So-tun-als-ob-Untersuchungsausschuss“

    Dieses Fazit zog Moser schon einmal: zum Jahresbeginn 2019, als der Landtag von Baden-Württemberg seinen zweiten Abschlussbericht zum Polizistenmord in Heilbronn vorlegte: „Ein Dokument der Unterordnung unter die Exekutive – Aufgeklärt ist nichts“,
    https://www.telepolis.de/features/NSU-Der-So-tun-als-ob-Untersuchungsausschuss-4259690.html?seite=all

    Das Bedürfnis, irgendwelche Böse-Neonazis-sind-unter-uns-Narrative mit Mühe am Leben und am Köcheln zu halten, scheint mehr aus dem pseudo-masochistisch sich gebenden Regierungs- und Sicherheitsbehörden-Apparat zu kommen als aus dem Parlament.
    Aus ideologischen, außenpolitischen oder sonstigen Gründen braucht das politisch gewünschte Narrativ von den behördlichen Deppen-Darstellern eine Ergänzung durch depperte Parlamentarier, warum auch immer. Vielleicht die einzige Art, zwölf Jahre nach der dubiosen Selbstentlarvung ein totes Pferd weiter zu reiten?

  4. Anschlag von Hanau 2020:
    Keine neuen Ermittlungen zum Notausgang

    Im Februar 2020 schockierte der Amoklauf von Hanau Deutschland. Er gilt auch heute noch als einer der großen rechtsradikalen Anschläge, obwohl viele Merkwürdigkeiten zur Motivation und Zurechnungsfähgikeit des offiziellen Täters ungeklärt blieben – ebenso wie zur Anzahl der Täter sowie zu Hintergründen und Umständen der Tatserie,
    https://friedensblick.de/29866/kommentar-zum-amoklauf-von-hanau/

    An einem der Tatorte kamen die Leute nicht aus dem Gebäude, weil die Polizei das Verschließen des Notausgangs angeordnet haben soll. Ein Zeuge bestätigt, dass er persönlich mitbekommen habe, wie ein Polizist den Barbetreiber angewiesen habe, die Notausgangstür verschlossen zu halten. Bei Razzien könnten sonst Barbesucher durch den Notausgang entkommen.

    „Da würde man denken, dass die Staatsanwaltschaft mal ein bisschen gegen die Polizei ermittelt. Es gibt sogar einen Untersuchungsausschuss im Landtag dazu. Und dort ist die Mehrheit der Meinung, dass der Notausgang verschlossen war.“

    Anderweitige Nachrichten überschlugen sich gerade – zum Krieg in der Ukraine war seit drei Wochen der im Gaza-Streifen dazugekommen.
    Genau da – im Oktober 2023 – wiederholte sich das Gegenteil des Erwartbaren: Die Staatsanwaltschaft Hanau sieht keinen Anfangsverdacht gegen den Barbetreiber oder gegen Hanauer Polizisten wegen fahrlässiger Tötung oder anderer Taten und lehnt neue Ermittlungen ab. Ein erstes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hanau zum Notausgang wegen fahrlässiger Tötung war bereits 2021 eingestellt worden.

    https://blog.fefe.de/?ts=9bc481d6
    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/hanau-attentat-notausgang-100.html

    Taten und Verantwortlichkeiten mögen manchmal schwer beweisbar sein und verjähren irgendwann auch mal.
    Aber ist nicht auffällig, wie oft nach schlimmen Bränden die Brandschutzvorschriften verschärft werden etc.?
    Wäre hier nicht eine gründliche Aufarbeitung schon allein aus Präventions-Gründen dringend angesagt gewesen?

    Wie kann es sein, dass eine Behörde, die zuständig ist, die Einhaltung einer lebensschützenden Sicherheitsvorschrift zu überwachen, sich ermächtigt fühlen darf, das genaue Gegenteil zu machen: die Nicht-Einhaltung anzuordnen?

    Reicht da der bloße Wunsch, sich eine andere Polizei-Aufgabe etwas einfach zu gestalten oder müsste da nicht wenigstens eine ganz konkrete schwerwiegende „Gefahr im Verzug“ vorliegen?
    Selbst dann wäre eine solche – Menschenleben gefährdende – Anordnung unverhältnismäßig, denn es gibt ein milderes Mittel: einfach einen oder ein paar Polizisten in den Schichtplan aufnehmen und am Noteingang abstellen!

    Zudem wäre ein (im Rahmen der Razzia) bewachter Ausgang doch ein idealer Filter, um die Kandidaten mit dem größten Flucht-Wunsch direkt in Polizei-Gewahrsam nehmen zu können!

    „Bei Razzien“ klingt aber eher so, als habe der Polizist an einen Dauerzustand gedacht – als Bar-Betreiber hätte ich da auf einem schriftlichen Bescheid mit Haftungs-Befreiuung bestehen wollen?
    Oder hatte der Polizist unwiderstehliche Argumente samt Rückdeckung von oben, die ihm und dem Bar-Betreiber jetzt (im Gegenzug gegen dezentes Schweigen?) nachträgliche eigene Unannehmlichkeiten ersparen (was beide schon von Anfang vertrauensvoll einkalkulieren konnten)?

  5. Untergrundler werden auch mal krank und so brauchte auch eine Beate Zschäpe gelegentlich eine Krankenversicherungskarte.

    Vor inzwischen 10 Jahren wurde hierzu vor dem OLG München verhandelt:
    „In einer langwierigen und zähen Zeugenvernehmung hat das Oberlandesgericht München versucht, die Beschaffung einer Krankenversicherungskarte für Beate Zschäpe aufzuklären.
    Der Mitangeklagte Holger G. hatte die AOK-Karte einer Bekannten abgekauft und sie dann an die untergetauchten Neonazis weitergegeben.“

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article123682338/Wie-Beate-Zschaepe-an-eine-AOK-Karte-kam.html

    Laut Artikel vom Januar 2014 bzw. November 2013 hieß Gerlachs Bekannte Silvia S., Ehefrau eines Alexander S.
    Das Jahr des Kartenkaufs erfahren wir allerdings nicht.
    https://www.dw.com/de/nsu-prozess-zsch%C3%A4pe-und-die-krankenkassenkarte/a-17221476

    Nun, 10 Jahre später (bzw. fast sechs Jahre nach den Urteilen im NSU-Prozess) schreitet die Justiz erneut zur Tat – gegen eine andere, schon damals viel „prominentere“ Frau.

    Was wohl keiner bisher ahnte (?) – BILD verrät es im Titel:
    „Zum Arzt ging Zschäpe mit IHRER Versicherungskarte“
    https://www.bild.de/regional/dresden/dresden-aktuell/nsu-terror-bundesanwalt-klagt-zschaepe-freundin-susann-e-an-87331260.bild.html

    Gegen Susann Eminger hat die Bundesanwaltschaft im Februar nämlich Anklage am Dresdner Oberlandesgericht erhoben. Bislang sah es danach aus, als ob die Zschäpe-Vertraute straffrei davonkommt.

    Allerdings geht es um mehr als nur eine Versicherungskarte:
    Jetzt endlich bestehe der „hinreichende Tatverdacht der Unterstützung der inländischen terroristischen Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) sowie der Beihilfe zu einer schweren räuberischen Erpressung mit Waffen“ gegen die 42-Jährige.

    Ihr 44-Jähriger Ehemann André Eminger war im Münchner NSU-Prozess bereits rechtskräftig zu zwei Jahren und vier Monaten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden. Vom Vorwurf der Beihilfe zum versuchten Mord und der Beihilfe zum Raub wurde er aber freigesprochen.

    Haftstrafen von mehr als zwei Jahren können eigentlich nicht zur Bewährung ausgesetzt werden – jedoch:
    „Seine Gefängnisstrafe wurde um knapp zehn Monate zur Bewährung verkürzt. Er hatte ein Aussteigerprogramm des Landeskriminalamts Sachsen begonnen.“

    Susann Eminger soll nach neuesten Erkenntnissen den Uwes
    „bei ihrem letzten Raubüberfall auf eine Sparkasse in Eisenach im November 2011 behilflich gewesen sein. Demnach soll sie die Neonazis zuvor nach Schreiersgrün bei Zwickau zur Anmietung eines Wohnmobils gefahren haben, das die beiden für den Banküberfall benutzten“.
    https://www.spiegel.de/panorama/justiz/nsu-anklage-gegen-zschaepe-freundin-susann-e-erhoben-a-32d6d94e-5672-4139-a9b0-05bdb8937c3c

    Woher die Bundesanwaltschaft ihre »neueren Erkenntnisse« bezieht, wollte sie dem SPIEGEL nicht verraten.
    Dieser will aber Informationen haben, nach denen die Anklage gegen Susann Eminger u.a. auf neuen Aussagen der inhaftierten Rechtsterroristin Beate Zschäpe, die sich mehrfach im Gefängnis von Ermittlern hatte vernehmen lassen, zuletzt Mitte Oktober. Bei den insgesamt fünf Befragungen, die im Beisein ihres Anwalts stattfanden, machte sie offenbar auch ausführliche Angaben zur Rolle von Susann E.

    Allerdings hatte die als große Schweigerin bekannte Zschäpe schon 2016 (am 257. Verhandlungstag) André Eminger belastet:
    Er habe in Chemnitz für sie und die mit ihr untergetauchten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Wohnung gemietet. Er habe auch „beim Einkaufen geholfen“, trug Zschäpes Verteidiger Hermann Borchert für seine Mandantin vor. Über André E. will Zschäpe zudem eine Bahncard bekommen haben, die auf Susann E. ausgestellt war, allerdings mit Zschäpes Foto.
    https://www.tagesspiegel.de/politik/zschape-belastet-mitangeklagte-3689986.html

    Seit dem Prozess waren sechs von neun Verfahren gegen weitere mögliche Helfer eingestellt worden. Im Fall der jetzt angeklagten Susann Eminger liefen die Ermittlungen weiter – verhaftet wurde sie bisher aber nicht.

  6. Die offizielle Einstellung gerinnt bei Wolf Wetzel
    zur ironischen Überschrift:

    „Da konnten Polizei und Geheimdienst wirklich nichts machen – Hanau 2020“

    Er findet auffallend, dass der überparteiliche „Kampf gegen rechts“ genau über diese angebliche Machtlosigkeit hinwegtäuscht.
    Denn dieser Kampf ist sehr zügig und erfolgreich, wenn die Staatsgewalt Corona- und Gaza-Genozid-Proteste verhindert.

    Sie stützt sich dabei mal auf handfeste Beweise und greift zu legalen Mitteln, mal auf undurchsichtige „Hinweise“ aus ebensolchen „Quellen“, so dass die Maßnahmen die Unverhältnismäßigkeit quasi schon auf der Stirn tragen:
    „Mit nichts in der Hand kann sie einen Kongress zerschlagen.“

    Selbst das meist stramm obrigkeits-konforme
    „ZDF Magazin Royale – Late-Night-Satire mit Jan Böhmermann“

    … hinterfragt bei den Hanau-Morden das amtliche Narrativ:

    „Die Nacht des Anschlags wirft viele Fragen auf, vor allem zur Arbeit der Polizei. Ein nicht erreichbarer Notruf, ein unkoordinierter Polizeieinsatz und rechtsextreme SEK-Beamte vor Ort sind nur einige Aspekte.“

    Behördenversagen als Auszeichnung

    „Denn man kann in diesem Land auch bei sogenannten Pannen ganz große Karriere machen. Das hat man im gesamten NSU-VS-Komplex erlebt. Die wichtigsten Pannen-Meister wurden befördert.“

    Wetzel erinnert an die zwei krassesten Beispiele: den V-Mann-Führer Andreas Temme und an Michael Menzel, Einsatzleiter in Eisenach 2011.

    Der „Fall Hanau“ werde noch dreister abgeschlossen:
    Der damalige Polizeipräsident in Hanau, Roland Ullmann, wurde vom damaligen Innenminister Peter Beuth (CDU) zum Landespolizeipräsidenten befördert.

    Hingegen gab es Disziplinarverfahren gegen zwei Polizeibeamte, „die ihren Blindflug in der Mordnacht nicht schweigend hinnahmen, sondern laut und deutlich von einem ,Kanal-Bingo’ sprachen“ – Vorwurf gegen sie:
    „Vorwurf des Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht“.

    Volker Bouffier war in Hessen der für Polizei und Verfassungsschutz zuständige Innenminister, als 2006 der Mord an Halit Yozgat in Kassel passierte und V-Mann-Führer Temme (angeblich „ahnungslos“) an der noch warmen Leiche vorbei trottete.

    Aufgestiegen zum Ministerpräsident, wurde unter Bouffier – interessanterweise noch nach dem NSU-Urteil im Juli 2018 – die Sperre der NSU-Akten für 120 Jahre festgesetzt.

    Geradezu höhnisch findet Wetzel daher Bouffiers Trauerrede an den neun Särgen der Opfer von Hanau:
    „Das Schweigen der Vielen darf nicht zur Ermutigung weniger werden. […] Die Angst darf nicht obsiegen.“
    (faz.net vom 4. März 2020)

    Seltsame und fragwürdige Kampagne:
    „Gemeinsamer Kampf gegen rechts?

    Wenn also Zehn- und Hunderttausende mit genau diesen Politikern gemeinsam im ,Kampf gegen Neonazismus’ oder ,Kampf gegen rechts’ auf die Straße gehen, wie dies nach den Correctiv-Recherchen zu dem Potsdam-Treffen 2023 geschehen ist, dann sollte man an diese Wohlverhaltenspflicht-Erlebnisse keine guten Erinnerungen haben.“

    https://www.nachdenkseiten.de/?p=115501

    Der Fall Peggy, ein fehlender Täter, eine Schmerzensgeldklage und die Spur zum NSU

    Hier hatten sich die Ermittler bekanntlich auf einen geistig schwer Behinderten als Täter festgelegt, dem sie auf dubiose Weise ein Geständnis abgerungen hatten.
    Obwohl er letzteres kurz danach widerrief und ein ganztägiges Alibi existierte, wurde er zunächst durch alle Instanzen verurteilt.
    Vor allem aufgrund des willkürlichen und rechtswidrigen Vorgehens der Polizei gründete sich in dem Ort eine Bürgerinitiative für den Verurteilten. Ihr gelang das eigentlich Unmögliche: Die Wiederaufnahme des Verfahrens, das 2014 mit einem Freispruch endete.
    Für die zehn Jahre Freiheitsentziehung hat er bis heute keine Entschädigung erhalten.

    „Eine ganze politische Ordnung wollte die Verurteilung dieses Menschen oder trug sie mit: die Polizei, die Staatsanwaltschaft, ein psychologischer Gutachter, die Justiz, Medien wie die Bildzeitung. Sie alle haben letztendlich einen Unschuldigen zum Täter erklärt und damit nebenbei den oder die tatsächlichen Täter verschont. (…)
    Mit dem Freispruch waren nicht nur die Ermittlungsmethoden als verwerflich entlarvt, sondern der gesamte Fall war wieder offen. Es fehlten erneut der oder die Täter. Auch Peggy blieb verschwunden.“

    Der NSU kommt ins Spiel

    … als 2016 im Wald, wenige Kilometer vom Wohnort entfernt, Peggys sterbliche Überreste gefunden wurden.
    Ein kleines Stoffteilchen am Leichen-Fundort trug Böhnhardts DNA – das gilt nach wie vor als Tatsache.

    Das Stoffteilchen gehörte zu einem Kopfhörer, der 2011 in jenem Wohnmobil befand, 2011 Böhnhardt und Mundlos tot aufgefunden wurden.
    Also zehn Jahre nach Peggys wahrscheinlichem Tod – sowie nach dem Tod von Böhnhardt, der damit nicht der Überbringer seiner DNA sein kann.

    Thomas Moser schlussfolgert:
    Offensichtlich muss der Gegenstand bewusst zur Fundstelle von Peggy gebracht worden sein. Keine „Trugspur“ also, sondern eine „Fremdspur“. Eine, die echt ist und die die zwei Tatkomplexe „Peggy“ und „NSU“ verbindet. Dafür kommen nur staatliche Behörden (LKA, BKA?) in Frage.

    „Warum? Sollte mit der Ablage der DNA des NSU-Mannes Böhnhardt eine Botschaft verbunden werden? Etwa ein Hinweis auf organisierten Kinderhandel und Kindesmissbrauchs? (…)

    Chefermittler Wolfgang Geier leitete die zweite SoKo Peggy und war entscheidend dafür verantwortlich, einen geistig Behinderten zum Mörder zu machen und hinter verschlossenen Türen weg zu sperren. Danach übernahm er die BAO Bosporus, die die Morde an türkischen Gewerbetreibenden untersuchen sollte. Er vermutete die Täter in türkischen Kreisen und lag wieder falsch.“

    https://overton-magazin.de/top-story/der-fall-peggy-ein-fehlender-taeter-eine-schmerzensgeldklage-und-die-spur-zum-nsu/

    1. Ich überprüfte das Zitat aus Zeitgründen nicht, aber wenn Thomas Moser das wirklich schreibt, dass liegt er falsch: “Er [Wolfgang Geier] vermutete die Täter in türkischen Kreisen und lag wieder falsch.“

      Ich zitiere aus meinem mir nicht veröffentlichbaren Buch:

      27.3. Der bayerische Ermittler Geier war dem „NSU-Trio“ auf der Spur
      Auf der einen Seite gingen die meisten Soko-Ermittler der einzelnen Ceska-Tatorte und das Bundeskriminalamt (BKA) von einer überregionalen, schwerkriminellen Organisation aus, auf dessen Rechnung die Ceska-Morde ging. Die Fallanalyse heißt „Organisationstheorie“. Auf der anderen Seite stand der bayerische Ermittler Wolfgang Geier. Er war ab 01. Juli 2005 der Chef der neu gegründeten BAO „Bosporus“, die die Ceska-Ermittlungen der einzelnen Sokos und Mordkommissionen zentral koordinieren sollte. Sie war im Polizeipräsidium Mittelfranken angesiedelt und saß in Nürnberg. Das Ziel war, neue Ermittlungsansätze zu gewinnen.
      Er suchte ab „Mitte 2005“1 nicht nur nach einer Ceska mit Schalldämpfer, obwohl laut des BKA die Kriminaltechnik erst 2006 die Schalldämpfer-Nutzung feststellte2, seine BAO erließ im „Dezember 2005“ auch den Auftrag, eine neue operative Fallanalyse zu erstellen: Sie basierte auf der Hypothese, dass zwei ausländerhassende Männer die Täter sein könnten, die Einzeltätertheorie. Im Abschlussbericht des Bundestages wird kritisch hinterfragt, was im „Dezember 2005“3 eigentlich dazu führte, auf einmal rechtsextreme Täter in Betracht zu ziehen.”

    2. Medien sind natürlich nur Quellen aus zweiter Hand; aber wenn man in alte Medien-Berichte schaut, erfährt man zumindest, was wann (für die Öffentlichkeit) als Wahrheit galt – und damit auch oft von offiziellen Stellen so an die Öffentlichkeit gebracht worden war. Alt und ergiebig (da noch nicht vom neuen Narrativ gefärbt) ist vor allem, was vor dem 04.11.2011 veröffentlicht wurde.

      Laut BILD vom 13.06.2006 sagte Chefermittler Geier:
      „So eine Serie hat es in ganz Europa noch nicht gegeben. Wir gehen von zwei Tätern aus.“

      „Die Spur zu den Auftragsmördern führt in die Türkei“, meinte BILD damals. Sie schrieb diese Erkenntnis nicht direkt Geier zu, aber auch keiner anderen Quelle und ein (nicht widersprechend wirkendes) Statement von Geier schließt sich unmittelbar an diesen Satz an:

      Der Soko-Chef: „Wir tauschen uns ständig mit den türkischen Kollegen aus.“ Es geht um Drogenhandel und Schutzgeld!

      https://www.bild.de/news/2006/doener-mordserie-polizist-ermittler-326862.bild.html

      Ein halbes Jahr später berichtete die WELT von schwierigen Ermittlungen; von „Türken“ ist nur zwei Mal die Rede – nur als Opfer, nicht mehr als Täter.
      Zwei Hauptverdächtige hätten ein Alibi aufweisen können – die zwei wurden wohl nicht als Duo betrachtet. Denn mehrfach spricht der Bericht von dem (einen) Täter / Killer.

      Und Geier erwähnt einerseits einen verdächtigten Außendienstler, der „Probleme mit Türken“ gehabt habe und andererseits von einem Ex-Häftling aus Oberfranken, der gestand, eine Ceska mit Schalldämpfer zerstört und in einem Weiher versenkt zu haben – angeblich aus Angst, da man ihm im Gefängnis eingeredet habe, dass er bei Entdeckung der Waffe mit zehn Jahren Haft zu rechnen hätte.

      Von Rechtsextremismus / Rassismus ist nicht die Rede; einzige (wesentliche) Erkenntnis:
      „Der Täter wird von Tat zu Tat professioneller.“

      Und „er tut, was zu machen ist, übertötet seine Opfer nicht.“
      Nur beim ersten Mord (Blumenhändler Simsek am 09.09.2000 in Nürnberg) schoss er sein ganzes Magazin leer.

      https://www.welt.de/print-welt/article94345/Schwierige-Ermittlungen-bei-Doener-Mordserie.html

      2010 stellte ein dpa-Bericht fest:
      „Dönermord“: Waffe bleibt einzige Spur

      Die Mord-Serie wird auf 2000 bis 2006 datiert – das Heilbronn-Attentat von 2007 war noch nicht angedockt.
      Geiers Nachfolger Georg Schalkhaußer leitete die nach der Soko-Auflösung verbleibenden Ermittlungen und legte sich auf keine Richtung fest:
      „Heiße Spuren haben wir keine mehr.“ (…)
      – sagt aber, dass alle Ermittlungen in Richtung organisierte Kriminalität, in Drogen- und Wettmafia-Szene im Sand verlaufen seien.

      Bestätigt wird in diesem Bericht:
      Zwei Theorien beschäftigen die Beamten:
      „Eine organisierte Gruppe bestraft Mitglieder – oder ein Einzeltäter tötet aus Hass“, erklärt Geier,
      der eher an die zweite These glaubt.

      Ceska: Aus der Schweiz geholt
      – oder nach dem Morden dorthin gebracht?

      Zehn Jahre nach den ersten Schüssen sahen sich die Ermittler weiter vor einem Rätsel.
      Letzte Hoffnung sei eine Spur in die Schweiz.
      Die Tatwaffe könnte dorthin verkauft worden sein.

      https://www.merkur.de/bayern/doenermord-waffe-bleibt-einzige-spur-zr-909893.html

      Ceska im Weiher versenkt, in die Schweiz verkauft – fast meint man, das Basteln des späteren Narrativs an den Bausteinen der veröffentlichten Vor-Versionen erkennen zu können …

      2006, als die Serie plötzlich abriss, feierte die BILD Geier als „Super-Polizist“.
      2010 spekulierte Geier ganz unspektakulär:
      „Vielleicht ist der Täter gestorben, sitzt im Gefängnis oder hat aufgehört, weil wir ihm zu nahe gekommen sind.“

      Dass die Serie (nach dem damaligen Narrativ noch ohne Heilbronn) gerade in Kassel – Schlapphut Temme flieht von der frischen Leiche – endete, erwähnten dpa/Merkur 2010 ebenso wenig wie Geier als Ansatzpunkt für weitere bzw. tiefere Ermittlungen.

      1. Ich zweifel die Darstellung der Bild-Zeitung an, ohne jetzt den Artikel gesehen zu haben. Ich zitiere wieder aus meinem Buch:
        “Im Mai 2006 unternahm die besondere Aufbauorganisation (BAO) einen Alleingang:
        Nachdem die BAO im Mai 2006 auf die Einzeltätertheorie einschwenkte, unternahm sie einen Alleingang: Ohne Rücksichtsnahme auf die Befürworter der Organisationstheorie stellte Wolfgang Geier bei Aktenzeichen XY-ungelöst am 03. August 2006 seine Einzeltätertheorie vor.
        Dort behauptete er, dass „es bei den meisten Opfern keinen Kontakt zu kriminellen Gruppen“ gegeben hätte „und auch keine Verstrickung in kriminellen Machenschaften“. Nach Nachfrage des Moderators „es gibt jedoch eine Gemeinsamkeit“ antwortete Geier: „Bei allen Opfern handelt es sich um türkischstämmige Menschen, mit Ausnahme des Griechen, der allerdings türkisches Erscheinungsbild hat.“1 Im Jahr 2007 traten Geier und der bayerische Profiler Horn im ZDF auf und wiederholten ihre Einschätzung, dass die Opfer nur ihr ausländisches Erscheinungsbild verbindet. Geier beschrieb den möglichen Täter, wiefolgt: „Es handelt sich um einen Deutschen, der so im Alter zwischen 24 und 45 Jahre alt ist.“2 Horn sagte, dass Serientäter häufig erst dann zum töten aufhören, wenn sie „festgenommen werden oder wenn sie das Gefühl haben, dass sie selber nicht mehr die Kontrolle oder die Macht haben und sich selber töten.“

        1. Bei Horns Aussage 2007 konnte ein Nicht-Insider noch nicht sagen, ob die Serie mit Kassel 2006 (alternativ mit Heilbronn 2007) wirklich schon ihr Ende gefunden hatte.

          Dass Serienmörder nur durch Haft oder Selbsttötung vom weiteren Töten abgehalten werden, war eine nur vermeintliche Erfahrungs-Weisheit – vermutlich eher ein unvermeidlicher blinder Fleck, der heutzutage per Technik (DNA-Auswertung) an Bedeutung verliert.

          Denn nach einem Mord (oder einer Mord-Serie) noch jahrzehntelang ohne weitere Taten ein bürgerliches Leben zu führen und dann weit über den Tod hinaus (bzw. endgültig) als unbescholten zu gelten – das könnte es früher öfters gegeben haben als wir (oder Horn) wissen können. Jedenfalls mit Sicherheit öfters als in der heutigen Zeit, in der die neue Technik verhindert, dass ein Entdeckt-Werden von Jahr zu Jahr mit großen Schritten unmöglicher wird .

          Weil früher keine DNA-Abgleiche vorgenommen werden konnten, wurden zudem Asservate zügiger entsorgt.
          Je länger die früheren Täter ihr dunkles Geheimnis also für sich behielten, desto endgültiger nahmen sie es dann mit sich ins Grab – eine Faustregel, die heutzutage nicht mehr gilt.

          Horns (schon damals veraltete) Annahme, Serienmörder würden zeitnah zum letzten Mord durch Suizid enden (oder eben der Polizei in die Hände laufen), klingt daher mehr wie die Ankündigung eines weiteren Bausteins für das 2011 aufgebaute Narrativ.

          2011 liegt zwar nicht mehr zeitnah an 2006/2007, aber bei gebastelten Narrativen stimmt sowieso vieles nicht.
          Wichtig ist nur der ganz gezielte Eindruck, den Horn vermittelt:
          Wenn in Verhaftungs-Gefahr geratene Serienmord-Verdächtige sich noch schnell umbringen, dann ist das ein weiteres Indiz für ihre tatsächliche Schuld.
          Denn Serienmörder neigen quasi ständig zum Suizid.

      2. Die veröffentlichten Meinungsunterschiede bzw. Vorlieben der beiden Chef-Ermittler vor 2010 sind eigentlich nicht so wichtig – hinter den Kulissen muss allen Spuren nachgegangen werden, solange keine Einzelspur dominiert.

        Und 2010 mussten der alte wie der neue Chefermittler eingestehen, dass sie mit leeren Händen dastanden.
        2011 hatten dann sowieso keine Bayern mehr die Federführung, sondern die Musik spielte in Sachsen, Thüringen sowie Baden-Württemberg (Einarbeitung Heilbronn) – und erst da stieg die Neonazi-Spur von „ferner liefen“ auf zur nahezu nicht mehr hinterfragbaren Wahrheit.

        Immerhin hat Geier bei der Ceska-Serie (anders als beim Mordfall Peggy) niemanden – also vor allem keinen Unschuldigen – hinter Gitter gebracht.
        Aber vielleicht gab es vor 2011 einfach die „Priorität“, Temmes Rolle beim „Ceska-Schlussmord“ in Kassel (vorerst) zu ignorieren und Gras darüber wachsen zu lassen?
        https://friedensblick.de/9952/nsu-richter-goetzl-fuegt-sich-dubiosen-verfassungschuetzer-andreas-temme/

        Umso rätselhafter wirkt, warum wenige Jahre nach der 10-Jahres-Haft eines Unschuldigen (und kurz nach dem Münchener NSU-Urteil) im Fall Peggy ein mutmaßlich ebenfalls Unschuldiger mit wiederum dubiosen Methoden als Sündenbock hergerichtet werden sollte und dennoch die Erreichung dieses Ziels aktuell ferner denn je erscheint (siehe Mosers Overton-Artikel).

        Die krampfhaften „Andockungs“-Versuche an wechselnde Tatverdächtige erinnert an Heilbronn.
        Aber während dort zumindest „offiziell“ die „echten“ Täter nach einem halben Jahrzehnt endgültig gefunden worden sein sollen, scheitern die Behörden bei Peggy seit fast einem Vierteljahrhundert und zwar (trotz größter Bemühungen) kläglich.

  7. Einen behutsam kritischen Artikel zum NSU-Komplex gab es im September 2023 sogar bei einer politiknahen Staatseinrichtung, nämlich der Bundeszentrale für politische Bildung:

    Vertrauensschutz und Staatswohl?
    Grenzen der juristischen Aufarbeitung im NSU-Komplex

    https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/nsu-komplex-2023/539786/vertrauensschutz-und-staatswohl/

    Autor John Philipp Thurn hatte laut Fußnote 1 schon 2020 in einer juristischen Zeitschrift „die Urteilsgründe im NSU-Prozess als Dokument des Scheiterns“ bezeichnet.

    Das klang irgendwie kritisch, aber zumindest scheint er damals keine Zweifel gehabt zu haben an einem ggf. redlichen Bemühen von Richter Götzl, die Wahrheit vollständig zu erkunden und ins Urteil einfließen zu lassen. Denn „Scheitern“ setzt ja – begrifflich – vorangegangene ernsthafte Bemühungen voraus.

    Der neue Aufsatz im September 2023 klang da schon kritischer – wer Rücksicht nehmen muss oder will auf (für die juristische Gesamtschau) absehbar heikle Geheimnisse von staatlichen „Kooperationspartnern“ der verstorbenen Haupttäter, der stößt nicht nur einfach an eine „Grenze der juristischen Aufarbeitung“.

    Sondern der hat (auf Kosten der Wahrheitsfindung) diese Grenze längst als Zensurschere im Kopf verinnerlicht – schon bevor er seine (zeitlich und seitenmäßig) überlange Urteilsbegründung zu schreiben beginnt.

    Immerhin hält Thurn fest, „dass im Strafverfahren über weitere Beteiligte des Nazi-Netzwerks beziehungsweise eine Verstrickung der Inlandsgeheimdienste nicht entschieden wurde. Stattdessen wurde in München die Geschichte des NSU so geschrieben, als hätte es die mindestens 30 bekannten sicherheitsbehördlichen ‘Quellen’ im Umfeld des Trios nicht gegeben“.

    Mit brisanten Neuigkeiten gespickt ist der Thurn-Aufsatz aber bestimmt nicht – er betreibt eher die harmonische Integration von berechtigter Kritik ins offizielle Narrativ.
    Denn er erschien (natürlich ohne dies zu erwähnen) nur einen Monat nach dem vernichtenden Urteil von Thomas Moser über die Untersuchungsausschüsse in Bayern (=zum NSU) und in Hessen (=zum Lübcke-Mord), wo jeweils die Regierungsmehrheit den Schlussbericht einkassierte und durch einen eigenen (mutmaßlich vorgefertigten und viel zahmeren) ersetzte.
    Eine politisch gewollte Farce war nämlich nicht nur das Urteil in München, sondern auch die parlamentarische Aufarbeitung.

    Und Thurns Aufsatz fiel auf das einjährige „Jubiläum“ des Schlussstrichs, den die Bundesanwaltschaft gezogen hatte:
    „Eingestellt wurden die Verfahren von Thomas St. (heute Thomas M.), Jan W., Max-Florian B., Matthias D. und Mandy St.“

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