Die existenzielle Erfahrung des nahenden eigenen Todes wirft mit Macht zu uns selbst zurück. Sie zeigt Menschen, was wirklich wichtig ist. Es gibt Überlebende, die nah an der Schwelle zum Tod waren, eine “Nahtod-Erfahrung” (NTE) durchlebten. Sie berichten vom großen Wert nachhaltiger Werte.
Menschen, die ein solches, zutiefst existenzielles und persönliches, Erlebnis durchlebten, berichten von dem hohen Wert nachhaltiger Lebenswerte. Viele ändern ihr Leben daraufhin und verhalten sich sozialer und ökologischer. Eine NTE setzt sich zusammen aus folgenden Erfahrungshorizonten, die in dieser Reihenfolge „durchlebt“ werden:
• Stimmungsaufhellung – verbunden mit Gefühlen von Leichtigkeit, Wohlbefinden, Heiterkeit, Frieden und Glück;
• außerkörperliche Erlebnisse: Die Person erlebt sich plötzlich auf den eigenen Körper herabschauend, das rationale Bewusstsein arbeitet währenddessen weiter. Es werden
nachweisbare optische Wahrnehmungen, auch außerhalb des jeweiligen Raumes, gemacht. Abrupte Schmerzfreiheit;
• Eintritt in eine zumeist dunkle, tunnelartige Übergangszone;
• Wahrnehmung eines in der Regel weißgoldenen, unendliche Liebe ausstrahlenden Lichtes, Gefühle höchster Seligkeit und manchmal mystische Alleinheits-, Allwissenheitserfahrungen;
• Wahrnehmung einer paradiesischen Landschaft;
• Begegnung mit verstorbenen Verwandten, religiösen Figuren oder Lichtwesen. Gedankliche Kommunikation mit der Aufforderung zur Rückkehr ins Leben.
Zwischen diesen Stadien kommen oft noch folgende Elemente hinzu:
• wunderschöne Musik;
• Ablauf eines Lebensfilmes, vieler bekannter oder längst vergessener, später aber zum Teil nachweisbarer Einzelheiten des Lebens;
• Lebensrevision – Miterleben der jeweiligen Gefühle aller Beteiligten in Verbindung mit einer kultur- und religionsspezifischen ethischen Bewertung der eigenen Gedanken,
Worte und Taten;
• Aufhebung des „diesseitigen“ Zeitablaufs. Denn in der kurzen NTE wird sehr viel mehr erlebt, als das gewöhnlich möglich ist.
Viele NTE beinhalten jedoch nur die ersten ein oder zwei Elemente. Diese anfänglichen Elemente sind mit dem kulturellen und sozialen Leben des Menschen vermischt. So gibt es etwa Unterschiede in der inhaltlichen Ausprägung der Grenzzone als Zaun, Mauer oder Graben; die Landschaften können stark voneinander abweichen; die Lichtwesen können Gewissheit vermitteln, ein geliebter bereits verstorbener Mensch, Christus, ein Engel oder ein Buddha zu sein. Jedoch ist vor allen Dingen der Lebensrückblick in Form eines Lebensfilmes, der oft in einer Nahtod-Erfahrung vorkommt, ein Hinweis darauf, dass hier Realitätswahrnehmungen stattfinden und keine Halluzinationen. Der Lebensfilm enthält nachweislich eine Menge richtiger Einzelheiten aus dem Leben des „Beinahe-Toten“.
Quelle: Publik-Forum Extra, Rätselhafte Bilder der Seele – Das Jenseits in uns“,
Oberursel 2001, S. 14 –17
Wissenschaftliche Untersuchung
Das international renommierte medizinische Journal „the lancet“ veröffentlichte am 15. Dezember 2001 eine Studie über NTE. An der 13 Jahre andauernden Untersuchung waren zehn verschiedene holländische Krankenhäuser beteiligt gewesen. Durch Befragungen von Menschen, die einen Herzstillstand erlitten hatten und nach einer gewissen Zeit wiederbelebt werden konnten, hatten die Ärzte diejenigen ausfindig gemacht, die eine NTE erlebt hatten. Daraufhin waren die Verhaltensweisen der beiden Gruppen mit (NTE) bzw. ohne Nahtod-Erfahrungen (Nicht-NTE) über einen längeren Zeitraum verglichen worden.
Zunächst war spekuliert worden, dass es sich bei NTE um Halluzinationen handeln müsse, die nach einem Herzstillstand durch einen Verlust des Sauerstoffs im Gehirn ausgelöst werden („Anoxia“). Die Ergebnisse der holländischen Studie lassen Zweifel an dieser Theorie aufkommen. Gemäß Pim van Lommel, Kardiologe und Hauptforscher, zeigen die Resultate, dass medizinische Faktoren nicht das Auftreten von NTE erklären. Alle Patienten hatten einen Herzstillstand erlitten und waren klinisch tot gewesen – aufgrund unzulänglicher Blutversorgung des Gehirns. Entsprechend der Theorie, dass NTE durch Anoxia verursacht würde, hätten alle Patienten eine NTE erleben müssen. Dies taten aber nur 18 Prozent. Eine weitere Theorie besagt, dass NTE psychologisch hervorgerufen werden, durch die Furcht vor dem Tod. Aber nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Patienten gab an, Sekunden vor dem Herzstillstand ängstlich gestimmt gewesen zu sein. Alles kam einfach zu plötzlich, als dass sie hätten fassen können, was geschah. Auch Behandlungen mit Drogen (Marihuana) während der Operation konnten das Auftreten von NTE nicht begründen.
Von den 344 Patienten, die von der holländischen Expertengruppe aufgespürt worden waren, hatten 18 Prozent eine Erinnerung an ihre Periode des klinischen Todes; 12 Prozent (also jeder achte Patient) erlebten, was die Ärzte „Kern“ oder „tiefe NTE“ nennen. Die Forscher definierten die Tiefe einer NTE nach dem Erleben von aufeinander folgenden Erlebnisstufen, die sechs oder mehr Punkte auf einer Skala zählten. Diese Skala enthielt unter anderem die „Heraus vom Körper“-Vorstellung, die Bewegung durch einen Tunnel, Kommunikation mit Licht, heilvolle Gefühle, die Beobachtung von himmlischer Landschaft, das Treffen geliebter und gestorbener Personen sowie einen Lebensrückblick.
Nachhaltige Fortschritte
Die Wissenschaftler waren überrascht, dass sich Nahtod-Erfahrene an fast jedes Detail ihrer Erfahrung zurückerinnern konnten, als sie einige Jahre später wieder interviewt wurden. Während jener Anschlussinterviews (zwei Jahre und acht Jahre später) stellten die Wissenschaftler die Haltung der ehemaligen Patienten bei einigen Grundüberzeugungen wie „Furcht vor Tod“, „Annahme von anderen“, „Interesse an Spiritualität“ fest. Sie fanden erhebliche, statistisch bedeutende Unterschiede zwischen Nahtod-Erfahrenen und Nicht-Erfahrenen. Erfahrene gaben an, dass sie nun ihre Gefühle deutlicher ausdrücken, ihre Umwelt besser akzeptieren konnten und dem Sinn des Lebens näher gekommen wären. Sie empfanden kaum noch Furcht vor dem Tod. Die NTE Gruppe war auch umweltfreundlicher geworden – im Vergleich zum Zeitpunkt vor ihrem Erlebnis und zur Gruppe der Nicht- NTE. Außerdem zeigten sie sich den „kleinen“ Dingen des Lebens gegenüber anerkennender.
Quelle: van Lommel, Pim; van Wees, Ruud; Meyers, Vincent; Elfferich, Ingrid
(2001): Near-death experience in survivors of cardiac arrest: a
prospective study in the Netherlands; in: Lancet, 358: S. 2039 –2045