Folker Hellmeyer war 15 Jahre Chefanalyst bei der Bremer Landesbank, also ein Mann des Establishments, auf dessen Rat man hört. Auf einer Anlegerseite wird er fast eine Stunde lang zu seiner Strategie für sein persönliches Depot interviewt. Hörenswert auch für Nicht-Anleger ist die erste Hälfte, in denen er schonungslos und fundiert die aktuelle Weltlage analysiert, [1].
Die Blindheit des Westens:
gegenüber Putin – oder gegenüber eigenen Fehlern?
Wie im Kalten Krieg wird es durch die Sanktionspolitik zu einer Trennung der Weltsphären kommen.
Im Unterschied zu damals wird dies aber zu großen Verwerfungen führen (wofür die aktuellen Preiserhöhungen nur ein Vorgeschmack sind), denn seit 1990 entstanden vielfältige Verflechtungen, die jetzt gekappt werden. Der 24. Februar als Game Changer – politisch, wirtschaftlich und finanziell.
Auch Hellmeyer verurteilt den völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands (weil er alle Kriege verurteilt).
Während aber viele andere sich auf die Frage beschränken, was im Hirn des schrecklichen Putin vorgeht (und ob man sein Verhalten vorausahnen hätte müssen oder nicht) verzichtet Hellmeyer auf solche allzu billige Ein-Mann-ein-Monster-Psychologie. Denn zum Streiten gehören selbst im kleinsten Rahmen immer mindestens zwei und zu jeder Eskalation gibt es eine Vorgeschichte.
Er sucht lieber einen Erklärungs-Ansatz in den weltpolitischen Gegebenheiten: Wie konnte es dazu kommen und wie könnte man aus der Misere friedlich und zur Zufriedenheit der Kontrahenten und der ganzen Welt wieder rauskommen.
Damit tut er öffentlich etwas, was Promis die noch im Arbeitsleben stehen, seit dem 24. Februar nicht mehr tun wollen bzw. nicht mehr sanktionslos tun können. Er ist, anders als die üblichen Schönredner, überhaupt nicht der Meinung, dass der Westen immer schön aggressionsfrei war, kein eigenes falsches Spiel betrieben und die Atommacht im Osten in den 32 Jahren seit Mauerfall immer fair und auf Augenhöhe behandelt hat.
Fünf Ärgernisse, bei denen Hellmeyer Putin im Recht sieht
- In der NATO-Osterweiterung sieht er einen eindeutigen Wortbruch des Westens und beruft sich auf Äußerungen von Bundesaußenminister Genscher und dessen Staatssekretär Jürgen Chrobog, sowie von US-Außenminister James Baker. Den (nicht namentlich genannten) deutschen Staatssekretär, der den Einheitsvertrag 1990 aushandelte, kennt Hellmeyer persönlich sehr gut:
Ausgangspunkt für die Wiedervereinigung war zunächst die Forderung auf NATO-Austritt Deutschlands – anschließend erst als Kompromiss: keine NATO-Osterweiterung.
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- Im Budapester Memorandum 1994 verzichtete die Ukraine auf ihre Atomwaffen; unter den Garantiemächten war auch die USA. In Artikel 1 steht, dass die Signaturmächte sowohl die Souveränität als auch die Integrität garantieren.
Gebrochen hat dieses Memorandum der Westen, wie Viktoria („Fuck EU“) Nuland im Zusammenhang mit dem Maidan-Putsch 2014 einräumte: We payed 5 billions to get our boys in – Das war ein Angriff auf die Souveränität. Damit war die russische Annexion der Krim (als ein Angriff auf die territoriale Integrität) die Reaktion auf die vorangegangene Verletzung des Memorandums durch den Westen.
(Dass der Westen seinerseits die Integrität russland-freundlicher Staaten bei Gelegenheit mit Füßen tritt und z.B. die Separation des Kosovo von Serbien ohne UNO-Mandat und ohne Volksabstimmung, dafür mit mehr als 70 Tagen NATO-Bomben auf Belgrad erzwang, konnte sich Putin übrigens schon 1999, kurz vor seinem Amtsantritt, in aller Ausführlichkeit anschauen. Der Eingriffsgrund war – wie bei den angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen vier Jahre später – vom Westen selber frei erfunden worden: ein sogenannter Hufeisenplan habe angeblich den Genozid der Serben an den Kosovo-Albanern vorbereitet.)
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- Bei den Abkommen Minsk I und Minsk II (2014 und 2015) zwischen Frankreich, Deutschland, Ukraine und Russland hatte die Ukraine hatte 7 – 8 Jahre Zeit, die 13 dort festgezurrten Punkte zu erfüllen, was nicht der Fall war – stattdessen wurde die Ukraine latent aufgerüstet durch den Westen, allen voran die USA. Eine Blütezeit waren diese 8 Jahre westlicher „Zuwendung“ dagegen nicht gerade: In der Ukraine leben jetzt noch 39 Millionen – 2014 waren es noch 53 Millionen, so Hellmeyer.
(Neben vielen Arbeitsmigranten, die aus dem failed state gen Westeuropa zogen, musste Russland einige Millionen Flüchtlinge aufnehmen, die vor den militärischen und rassistischen Angriffen der angeblich nicht vorhandenen Asow-Neonazis auf die beiden „Volksrepubliken“ flohen – so viel zum aktuellen Flüchtlingsdrama, das rund 8 Jahre länger dauert als die meisten in Deutschland sich bewusst sind, sich die meiste Zeit aber Richtung Osten abgespielt hatte.)
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- Vor einem Jahr, am 24.03.2021, hat Präsident Selenski seinen Verteidigungsminister (im Dekret 117, nachlesbar im Internet) angewiesen, militärisch die Krim sowie Donetzk und Luhansk zurückzuerobern, worauf dann auch sofort die russische Truppenverlegung an die Grenze erfolgte.
Das war die Aufkündigung von Minsk I und Minsk II – wie kann Moskau da Vertrauen in den Westen haben, wenn wir das Wort [NATO-Osterweiterung] brechen und dann auch die Verträge, fragt Hellmeyer sich.
(Das Tagesschau-Publikum erinnert sich vielleicht noch an die vom Westen häufig kritisierten russischen Truppenbewegung innerhalb [!] Russlands – über Selenskis Dekret als Ursache wurde dabei kein Wort verloren.)
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- Dennoch hat Moskau im November 2021 nochmals einen Vorschlag zu einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur gemacht „und der wurde abgewiesen, als wäre Russland ein kleiner Schuljunge“.
(Derweil schwadronierte Selenski wenige Tage vor dem Einmarsch auf der Münchner Sicherheitskonferenz von Atomwaffen, die die Ukraine sich zulegen wolle – nachdem im Januar der in seinen Absichten undurchschaubare da halb-demente US-Präsident Biden von einer ggf. folgenlosen Hinnahme einer nur „kleinen“ Invasion gefaselt hatte.)
Hellmeyer fragt sich zu Recht, ob die USA in einer ähnlichen Situation an den eigenen Landesgrenzen nicht ähnlich reagieren würde (die Kuba-Krise 1962 lässt grüßen).
Der Interviewer hakt nach mit der (gespielten) Schlichtheit von Volkes Stimme: Aber warum kann man der Ukraine ihren sehnlichen NATO-Mitgliedswunsch nicht einfach erfüllen?
Ukraine vor dem 24. Februar: weder homogen noch souverän
Hellmeyer verweist auf Samuel Huntington: Die Ukraine ist ja kein homogener Staat – es gibt eine ost-orientierte Ost-Ukraine russisch-orthodoxen Glaubens und eine west-orientierte katholische West-Ukraine. Um den verschiedenen Gruppen gerecht zu werden, müsste nach Peter Scholl-Latour die Ukraine ein föderaler Staat sein – genau das, was Minsk II ja eigentlich beinhaltet hätte, wenn man es denn umgesetzt hätte.
Und überhaupt das Gerede über die Souveränität der Ukraine: Die wird von den USA nur beachtet, wenn die Puppen nach ihrer Pfeife tanzen, siehe oben Punkt 2). Selbst wir Deutschen hatten schon vor dem 24. Februar jahrelange Missachtungen unserer Souveränität zu ertragen, als Obama, dann Trump und jetzt (letztendlich erfolgreich!) Biden aus allen Rohren (inklusive Sanktionen!) gegen Nord Stream 2 schossen – „darüber redet hier kein Mensch“, so Hellmeyer über unser angeblich so aufrechtes, in Wirklichkeit von transatlantischen Bücklingen regiertes Land.
USA: Schutzmacht oder totalitärer Zwingherr?
Besteht nicht die Bedrohung, die wir hier haben, darin, dass die USA ihr eigenes Recht exterritorial anwenden (d.h. ungefragt auf andere, die sich somit unterzuordnen haben, bei der Entstehung dieses Rechts aber nicht mitreden dürfen)?
– Hellmeyer: „Ist das nicht ein totalitärer Anspruch?“
Die USA stoppen und konfiszieren auf den Weltmeeren nach eigenem Belieben iranische und venezolanische Tanker – was hat das mit der beschworenen „regelbasierten Weltordnung“ zu tun?
Worauf basiert die Sanktions-Politik der USA, die überhaupt keine (völkerrechtliche) Rechtsbasis hat? Auf einem Verfahren im rechtsstaatlichen Sinne (worauf der Westen traditionell sich was einbildet), bestimmt nicht: der Verdacht ist kaum ausgesprochen, schon wird er als Beweis gehandelt, dem das (selbst gestrickte) Sanktions-Urteil samt Vollstreckung auf den Fuß folgt.
(Ein Verfahren, das auch die Hinterbliebenen der US-Drohnenmorde aus leidvoller Erfahrung kennen, wenn sie nicht gleich – als großzügig einkalkulierte Kollateralschäden – mitgestorben sind.)
Zweierlei Recht – Quod licet Jovi, non licet bovi
Er findet es „faszinierend“, dass der Westen von anderen Ländern die Einhaltung der regelbasierten Ordnung verlangt, sich selber aber nicht daran hält. Letztendlich beinhalte das für die anderen die Botschaft: Ihr habt nach unseren Interessen zu tanzen. (Er betont das Wort „faszinierend“, als suche er ein kräftigeres – oder deutet er an, dass dieses Wort die gleiche Wurzel hat wie „Faschismus“?)
„Wenn wir die Regeln brechen, dann hat das keine Konsequenzen, wie bei den völkerrechtswidrigen Kriegen der USA, mit Hunderttausenden von Toten übrigens. Da wurde nicht einmal über Sanktionen gesprochen. Aber wenn andere es tun, dann greift die regelbasierte Ordnung.“
Er weist auf den US-Star-Diplomaten und Außenpolitiker George F. Kennan hin (sein Versprecher macht aus dem George einen Robert), der 1997 in der New York Times vor Fehlern des Westens warnte.
Prominente frühe Warner: längst vergessen und verdrängt
„Es wäre der verhängnisvollste Fehler amerikanischer Politik in der Zeit nach dem Kalten Krieg, die NATO bis zu den Grenzen Russlands auszuweiten. Diese Entscheidung lässt befürchten, dass nationalistische, antiwestliche und militaristische Tendenzen in Russland entfacht werden könnten. Sie könnte einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung der Demokratie in Russland haben, wieder zu einer Atmosphäre wie im Kalten Krieges führen und die russische Außenpolitik in eine Richtung lenken, die uns sehr missfallen wird.“ George F. Kennan
Ebenfalls 1997 schrieb Robert McNamara, ehemaliger US-Verteidigungsminister unter John F. Kennedy und im Vietnam-Krieg, einen Brief an Bill Clinton, den mehr als 40 hochrangige Persönlichkeiten unterzeichneten.
Er nannte eine mögliche NATO-Osterweiterung einen „Fehler von historischem Ausmaß“.
Bei Zitate stammen aus der Zeit vor Putin und finden sich in einem aufschlussreichenTelepolis-Artikel von 2018, [2].
„Bereitschaft des Hegemons“: so gut wie Sicherheitsgarantie?
Dort wird auch NATO-Generalsekretär Manfred Wörner zitiert mit Worten aus 1990, dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung:
„Der Westen kann auf die Erosion des Warschauer Paktes nicht mit der Schwächung oder gar der Auflösung der NATO antworten; die einzige Antwort ist die Erschaffung eines Sicherheitsrahmens, der beide Allianzen umfasst: in anderen Worten, ein Rahmen, der die Sowjetunion in ein kooperatives Europa einbezieht.“ Wenig später noch eine weitere bemerkenswerte Aussage: „Gerade die Tatsache, dass wir bereit sind NATO-Truppen nicht jenseits des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland zu stationieren, gibt der Sowjetunion verbindliche Sicherheitsgarantien“.
Ein Jahr später beruhigte Wörner erste aufkommende Sorgen der Sowjetunion, indem er betonte, der NATO-Rat sei gegen eine Ausweitung der NATO. 13 der 16 NATO-Staaten würden diese Haltung unterstützen. Wörners eigene Haltung war eindeutig:
„Wir sollten (…) die Isolation der UdSSR von der Europäischen Gemeinschaft nicht zulassen.“ (Wörner starb 1994 mit 59 Jahren, bekam die weitere Entwicklung also nicht mehr mit.)
2008 – 2014: Warnungen aller alten Hasen werden ignoriert
Und nochmals nein, die erfahrenen Experten des Westens hatten nicht vorm Teufel Putin gewarnt, der erst seit 2000 an der Macht war – sondern vor den roten Linien, deren Überschreiten durch den Westen von 1990 bis heute für Russland als souveränes Land eine unerträgliche Gefährdung seiner Sicherheitsinteressen darstellt.
Jack Matlock, ehemaliger US-Botschafter in Moskau, gab 2014 angesichts Maidan-Putsch etc. die eigenen Fehler zu bedenken:
„Wir wussten, wenn man ein Instrument des Kalten Krieges – die NATO – in dem Moment vor bewegt, wo die Barrieren fallen, schafft man neue Barrieren in Europa. … Es war ein Fehler, die NATO in den Osten auszudehnen. … 2008 entschied die NATO, die Ukraine auf eine Spur zur Mitgliedschaft zu setzen. Ein in seinem Inneren tief gespaltenes Land, direkt vor Russlands Türe. Das alles waren sehr dumme Schachzüge des Westens. Heute haben wir die Reaktion darauf.“
Dass war 2014; heute würde das aufgehetzte Publikum der Tagesschau (im Gleichklang mit den dortigen Vorbetern) in einer Aussage wie der von Matlock nur noch die Lügenbotschaft eines Putin-Rechtfertigers sehen, den es mit allen Mitteln zur Rechenschaft zu ziehen gilt …
Ukraine: von allen roten Linien die dunkelrote
Dennoch (Jahr des Beitritts):
* 1999 (Polen, Tschechen , Ungarn)
* 2004 (Balten, Bulgaren, Rumänen, Slowaken, Slowenen)
* 2009 – 2020 (Albaner und div. Ex-Jugoslawen)
… diesen Teil der Beute hätte die gefräßige NATO trotz der Warnungen der Altmeister wohl behalten können, ohne dass Russland (offen oder im geheimen) so grollt, dass es Militärschläge plant.
Ganz anders verhält es sich jedoch mit der Ukraine: das ist russisches Kernland, Kiew ist die Wiege des zum orthodoxen Christentum missionierten Russland, das sich heute auf die drei Staaten Russland, Weißrussland und Ukraine verteilt.
Unerwartet klar (im Vergleich zu ihrer Zeit im Amt) hat jetzt die Pensionärin Merkel die Entscheidung aus dem Jahr 2008 verteidigt, die Ukraine nicht in die NATO aufzunehmen. Neben ihr hatte insbesondere der damalige französische Präsident Sarkozy diese Position vertreten, [3].
Das macht man ihr jetzt zum Vorwurf und „lobt“ den noch an seinem Amt und dessen neuen Erfordernissen klebenden Steinmeier, der nicht zu urplötzlich in 2022 geänderten Geschichtsdeutungen sich äußert, sondern lieber öffentlich seinen Fehler beichtet, Putin verkannt und erst jetzt als einen „eingebunkerten Kriegstreiber“ durchschaut zu haben, [4].
Bandera-Boys verstehen nur klare Worte; für diplomatische Worte haben sie nur Verachtung und verbale Prügel übrig
… und beißen dann gerne auch mal in die Hand die sie füttert.
Die Geschichte des sich devot gebenden Steinmeier hat nämlich eine ironische Fortsetzung. Obwohl er 2014 als deutscher Außenminister gegen den rechtmäßigen ukrainischen Präsidenten Janukowitsch intrigierte (sowie den Maidan-Putsch mit ermöglicht und dessen braunes Hilfspersonal verteidigt hatte), [5] [6] – wird ausgerechnet er jetzt vom waffengierigen Clown auf dem Kiewer Thron als angeblich langjähriger Putin-Freund beschimpft.
Nicht direkt adressiert, aber schriftlich dokumentiert, hat Selenski den deutschen Bundespräsidenten zur in Kiew unerwünschten Person erklärt und ausgeladen, um im gleichen Atemzug den amtierenden Bundeskanzler sozusagen nach Kiew vorzuladen – nur ihm will er ganz unbescheiden seine Bestell-Liste der unverzüglich zu liefernden Gratis-Waffen diktieren.
Scholz wird sich nach so einem Affront gegen Deutschland großzügig Zeit lassen müssen mit einem Höflichkeitsbesuch in Kiew, wenn er nicht als Laufbursche von Selenski gelten will und von dessen als Botschafter in Deutschland nur mühsam zu ertragenden Bandera-Boy Andrij Melnyk. Ex-Außenminister Sigmar Gabriel hat jetzt mal ein paar klare Worte in Richtung der undiplomatischen zwei Plagegeister fallen lassen: „Wahrheitswidrig und bösartig“, [7].
Anti-Held Steinmeier wollte es (angeblich) allen recht machen
Abseits des diplomatischen Parketts ist Steinmeiers Verhalten durchaus eine kritische Beleuchtung wert: Was er nämlich so scheinheilig reumütig bedauert, ist sein nur wenige Wochen zurückliegendes Festhalten an Nord Stream 2.
Vor dem 24. Februar durften deutsche Politiker die Pipeline noch (wahrheitsgemäß) als im deutschen Interesse bezeichnen und sich (vorsichtig) gegen US-Bevormundungen verwahren. Inzwischen gilt schon der Gedanke an so etwas als Versündigung an den stets vorausschauenden weisen Festlegungen des allmächtigen transatlantischen Hegemons. Die alte Meinung beizubehalten oder wenigstens als ehemals vertretbar zu verteidigen, erfordert daher mehr Rückgrat als in den kleinen Anzug des biederen Herrn Steinmeier hineinpasst.
„Wir sind gescheitert mit der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Russland einbezogen wird. Wir sind gescheitert mit dem Ansatz, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden“, [8].
Nein, Herr Steinmeier ist gescheitert in seiner Doppelrolle als Interessenvertreter Deutschlands und zugleich nützlicher Idiot der USA, die deutsch-russische Interessen schon lange planmäßig durchkreuzen, mal mit Schüssen aus der Hecke, mal mit offener Bevormundung.
Wer schon nicht (mehr) klar zu den Interessen des eigenen Landes stehen kann, dessen Kooperationsbereitschaft gegenüber Russland kann nie etwas anderes als ein doppeltes Spiel gewesen sein.
Das ist das Schicksal der meisten Politiker in Vassallen-Staaten; Steinmeier fällt nur deswegen so unangenehm auf, weil er allen vormachen will, sein Rücken sei weniger gebeugt als der anderer Politiker und er sei immer besonders offen, fair und lieb zu allen Beteiligten gewesen – eben auch zu Putin. Als könne man von einem Tag auf den anderen mit neuer Devotheit die alte, mißliebig gewordene, ungeschehen machen. Fast könnte man meinen, die Querschüsse von Kiew Richtung Berlin seien von US-Vertretern angestiftet, die dem größten ihrer Verbündeten ab und zu wieder mal seine Grenzen aufzeigen wollen.
Putsch-Helfer Steinmeier ignorierte Kissingers weise Worte
Anders als bei Kritik an deutschen Amtsträgern sind sowohl unsere Vassallen-Medien als auch (soweit ersichtlich) die ukrainischen Bandera-Boys erstaunlich zurückhaltend, wenn es um namhafte Kritiker der USA geht, die selber US-Bürger sind.
Noch immer steht Henry Kissingers WELT-Artikel aus 2014 online, der in Sachen Ukraine in die gleiche Kerbe haut wie Matlock:
„Viel zu oft wird der Fall der Ukraine als Showdown dargestellt: ob die Ukraine dem Westen beitritt oder dem Osten. Wenn aber dieses Land überleben und aufblühen soll, dann kann es niemandes Vorposten sein. Nein, die Ukraine sollte Brücke sein“, [9].
Genau diese doppelte (Brücken-)Ausrichtung erstrebte auch der damalige ukrainische Präsident Janukowitsch – westliche Politiker (eben auch die deutschen um Steinmeier, die sich 2014 auf dem Maidan-Platz tummelten) forderten aber ein klares Entweder-Oder, wobei sie den Ukrainern natürlich eine einseitige reine West-Ausrichtung aufdrücken wollten – und so kam es unter kräftiger Mitwirkung westlicher Kräfte zum Putsch gegen den nicht willfährigen Janukowitsch …
Kissinger wandte sich zwar gegen die Verschiebung von Grenzen. „Aber der Westen muss begreifen, dass die Ukraine für Russland niemals nur ein beliebig anderes Land, also Ausland, sein kann.
Die russische Geschichte begann mit der Kiewer Rus. Von hier aus verbreitete sich die russische Religion (…)
Die Ukraine sollte kein Mitglied der Nato werden, das habe ich schon vor sieben Jahren gesagt, als zuletzt das Thema aufkam. (…) Und an den Westen gerichtet: Die Dämonisierung Putins ist keine Politik, sondern Alibi für das Fehlen einer solchen.“
[1] https://www.youtube.com/watch?v=XkE2HW1vXQ8
[2] https://www.heise.de/tp/features/Nato-Osterweiterung-Das-ist-eine-brillante-Idee-Ein-Geniestreich-4009027.html?seite=all
[3] https://www.deutschlandfunk.de/merkel-rechtfertigt-entscheidung-gegen-nato-aufnahme-des-landes-102.html
[4] https://www.merkur.de/politik/russland-politik-steinmeier-fehler-ukraine-putin-europa-spd-91460343.html
[5] https://friedensblick.de/15219/aussenminister-steinmeier-spd-verteidigt-maidan-putsch/
[6] https://friedensblick.de/15151/aussenminister-steinmeier-verharmlost-rechtsextreme-ukraine/
[7] https://www.berliner-zeitung.de/news/wahrheitswidrig-und-boesartig-sigmar-gabriel-attackiert-melnyk-li.222850
[8] https://www.spiegel.de/politik/frank-walter-steinmeier-raeumt-erstmals-fehler-in-russland-politik-ein-a-0ecac4da-3d8c-4abf-ba63-2be5ed24cb5d
[9] https://www.welt.de/debatte/kommentare/article125579944/So-wuerde-Kissinger-den-Ukraine-Konflikt-beenden.html