Der thüringer NSU-Untersuchungausschuss war nicht in der Lage aufzuklären, ob eine der geraubten Heilbronner Dienstwaffen im Wohnmobil noch in Stregda entnommen wurde. Es erscheint, dass die Ausschuss-Vorsitzende Dorothea Marx (SPD) mit einer vorgefassten Meinung Zeugen beeinflusste, statt nach deren Handlungen und Beobachtungen zu fragen.
Für diesen Eindruck steht exemplarisch die Befragung von Ronald Kö., einem thüringer Polizisten, der gegen 13:30 zum Wohnmobil in Stregda kam. Dort lagen neben den erschossenen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos Waffen. Kö. wurde als Waffenexperte dazugerufen, um bei ihrer Bergung behilflich zu sein. Es wurde jedoch nur eine einzige Waffe geborgen und entladen.
Am 17.09.15 befragte der Ausschuss Ronald Kö. Zur Einordnung kurz die Vorgeschichte.
Davor hörten die Parlamentarier zum Thema lediglich den damaligen Polizeichef von Gotha Michael Menzel, am 31.03.14. Er war der hochrangigste Polizeibeamte vor Ort. Er betrat das Wohnmobil und sagte dem Ausschuss, dass ihm eine Waffe auffiel, die auf dem Tisch lag. Aus ihr trat Behördenmunition aus. Durch Abfrage der Waffennummer stellte es sich als die Dienstwaffe von Michele Kiesewetter heraus. Das war auch seine Aussage am 06.11.13 als Zeuge im NSU-Prozess.
Auch Ronald Kö. war im Prozess vorgeladen und sagte dort am 22.01.14 aus, dass die beiden Dienstwaffen erst nach dem Abschleppen, also nach 15:30, aus dem Wohnmobil herausgeholt und anhand der Waffennummern identifiziert wurden. Davor, noch in Stregda, wäre ihm eine “topaktuelle” Waffe gegeben worden. Bei der Entladung hätte er Behördenmunition festgestellt.
Laut des amtlichen Einsatzverlaufsprotokolls wurden drei Heckler & Koch – Waffen aus dem Wohnmobil entnommen. Die thüringer Abgeordneten zitierten selbst aus dem polizeilichen Einsatzverlaufsprotokoll folgende Uhrzeiten:
- Waffe am 04.11.2011 um 14.45
- Waffe am 04.11.2011 um 16.28
- Waffe am 04.11.2011 um 23.11
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In der Asservatenliste stehen jedoch nur zwei Heckler und Koch – Waffen. Offenbar ist eine verschwunden!
Dies wäre die Ausgangslage gewesen, die die Abgeordneten hätten klären müssen. Darauf aufbauend hätten sie beispielsweise Kö. fragen können, um welche Waffe es sich genau handelte, die bereits in Stregda geborgen wurde. Welche Heckler und Koch – Waffe genau, welches Modell? Wurde ihm die Waffennummer dieser Waffe als Zettel übergeben oder las er sie selbst ab? Kö. hätte wahrscheinlich seine Aussage vom NSU-Prozess wiederholt. Stattdessen veränderte er seine Aussage. Wie konnte es dazu kommen?
Es erscheint, dass die Ausschussvorsitzende Dorothea Marx den Zeugen dahingehend beeinflusste, sich der Version des Ausschusses anzuschließen, dass noch in Stregda die Dienstwaffe von Martin Arnold aus dem Wohnmobil entnommen worden wäre; eine Heckler und Koch, Modell P2000. Das Problem war, dass Ronald Kö. die Ausschuss-Version am Anfang seiner Befragung nicht bestätigte:
Um 14.45 wurde eine Heckler & Koch Pistole aus dem Wohnmobil entnommen und ihm überreicht, es war eine der “modernsten Pistolen, die zurzeit auf dem Markt erhältlich sind”. Beim Entladen fiel ihm die Behördenmunition auf. Offensichtlich konnte er die Waffe nicht als Polizeiwaffe identifizieren, obwohl sie Bestempelungen des jeweiligen Bundeslandes aufweisen.
Gleich zu Beginn seiner Befragung bezeugte er eine weitere für die Ausschuss-Version unbequeme Beobachtung: Obwohl er direkt neben dem Wohnmobil stand, da er bei der Tatortarbeit wesentlich beteiligt war, sah er lediglich Michael Menzel das Wohnmobil betreten. Die Tatortgruppe sei erst nach der Abschleppung ins Wohnmobil reingegangen, als dass Wohnmobil in einer Halle in Eisenach stand. Dann kam es zu einem vielsagenden Austausch:
“Vors. Abg. Marx:
Wenn Sie sagen, in ihrer Anwesenheit nur Herr Menzel, dann müsste Herr Menzel quasi diese Waffe aus dem Wohnmobil geholt haben.
Herr Kö.:
Nicht unbedingt, es ist auch möglich, dass die Waffe im Griffbereich war, also dass man sie von der Tür aus erreichen konnte. Es wurden ja erst mal nur die Waffen, die jetzt offensichtlich dalagen …
In diesem Moment unterbricht offenbar Frau Marx die Ausführungen des Zeugen. Will sie ihn auf den rechten Weg bringen?
“In unseren Unterlagen ist eine Auffindesituation dokumentiert – in der Nasszelle des Wohnmobils, das ist die hintere rechte Ecke, das ist sozusagen im Griffbereich eines der Leichname gewesen, aber nicht im Griffbereich von der Türe aus, also von der Türe aus kommt man da nicht hin. Ist das falsch, was ich sage?
Die grüne Abgeordnete Madeleine Henfling will offenbar auch helfen und schaltet sich ein:
“Ein P2000 Heckler & Koch ist auf dem Tisch gefunden worden.”
Vors. Abg. Marx:
Wir wollen jetzt den Zeugen nicht durcheinanderbringen. Aber die Waffe, die später Herrn Arnold zugeordnet war, ist laut unseren Unterlagen aus der Nasszelle.
Hier könnte es sich um eine Zeugen-Beeinflussung handeln, denn daraufhin passt der Zeuge seine Aussage an.
Herr Kö.
Also die erste Waffe, das war die von dem Herrn Arnold, die herausgegeben worden ist, und die zweite Pistole, die ist ja erst wesentlich später dann, die ist erst beim Abschleppdienst herausgeholt worden.
Vors. Abg. Marx:
Also es gab zwei Polizeiwaffen in dem Wohnmobil – zur Erklärung.
Herr Kö.
Genau.
Vors. Abg. Marx:
Und die Waffe des Polizeikollegen Arnold ist jedenfalls nach meinen Unterlagen, wie wir sie hier ausgewertet haben, in der Nasszelle, in die man nicht von der Tür aus hineingreifen kann, gewesen. Dazu muss man das Wohnmobil betreten.
Herr Kö.:
Dazu kann ich nichts sagen.
Vors. Abg. Marx:
Ich wollte es auch nur festhalten.
Herr Kö.:
Das ist die Waffennummer 116-010514 – die wurde mir übergeben und die habe ich dann vor Ort entladen. Diese Überprüfung (…) fand dann erst beim Abschleppunternehmen statt. Meine Kollegin und ich haben uns dann hingesetzt und haben dann diese Abfrage gemacht. Dabei kam heraus, dass die von dem Polizisten Herrn Arnold ist. Danach bekam die Sache eine ganz andere Wendung.
Vors. Abg. Marx:
Ja. Es ist auch dokumentiert, dass Sie diese Waffe entladen haben, das haben Sie auch eben erzählt. Was haben Sie noch vor Ort in Eisenach-Stregda an dem Tag gemacht, können Sie sich noch an weitere Dinge erinnern?
Ronald Kö. blieb jedoch dabei, nichts von der Waffentnahme aus der Nasszelle mitbekommen zu haben. Er bestätigte ausdrücklich nicht, dass die Tatortgruppe ins Wohnmobil-Innere ging. Dabei hätte sie sich durch zwei Leichen, die im blut-durchtränkten Gang lagen und ihn blockierten, irgendwie hindurch-schlängeln müssen, um in die Nasszelle zu gelangen! Von dieser zweifellos spektakulären Aktion hat er nichts mitbekommen?
In der Tatortdokumentation steht tatsächlich, dass die Arnold-Dienstwaffe noch in Stregda aus dem Wohnmobil entnommen wurde. Es gibt jedoch nur ein einziges (unscharfes) Foto, welches eine unbestimmbare Waffe auf dem Nasszellenboden liegen zeigt. Es gibt zwar weitere Fotos der Waffe, doch ist die Frage, wann und wo sie aufgenommen wurden.
In seinem Sachstandsbericht erwähnt der führende Polizeibeamte L. dagegen nicht, dass noch in Stregda eine Polizeiwaffe aus der Nasszelle entnommen wurde – obwohl er gleichfalls anwesend war. Er schildert lediglich, dass er eine Waffe auf dem Tisch liegen sah, die seiner Dienstwaffe glich:
“Daneben befand sich ein Tisch, auf welchem im Brandschutt eine Pistole zu erkennen war, vom groben Aussehen glich sie der Heckler & Koch – Dienstwaffe des Unterzeichners.”
Am 14.01.16 befragte der Ausschuss den Polizeibeamten Thilo H., der dem Ausschuss bestätigte, die Waffe aus der Nasszelle entnommen zu haben. Er bezeichnete sie jedoch mehrfach als eine Heckler und Koch Waffe des Modells “P 10”! Damit wäre ausgeschlossen, dass die in Stregda entnommene Waffe eine der Heilbronner Dienstwaffen gewesen war, da sie vom Typ “P-2000” waren. Trotz der Sprengkraft dieser Aussage, fragte kein einziges Mitglied des Ausschusses nach, sogar als Hoffmann ein zweites Mal in den Ausschuss vorgeladen wurde. Dabei würde sich seine Aussage sachlich ins Einsatzverlaufsprotokoll einfügen, dass über drei gefundene Heckler und Koch Waffen informiert.