Mich erreichte ein persönlicher Bericht von einem Zuschauer folgender Veranstaltung: Podiumsdiskussion im Theaterhaus Jena, 3. Dezember 2016, “Erfolge und Blockaden der Aufarbeitung des NSU-Komplexes”. Nach der Diskussion führte die Person offenbar ein persönliches Gespräch mit der Vorsitzenden des thüringer NSU-Untersuchungsausschusses, Dorothea Marx (SPD). Dieser mir zugeschickte Bericht wird wiedergegeben. Die Angaben konnte ich jedoch nicht auf Richtigkeit überprüfen, sie erscheinen mir jedoch glaubhaft.
“Als Gäste waren anwesend Dorothea Marx, Patrick Mayer von NSU Watch Hessen sowie, aufgrund Erkrankung Kutlu Yurtseven (Keupstraße ist überall),als Vertretung ein türkisches Mitglied vom Projekt NSU-Tribunal. Moderiert wurde das Ganze von einer wahrscheinlich jungen Studentin. Leider gab es keine Namensschilder oder einen Veranstaltungs-Flyer…
Es begann mit einer kommentarlosen Verlesung aller vorgeworfenen Verbrechen: abwechselnd das Datum und die Tat; bei der Nennung der Banküberfälle sogar mit Angabe der geraubten Summen.
Leider fehlte auf dem Podium ein „Querdenker“, dadurch war die Gesprächsrunde schlichtweg langweilig. Hauptthema war der gesellschaftliche sowie strukturelle Rassismus bei den Behörden. Als Beispiel wurden wieder die Ermittlungen gegen die Angehörigen der Ceska-Morde genannt. Auch durch den Vergleich in der Anzahl der Ermittlungsordner (bei den Ceskas im Schnitt 200, bei Kiesewetter 950 Ordner) wurde eine rassistische Motivation herausgelesen.
Etwas frischer wurde es bei den Publikumsfragen. Allerdings waren hier auch keine wirklich kritischen Fragen dabei.
Deine Voreinschätzung in Deiner Mail bzgl. Frau Marx erwies sich sehr bald als zutreffend.
Mit folgender Antwort auf die Publikumsfrage, wie die Zusammenarbeit im UA mit dem AfD-Vertreter verläuft, nahm sie jedweder Ermittlungskritik (Stichwort 6 Munitinsteile usw.) bereits den Wind aus den Segeln:
„eigentlich sitzt Herr Höcke im UA, statt seiner kommt jetzt immer Herr Henke, der ist recht still, lässt sich aber Informationen zuarbeiten von einer rechtsextremen Plattform, einer Seite im Internet, und stellt dann immer komische Fragen im Ausschuss“
(spöttisches Lächeln dabei). Sie meinte sicherlich nsu leaks, nannte sie aber nicht beim Namen, sonst hätte sie ja eher Neugierde geweckt 😉
Weiterhin wurde aus dem Publikum gefragt, was denn in BW für Verstrickungen bestehen, da dort bereits mehrere Zeugen auf eigenartige Weise ums Leben kamen.
Hier resümierte Frau Marx zunächst, dass im UA Stuttgart keinerlei Ergebnisse bzw. Fortschritte erreicht wurden: war dies eine kritische Anmerkung von ihr oder Eigenlob, weil UA Erfurt viel ergebnisreicher ist?
Bzgl. der Frage bezifferte Frau Marx komischerweise nur drei tote Zeugen: namentlich Florian Heilig mit der Auto-Verbrennung, sowie seine Freundin mit der Embolie sowie deren Freund dann schließlich. Erst durch die Ergänzung von NSU-Watch-Mayer kam wenigsten noch Corelli dazu.
Allerdings bezeichnete er einen Zusammenhang beim Ableben der Partner infolge F.Heilig als abwägig, weil doch der eigentliche Zeuge sein Wissen nicht weitergeben würde. Das empfand ich als Unsinn, weil doch jeder, der schon mal eine Beziehung hatte, seinem Partner gerade die Dinge erzählt, die ihn zutiefst beschäftigen.
Übrigens wurde Arthur Christ, als möglicher Schmiere-Steher am Trafohäuschen Theresienwiese, überhaupt nicht erwähnt. Das wirkte irgendwie eigenartig.
Dann war die Fragerunde schon beendet. (…)
Vielmehr ging ich nach Beendigung der Veranstaltung direkt auf die Bühne zu Frau Marx und konnte mich so ein paar Minuten mit ihr allein unterhalten.Wir hatten eine freundliche Atmosphäre, bei manchen Fragen hatte ich den Eindruck, als schaute sie mich sehr scharf an.
Zunächst fragte ich sie, warum sie in das NSU-Thema ganz persönlich so viel Zeit investiert?
Sie sagte, sie macht die Arbeit im und außerhalb des Ausschusses sehr gerne, es ist eine Leidenschaft für sie, weil ihr das Thema am Herzen liegt.
Weiter ich:
Eine Frage an Sie als Juristin: wenn man von der Polizei wegen Falschparkens verwarnt wird, werden im Bescheid stets mindestens 2 Polizisten als Zeugen namentlich benannt, damit es rechtssicher ist. Als im WoMo die Dienstwaffen gefunden wurden, muss es also doch auch eine Unterlage geben, auf der eindeutig mit Namen mindestens 2 Personen benannt wurden, die den Fund bezeugen können? Deshalb verstehe ich das Waffenfindungs-Durcheinander mit zuerst Waffe Arnold gefunden, dann wieder Waffe Kiesewtter gefunden, nicht?
Antwort:
Ja so eine Unterlage gibt es auch; und das Missverständnis mit der Waffenfindung erklärt sich ganz einfach, weil mit Findung der Waffe Arnold gemeldet wurde: „Waffe aus Polizistenmord Kiesewetter“ gefunden.
Gegen Menzel im Speziellen hat sie Schritte einleiten lassen, weil er lügt und viel mehr weiß, als er sagt. Menzel wurde nach ihrer Überzeugung schon am 4.11.11 und zwar von Anfang an von weiteren Personen instruiert. Angst vor ihm direkt oder anderen hat sie keine.
Da der NSU-Tribunal-Teilnehmer auffallend von den “möglicherweise erschossenen NSU-Tätern” redete, sprach ich sie auf die Gesprächsrunde mit K.König und W.Schorlau an und sagte, dass Frau König von einem Schreiben der Rechtsmedizin sprach, in dem sie den Todeszeitpunkt zunächst mit 8-11 Uhr erwähnte und anschließend auf vormittags korrigierte. Und dass mich das so oder so wundert, da ja Prof. Mall im Ausschuss sagte, es hatte keinen Auftrag zur Todeszeitpunkt-Ermittlung gegeben. Frau Marx antwortete: von der Gesprächsrunde weiß ich so gar nichts. Aber das Komische ist ja, dass die Rechtsmediziner am Wohnmobil waren, aber nicht rein durften.
Mehr Details erwähnte sie nicht. An dieser Stelle beendeten wir unser Gespräch, da sie mit jemand Weiterem sprechen wollte.
Insgesamt machte Frau Marx auf mich einen engagierten und durchaus kritischen Eindruck, allerdings gefangen in der offiziellen Sicht des Komplexes.
Die persönlichen Fragen kann man in 4 sachbezogene Punkte unterteilen und zwar
1. die 6 Geschossteile in Böhnhardts Kopf
wobei diese wahrscheinlich von den Splittern des Bleibatzens des FLG herühren und wir keinen Einblick in ein eventuell nach dem 01.04.2012 erstelltes BKA-Gutachten haben, also nur spekulieren können. Der Ausschuss hat sich sehr wohl mit dem Thema beschäftigt, irgendwann 2015 schrieb auch Mudra in der TA darüber. Persönlich habe ich den Sachverhalt anfänglich falsch eingeschätzt und erst die Korrespondenz mit einem weltweit anerkannten Ballistiker hat mich eines Besseren belehrt.
2. die Aussage von Frau Marx bezüglich der Dienstwaffenfunde
– wenn sie denn so gefallen ist – stellt den Sachverhalt falsch dar. Frau Marx muss das auch wissen, denn sie hat bei der Vernehmung von Frau Rieger genau das nachgefragt – ob Waffe aus Polizistenmord Kiesewetter gemeint sein könnte. Die Antwort war klar und eindeutig, denn Frau Rieger hat die Sicherung der Dienstwaffe Arnold am 05.11.2011 gegen 10 Uhr persönlich nach Heilbronn gemeldet und Frau Rieger sagt auch klar und deutlich, dass am 04.11.2011 nicht etwa nur eine Dienstwaffe aus dem “Komplex Kiesewettermord” als gesichert nach Heilbronn/Stuttgart gemeldet wurde, sondern ganz klar spezifiziert die Dienstwaffe der Polizistin Kiesewetter über die Abfrage der Waffennummer am 04.11.2011 als gesichert gemeldet wurde. Erzählte Menzel schon 2014 dem UA 5/1 und das steht auch alles im Abschlussbericht des UA 5/1. Diese Aussage der Ausschussvorsitzenden ist also unglaubhaft – sollte sie so gefallen sein. Im übrigen hält man solche Funde auch nicht vor dem StA geheim, es sei denn, man hat ein Unrechtsbewusstsein. (nicht zu verwechseln mit einem schlechten Gewissen)
3. das Menzel instruiert wurde, bestimmte Maßnahmen einzuleiten
Das ist in meinen Augen Verschwörungstheorie. Möglicherweise liegt hier ein Mißverständnis vor, weil Menzel stellenweise der deutschen Sprache nicht mächtig ist. So entsteht z.B. der Eindruck, er hätte einen Auftrag erhalten, die Leichen schnell identifizieren zu lassen. Frau Henfling fragt da auch ganz konkret nach.
4. Schorlau vs. König
Kann ich nicht beurteilen. Mir erscheint ein solches Gutachten reichlich sinnlos. Die Toleranzgrenzen eines solchen, nachträglich erstellten Gutachtens, beziehen jedenfalls einen Todeszeitpunkt am 04.11.2011 um 12 Uhr mit ein. Immerhin endete am 04.11.2011 um 12 Uhr ja auch der WoMo Mietvertrag. Deutsche Pünktlichkeit wird eben hochgehalten bei Nazis. Schon daran erkennt man sie. Und ja, Frau Mall war im WoMo – zur Blickdiagnose.