Waren beim Anschlag Polizisten in der Nähe?
Der Zeuge A.K. passierte am Tattag gegen 13.45 Uhr, also bevor Kiesewetter und Arnold auf der Theresienwiese ankamen, – das war gegen 13:55 Uhr – mit seinem Fahrrad von Böckingen kommend die Theresienwiese. Dabei bemerkte er auf dem Platz ein parkendes Polizeifahrzeug, jedoch nicht am Trafohaus, wo die späteren Opfer parkten. Ein unidentifiziertes Polizeiauto auf der Theresienwiese?
Es gibt dazu weitere Beobachtungen: Der Zeuge M.K. sah gegen 13:45 h einen Streifenwagen der Polizei von der Otto-Konz-Brücke kommend in die Theresienstraße einbiegen, die an der Theresienwiese entlang führt. Kiesewetter und Arnold konnten das nicht gewesen sein. Sie nahmen einen anderen Weg, kamen vom Polizeirevier, fuhren durch die Innenstadt und am Bahnhof vorbei über die Frankfurter Straße zur Theresienwiese. Der Zeuge E.R. fuhr gegen 13.50 h aus Richtung Bahnhof kommend über die Theresienstraße zur Otto-Konz-Brücke. Vor der Kreuzung Theresienstraße-Karlsruher Straße bemerkte er in der Einfahrt zur Theresienwiese ein Polizeifahrzeug.
Also zwei Streifenwagen am Tatort, wenige Minuten vor dem Anschlag? Nicht ermittelte Spuren.
Nun zu den Vernehmungen der Polizeibeamten aus Böblingen und Heilbronn. Sie sind reich an Auffälligkeiten.
Die Polizeibeamtin Yvonne M., die mit Michèle Kiesewetter zusammengewohnt hat und wie sie in Ostdeutschland aufwuchs, sagt bei ihrer Vernehmung zunächst den Satz: „Eine Tat aus den eigenen Reihen schließe ich aus.“ Dann entwickelt sie ein verblüffendes Szenario:
„Ich kann mir gut vorstellen, dass die Tat von mehreren begangen wurde, ich glaube sogar von mehr als nur zwei Personen. Die Frage kam damals auch auf, ob das am hellichten Tag an diesem Ort Sinn macht. Wenn man am Tatort steht, dann merkt man, dass die Täter nicht unbedingt auffallen müssen. Es fahren ständig Züge und es ist dann so laut, dass man einen Schuss vermutlich nicht hören wird. Wenn dann noch einige Mittäter an bestimmten Knotenpunkten als Streckenposten aufgestellt werden und die Passanten mit „unauffälligen Fragen”, z.B. Frage nach dem Weg, einer Straße oder so ähnlich, aufhalten, dann muss das keiner bemerkt haben. Manchmal sind es auch ganz belanglose Dinge, die so unauffällig sind, dass man sie z.B. als Zeuge gar nicht erwähnt. Wenn ich am Tattag z.B. nach dem Weg gefragt werde, dann ordne ich das nicht dem Mordfall zu. Ich denke daher auch, dass es eine geplante Tat war.“ – Zitat ende.
Wie kommt die Beamtin auf ein solches Szenario?
Interessanterweise passen dazu verschiedene Beobachtungen von Zeugen. Die Zeugin T.F. und der Zeuge T.B. sahen gegen 14 Uhr unabhängig voneinander drei Männer, die vom Tatort Richtung Norden, Hafenstraße, flohen. Es paßt die Wahrnehmung jenes Zeugen, dem etwa eine dreiviertel Stunde vor der Tat eine Gruppe von vier wartenden Männern auffiel. Und der Zeuge Peter S., der kurz nach 14 Uhr die Opfer liegen sah und daraufhin bei Taxifahrern am Bahnhof als erster Meldung über die Tat machte, berichtete vor dem Oberlandesgericht in München Folgendes (21.1.2014): Auf dem Radweg von Böckingen an der Theresienwiese vorbei Richtung Bahnhof sei, als er die Opfer entdeckte, „ungeheuer viel los“ gewesen. Doch als er kurz darauf vom Bahnhof zurückkam, sei „kein Mensch mehr dagewesen“. Und wörtlich: „Das war wie verhext.“ Ein solches Szenario, wie es die Polizistin Yvonne M. entwickelte, paßt schließlich auch zu der Annahme der SoKo Parkplatz von den vier bis sechs Tätern. Konservativ gerechnet. Progressiv könnten es sogar fünf bis zehn Täter gewesen sein.
Das Motiv für die Tat fehlt bislang.
In den Vernehmungen der Beamten wird die Hypothese formuliert, es handle sich um einen „lauten Mord“. Am hellichten Tag, mitten in der Stadt, vor allen Leuten – damit sollte ein Zeichen der Stärke und Unangreifbarkeit der Täter-Gruppierung gesetzt werden. Die Opfer seien ein „Ersatzziel“ gewesen, vielleicht für die Einheit. Nicht weniger als 15 Beamte der BF-Einheit aus Böblingen waren am Tattag in Heilbronn – und das, obwohl die BFE-ler die Anweisung hatten, Urlaub zu machen und Überstunden abzufeiern.
Warum also waren dennoch so viele in Heilbronn? Und warum tat fast die Hälfte ihren Dienst in Zivil? Gab es vielleicht Hinweise auf eine bevorstehende Aktion? Waren darin Beamte verwickelt?
Allen vernommenen Beamten wurden die 14 Phantombilder vorgelegt.
Der Beamte Danyel K. sagt (13.10.2010): Bei dem Phantombild der Frau „könnte es sich um die Kollegin Yvonne M. handeln“. Der Beamte Thomas K. sagt, die Phantombild-Frau mit dem Kopftuch komme ihm vertraut vor. Er komme aber nicht drauf, wem sie ähnlich sehe. Der Beamte Jochen R. sagt (14.10.2010), das Phantombild des Mannes, blutverschmiert links, „sieht so ähnlich aus, wie der Kollege S. Er war an dem Tag im Einsatz, am Bahnhof und zwar in zivil.“ Der Beamte Reiner M., Polizeidirektion Heilbronn, sagt zu dem Phantombild, das der angeschossene Beamte Arnold erstellen ließ: „Die Person gibt es. Ich würde sagen, daß der schon mal in einer Sache bei mir auf der Dienststelle war.“ Es gibt noch mehr Bemerkungen dieser Art über Ähnlichkeiten von Phantombildern mit realen Personen.