Reußen-Staatsstreich oder Rollator-Putsch?

Mit Kanonen auf Spatzen?
Oder großer Aufwand für große Gefahr?

3.000 Polizisten machten Razzia bei rund 50 Verdächtigen und nahmen rund 20 davon als vermeintliche Putschisten fest. Allein schon vom Aufwand her muss es sich um eine ganz große, gefährliche Sache handeln. Die mutmaßlichen Reichsbürger sollen einen Umsturz geplant und dafür teilweise (!) auch mit Waffen trainiert haben, [1].

Laut Verfassungsschutzpräsident waren die Sicherheitsbehörden früh über die Planungen im Bilde. Aber nicht nur sie.

„Die Razzia wirkt wie eine PR-Aktion“

„Manche Pressevertreter wussten schon seit zwei Wochen von der Razzia“, sagt die Linken-Abgeordnete Martina Renner. Dass die Infos im Vorfeld so breit gestreut wurden, hält die Extremismus-Expertin im Interview mit n-tv für unverantwortlich, [2].

Nicht nur Fluchtgefahr steht im Raum, wenn die Betroffenen Wind von den Vorbereitungen bekommen. Bei gewalt- bzw. putsch-bereiten Reichsbürgern müsse ja auch mit Gegenwehr gerechnet werden, wodurch die Sicherheitskräfte unnötigerweise einer stark erhöhten Gefahr ausgesetzt werden.

Renner selbst „wusste seit Mitte letzter Woche bereits davon und weiß außerdem von mehreren Medien, die schon seit zwei Wochen Kenntnis hatten. Es waren die Namen der Beschuldigten bekannt, ihre Adresse und der geplante Zeitpunkt des Zugriffs“ – obwohl die Pläne für die Razzia vom Generalbundesanwalt als geheim eingestuft worden waren.

Innenministerin Nancy Faeser prahlt mit dem Erfolg: Keiner der Verhaftungs-Kandidaten war vorab geflüchtet oder untergetaucht. Für sie ist das der Beweis, „dass vorher nichts rausgedrungen ist“.
Nicht nur Martina Renner bezweifelt dieses Erfolgsrezept:
„Terrorabwehr müssen staatliche Stellen mit höchster Sensibilität betreiben, auf keinen Fall darf sie zur Show werden.“

Zweifel an Gefährlichkeit und Verstand der Verhafteten

Wenn die lockere Herangehensweise (zumindest der auf eine „Show“ erpichten politisch Verantwortlichen) so verlässlich folgenlos blieb, dann drängt sich die Frage auf, ob es mit der Gefährlichkeit der Verhafteten vielleicht gar nicht so weit her gewesen sein kann – und dies den politisch Verantwortlichen im voraus klar war?
Sprich: Finstere Gedanken mögen sie gehabt haben, waren aber von vorneherein ohne realistischen Plan und ohne Erfolgschance.

Auch ein Militär-Putsch kann scheitern, aber ein Putsch ohne oder gar gegen das Militär wird fast unausweichlich scheitern.
Unter den Verhafteten sind aber keine Bundeswehr-Generäle oder sonstige hohen Offiziere (Pensionäre oder schon 1996 unehrenhaft Entlassene wie der gewesene Oberstleutnant Rüdiger von P. kann man ja nicht ernsthaft als Militärrebellen einordnen).

Die Verhafteten seien bereit gewesen, Tote in Kauf zu nehmen, was ja selbst bei völliger Aussichtslosigkeit des eigentlichen (Putsch-)Ziels eine eigene, abzuwehrende Gefahr darstellt.
Denn auch wenige Verrückte (oder ein einzelner) können eine tödliche Gefahr darstellen – z.B. bei einem Amoklauf.

Aber selbst die dümmsten Putschisten (die diese Bezeichnung gerade noch „verdienen“) sind eine ganz andere Kategorie als lebensmüde Amok-Täter: Sie wollen weder selber sterben noch die bisherigen Inhaber der Staatsgewalt in einer Open-End-Aktion mit blinder Wut massakrieren, sondern zum (eher kleineren Teil) einschüchtern und (zum größeren Teil) ohne Gewalt auf ihre Seite ziehen. Über Anzahl bewaffneter Putschisten dieser speziellen Gruppe und die Art ihrer Waffen ist aber kaum etwas zu erfahren.

Wie viele Dutzend Täter reichen für einen Staatsstreich?

Laut Verfassungsschutz seien von etwa 23.000 „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ deutschlandweit wie folgt einzustufen [3]:

  • rund 1.250 (ca. fünf Prozent) als Rechtsextremisten
  • rund 2.000 als gewaltorientierte Personen

Auf wie viele (teils ganz verschiedenen) Gruppen die Problembären sich aufteilen und ob diese Gruppen kooperieren, bleibt offen.
Da sich allerlei selbsternannte Reichs-Präsidenten, -Kaiser, -Könige im Lande tummeln, handelt es sich vermutlich mehr um ein Sammelsurium von unabhängigen Kleinsekten und eitlen Eigenbrödlern als um die eine große Gruppe.

Wollten sie eher symbolisch als Initialzündung z.B. den Bundestag sowie ein paar TV-Sender besetzen – und erhofften dadurch den alsbaldigen Ausbruch eines Volksaufstands bzw. einer Beamten- oder Bundeswehr-Rebellion zu Gunsten ihrer Machtübernahme?
Sollte man da aber nicht schon einen gewissen Namen oder Ruf haben? Auch wer die aktuelle Regierung zum Teufel wünscht, kann sich ja nicht jedes x-beliebige, aus dem Nichts aufgetauchte Grüppchen von Vollpfosten als neue (Putsch-)Regierung wünschen?

Oder erhofften sie das Eingreifen ausländischer Mächte, wie manche Meldungen (aber nur zaghaft) andeuteten?

Hollywood-taugliche Wodka-Connection?

Anführer der Gruppe soll der 71-jährige Prinz Heinrich XIII. sein, der bisher politisch noch nicht aufgefallen war. Auf den Fotos wirkt er mit Cord-Hose und Mund-Nasen-Schutz eher wie ein biederer, gesundheitsbewusster Rentner. Er entstammt dem bis 1918 in Teilen Thüringens (Vogtland) regierenden Fürstenhaus Reuß.
Eine Adelssippe mit wenig Bedeutung, aber vielen Linien, Seitenlinien und wohl auch Standesdünkel, erkennbar an einer inflationär-schrägen Vorliebe für den Vornamen Heinrich.

Die vielen Heinriche tragen (wie sonst nur regierende Fürsten) Nummern. So heißen die vier Brüder des angehenden bzw. angegangenen Königs ebenfalls „Heinrich“, aber mit abweichender Nummerierung. Der Sprecher des Hauses Reuß, der vier Jahre jüngere Heinrich XIV. Prinz Reuß, distanzierte sich bereits Ende August 2022 von Heinrich Nr. XIII., der den Familienverbund vor Jahren auf eigenen Wunsch verlassen habe und ein „teilweise verwirrter“ Mann sei, der „verschwörungstheoretischen Irrmeinungen“ aufsitze, [4].

Reuß klingt nach Russen (früher Reußen genannt) und das ist kein Zufall: Die deutsche Familie war im hohen Mittelalter in der Ostkolonisation tätig und schuf familiäre Verknüpfungen zu slawischen Adelsfamilien.
Ein deutsch-russischer Fürstensproß will durch Putsch zum Zar von Deutschland werden, um Zar Putin zu unterstützen – es ist nur eine Frage der Zeit, bis Hollywood vorstellig wird, um über die Filmrechte für diesen Polit-Krimi zu verhandeln. Immerhin (das steigert die Wichtigkeit der Clique und den Marktwert der Story) hat die US-Regierung der deutschen Regierung Hilfe gegen die Putschisten angeboten.

Das Kind hat noch keinen Namen – NSU 2011 lässt grüßen

„Wir haben noch keinen Namen für diese Vereinigung“, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft. (Scherzkekse sprechen schon von Graue Armee Fraktion und Rollator-Putsch.)
Vielleicht muss das passende Narrativ erst nacherfunden werden?
Ein brandneuer Wikipedia-Artikel behauptet jedenfalls, um das künftige Staatsoberhaupt Prinz Heinrich herum habe sich eine terroristische Vereinigung namens Patriotische Union gegründet, auf die BKA und VS schon im April aufmerksam geworden seien.)

Die spätestens seit Ende November 2021 bestehende Gruppierung gründe sich den Erkenntnissen zufolge auf Verschwörungsmythen. Die Mitglieder seien der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten Deep States, eines „tiefen Staats“, regiert werde, hieß es laut Tagesspiegel in einer Mitteilung.

Um die tiefe Verneigung von Deindustrialisierungsminister Robert Habeck vor Scheichs und vor US-Wirtschaftsinteressen erkennen und einordnen zu können, braucht es allerdings längst keine Tiefe-Staats-Theorien mehr – Zeitungslektüre reicht.
Ausgebootete deutsche Konzernherren sprechen die Misere selber offen an, wie Trigema-Chef Grupp, [5].
Oder ist der etwa auch ein Reichsbürger und sieht seiner baldigen Verhaftung entgegen?

Waffen aus dem Schloss-Museum?

Manche hätten sogar Zugang zu legalen Waffen. Man ist aber noch auf der Suche und insgesamt scheint es der Gruppe aber wie der Verteidigungsministerin zu gehen, die kürzlich die Unterversorgung der Bundeswehr mit kurzfristig nicht beschaffbarer Munition im Wert von 20 Milliarden Euro beklagte.

Höhepunkt der Meldungen im ZDF (im leider nur kurz verfügbaren Videotext): Die Gruppe verfüge auch über Schwerter und Armbrüste!
Prinz Heinrich, der in Frankfurt als Immobilienmakler arbeitet(e), besitzt in Thüringen das Jagdschloss Waidmannsheil – musste er für den Putsch (der zu seiner Krönung als Deutschlands König führen soll) doch nicht etwa die Schätze des Schloss-Museums rausrücken?

Von der Nützlichkeit frisch gebastelter Feindbilder

Die als pro-russisch geltende Alina Lipp findet das Ganze
„ziemlich merkwürdig. Es sieht alles so aus, dass sie das jetzt als Vorwand nehmen, irgendein Gesetz hinterherzuschicken.“

Putin-Gegner Boris Reitschuster ist alles andere als „pro-russisch“, hat aber als Corona-Kritiker eigene Erfahrungen gemacht, wie mit Andersdenkenden umgesprungen wird:
„So sehr ich einerseits nicht ausschließen kann, dass die Vorwürfe berechtigt sind und dann den Sicherheitsbehörden ein großes Lob und Dank gebührt – so groß ist mein Verdacht, dass dies eben nicht so ist und hier eine Mücke zum Elefanten aufgeblasen wird. Und damit der Weg bereitet wird für eine noch striktere Unterdrückung von Andersdenkenden bis hin zu noch weiteren Schritten oder gar einem Parteiverbot gegen die AfD.“ [6]

Wiedereinführung des Radikalen-Erlasses?

Unter den Verhafteten ist auch die Richterin Birgit Malsack-Winkemann, die von 2017 – 2021 für die AfD im Bundestag saß.
Auf sie könnte möglicherweise erstmals angewendet werden, was Nancy Faeser bei Maischberger klarstellt: Für eine Kündigung reicht im Öffentlichen Dienst künftig der bloße Verdacht.

Die Bundesinnenministerin nimmt die Razzia zum Anlass, noch einmal an die Umkehrung des Disziplinarrechts zu erinnern, die sie im Frühjahr eingeleitet hat. Bei Mitarbeitern des Öffentlichen Dienstes werde es künftig sehr einfach sein, sie zu entfernen.
Für eine Kündigung reiche dann der bloße Verdacht auf Demokratiefeindlichkeit.
„Da muss man die Möglichkeit haben, jemanden schnell rauszubekommen“, sagt die SPD-Politikerin. „Wir haben eine gute Idee gefunden, das zu tun.“

Und das geht so:
Der Betroffene werde auch ohne jegliche Beweise mittels eines einfachen Verwaltungsaktes aus dem Dienst entfernt und müsse dann selbst seine Unschuld beweisen. Bisher habe stets der Staat den Verdacht beweisen müssen. Das sei jedoch zu schwierig, weshalb man das Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit aufgebe und lieber dem Verdächtigen künftig die Beweislast übertrage, „zu sagen, ich bin aber anständig und hab mir nichts zuschulden kommen lassen“. [7]

Dies erinnert an den „Radikalenerlass“ von 1972, eingeführt unter SPD-Kanzler Willy Brandt, der dies rückblickend als Fehler bezeichnete – aber auch als ein damals für notwendig erachtetes Zugeständnis, um Gegner seiner damals neuen Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion zu beschwichtigen. Denn von konservativen bzw. US-orientierten Anhängern des Kalten Krieges kamen wiederholte alarmistische Warnungen vor russischen Invasionen – sowohl in Gestalt russischen Panzerarmeen als auch in Gestalt russischer Unterwanderung.
Dank des Ukraine-Krieges hat kaum jemand gemerkt, dass seit einigen Monaten wieder ein neuer Radikalenerlass gilt, verfügt genau im 50. Jubiläumsjahr des verpönten alten, längst eingemotteten.

Das „Stürmchen“ auf den Reichstag anno 2020 als Vorbild?

Schon im Sommer 2020 gab es einen sehr merkwürdigen „Sturm“ auf den Reichstag [8] :
Während in Berlin Ballwegs großflächige Querdenker-Demo lief, kam es in der Bannmeile vor dem Reichstags-Gebäude zu einer gesonderten Demo. Deren Anmelder war ein Rüdiger Hoffmann – nicht der allseits bekannte Kabarettist, sondern ein namensgleicher polizeibekannter Reichsbürger.

Weil er Jahre zuvor als NPD-Kader einen Angriff auf ein Flüchtlingsheim organisiert hatte, hatte er dreieinhalb Jahre abgesessen. Seither sei der gelernte Finanzkaufmann wegen einer „Hafttraumatisierung“ verrentet – manche halten das eher für eine Tarnbezeichnung, um einen V-Mann unauffällig zu alimentieren.
Jedenfalls genehmigte man am sensibelsten Ort – ebenfalls vor dem Reichstag – zusätzlich und zeitlich vor der Demo diesem einschlägigen Problembären eine viertägige „Mahnwache für Heimat und Weltfrieden“, die von ihm ordnungsgemäß angemeldet war. Zur Bewachung des Reichstagsgebäudes hielt man drei Polizisten für ausreichend – die Ballweg-Demos waren wohl wichtiger.

Das dachten auch viele der ins Rampenlicht drängenden Politiker.
Sie hatten vor lauter Betroffenheit-Bekundungen damals nichts Besseres zu tun, als den Hoffmann-Sketch den zeitgleichen Demos von Michael Ballweg pauschal in die Schuhe zu schieben, statt „Generalprobe“ und Aufführung des ominösen Hoffmann sowie diesen Typen selber mal näher unter die Lupe zu nehmen.

[1] https://www.tagesspiegel.de/politik/das-ist-uber-die-razzia-bekannt-19-mutmassliche-reichsburger-in-untersuchungshaft-8985781.html
[2] https://www.n-tv.de/politik/Die-Razzia-wirkt-wie-eine-PR-Aktion-article23769156.html
[3] https://www.verfassungsschutz.de/DE/themen/reichsbuerger-und-selbstverwalter/zahlen-und-fakten/zahlen-und-fakten_node.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_XIII._Prinz_Reu%C3%9F
[5] https://www.merkur.de/wirtschaft/wolfgang-grupp-trigema-ukraine-krieg-thorsten-benner-zr-91813975.html
[6] https://tkp.at/2022/12/08/reichsbuerger-putsch-als-medien-show/
[7] https://www.merkur.de/politik/maischberger-reichsbuerger-razzia-nancy-faeser-spd-kuendigung-putschversuch-migration-illerkirchberg-mord-zr-91963688.html
[8] https://www.broeckers.com/2020/08/31/reichtagssturm-abgewehrt-demokratie-gerettet/

2 Gedanken zu „Reußen-Staatsstreich oder Rollator-Putsch?“

  1. Bei Thomas Röper vom Anti-Spiegel hat sich ein Insider gemeldet, zu dem er schon seit einiger Zeit Kontakt habe und der die an dem angeblichen „Putschversuch“ beteiligten Personen und deren Hintergründe kenne.
    Was er mit Erlaubnis dieses Insiders veröffentlichen dürfe, konnte er zwar nicht verifizieren , hält diese Quelle aber für vertrauenswürdig.

    Gegen wirklich gefährliche „Terroristen“ waren in der Vergangenheit nie Medien vor Ort – z.B. wenn Einsätze gegen die RAF durchgeführt wurden.
    Oder, wie Julian Reichelt es auf Twitter formuliert hat:
    „Unbequeme Wahrheit: Wenn nahezu alle Redaktionen des Landes vorab von einer Geheimoperation wissen, ist es keine Geheimoperation, sondern eine PR-Operation“

    (Anmerkung Röper: Man kann von Reichelt halten, was man will, aber als ehemaliger Chefredakteur der Bild-Zeitung weiß er aus erster Hand, wie der mediale Hase läuft.)

    Der Insider kenne Heinrich XIII. Prinz Reuß und die Richterin Birgit Malsack-Winkemann und sagt, deren Motive gut einschätzen zu können.

    Er beschreibt Birgit Malsack-Winkemann als „herzensgute Frau, die keiner Fliege etwas zu Leide tun kann, die allerdings ziemlich chaotisch und unorganisiert“ sei.

    Nach ihrer Zeit im Bundestag (1997-2021) wollte sie auf ihre Stelle als Richterin zurückkehren, woraufhin die Berliner Justizsenatorin den Antrag gestellt hat, sie in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Es kam zu einem Rechtsstreit, den Malsack-Winkemann am 13. Oktober 2022 gewonnen hat, allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

    Für den Insider handelte sich dabei um einen politischen Schauprozess, der offenbar andere AfD-Abgeordnete einschüchtern sollte.

    Da ein (politischer) Schauprozess im gewöhnlichen Sprachgebrauch ein Spiel bezeichnent, das die Justiz mitspielt, halte ich dieses Wort allerdings für ihrreführend:
    Hier hat sich das Gericht eben nicht instrumentalisieren lassen, sondern es blieb beim wohl politisch motivierten Versuch der Senatorin, dem das Gericht aber eine Abfuhr erteilt hat.

    Und zwar nicht nur aus formalen Gründen, wie das gelegentlich zu lesen ist, sondern indem es die konkreten Vorwürfe gegen die Richterin als inhaltlich substanzlos zurückgewiesen hat.
    Röper schildert die gescheiterten Vorwürfe im einzelnen, z.B. die in Politik und Medien beliebte „Kontaktschuld“-Keule: man wurde auf einem Foto mit den „falschen“ Leuten abgelichtet, also habe man angeblich die gleichen Ansichten wie diese.

    Malsack-Winkemann durfte nach dem Urteil wieder als Richterin arbeiten. Röpers Quelle hält es aus zwei Gründen für undenkbar, dass sie sich an einem Verbrechen beteiligt haben könnte: Erstens passe das nicht zu ihrem Charakter und zweitens war es ihr Ziel, wieder als Richterin zu arbeiten.
    Dass sie sich auf einen „Operetten-Putsch“, wie meine Quelle es formulierte, einlässt, sei ausgeschlossen, denn nun drohe ihr nicht nur der Verlust des Jobs als Richterin, sondern auch der Verlust ihrer Pension.

    Dass sie sich ausgerechnet jetzt, während ihr Verfahren in Berufung geht und sie ohnehin unter besonderer Beobachtung steht, an irgendetwas Illegalem beteiligt hätte, hält meine Quelle für ausgeschlossen. Aber für die Gegner von Malsack-Winkemann ist das eine Entwicklung, wie sie sie sich nur wünschen konnten: Nach dem Vorwurf, sie sei Mitglied einer „Terrororganisation“, die einen „Putsch“ organisiert habe, ist Malsack-Winkelmann beruflich, finanziell und gesellschaftlich erledigt, egal, wie die Geschichte irgendwann ausgeht.

    Nach Röpers Quelle muss man Heinrich XIII. Prinz Reuß als waschechten Reichsbürger betrachten:
    Er sei „ein Herzog, der seinen Titel wiederhaben möchte“ und behaupte, es gäbe seit 1919 keine gültige Verfassung mehr in Deutschland, weil die Revolution von 1918 juristisch ein Putsch gewesen sei und seitdem keine deutsche Verfassung – weder die Weimarer Verfassung noch die Verfassung der Nazis und auch nicht das Grundgesetz – per Volksabstimmung in Kraft getreten sei.

    Allerdings zeigt er sich auch als ziemlicher Traumtänzer:
    Er sei vor einiger Zeit in die USA geflogen und habe dort Gespräche „mit Leuten von Trump“ über einen Friedensvertrag und die deutsche Souveränität geführt, ohne konkrete Ergebnisse zu erzielen. Anschließend habe Reuß auch versucht, die russische Regierung zu kontaktieren, die allerdings kein Interesse gezeigt habe.

    Röpers Quelle habe Heinrich wohlmeinend von weiteren Kontakt-Versuchen nach Russland abgeraten, da dies in den aktuellen Kriegszeiten schnell als Hochverrat ausgelegt werden könne.
    (Röper hält die Gefahr für plausibel und erwähnt „die Verurteilung eines Deutschen vor einigen Wochen, dessen ,Verbrechen’ darin bestand, Mitarbeitern der russischen Botschaft offen im Internet zugänglich Informationen per Mail übermittelt zu haben. Das reichte bereits aus, um in Deutschland wegen Spionage verurteilt zu werden.“)

    Reuß habe gegenüber Röpers Quelle nie von Putschplänen erzählt, sondern nur davon, dass er sich mit den „großen Siegermächten“ in Gesprächen einigen wolle. In seiner Filterblase braucht es anscheinend nicht erst einen Putsch, um ihm ein Verhandlungs-Mandat zu geben.

    Ob er seine Selbstgespräche von diplomatisch autorisierten Verhandlungen unterscheiden kann, scheint daher sehr zweifelhaft. Und ebenso, ob so jemand ernsthaft einen „Putsch“ anführen kann.
    https://apolut.net/angeblicher-putschversuch-von-thomas-roeper/

  2. „Zwischen Gewalt und Wahnsinn“

    Nach der Verhaftungswelle vor nunmehr etwas über einem Jahr wurde Alice Weidel dafür kritisiert, dass sie spöttisch von einem „Rollator-Putsch“ sprach – dies sei verharmlosend.

    Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verstand keinen Spaß und wollte im Januar 2023 die Waffengesetze verschärfen. Bislang frei verkäufliche Armbrüste sollten dann nur noch mit Waffenschein erworben werden können.

    Begründung: Die Armbrust sei die Lieblingswaffe der Reichsbürger. Kommentar aus Österreich:
    „Jetzt schießen die Deutschen mit Kanonen auf Spatzen“,
    https://exxpress.at/waffengesetz-verschaerft-armbrust-verbot-fuer-reichsbuerger/

    Hintergrund war wohl, dass die angehenden Putschisten außer den etwas angestaubten historischen Waffen aus des Prinzen Schloss-Museum anscheinend kaum Waffen für ihren großen Tag gesammelt hatten.

    Die Staatsgewalt als Gegenseite sammelte hingegen fleißig – Papier: Mehr als 425.000 Seiten zieren die Ermittlungsakten, um die Vorwürfe der bevorstehenden Anklage von 27 Mitgliedern untermauern zu können, wobei insgesamt 69 Personen derzeit als Beschuldigte gelten.

    Das sind über 6.000 Seiten pro Nase, was für hochaktive Personen spricht. Entweder bei den Reichsbürgern und ihren bewegten Lebensläufen – oder etwa bei den Ermittlern, die 6.000 Seiten Generalia jeweils in 69 persönliche Ermittlungs-Akten reinkopieren mussten?

    Im Sommer hatte sich entschieden, dass 22 mutmaßliche Reichsbürger in U-Haft bleiben – möglicherweise, weil bei der Durchsuchung im Haus eines Soldaten 22 Sturmhauben gefunden worden waren und damit der harte Kern anzahlmäßig ausgemacht war?

    Oder waren bei den anderen fünf zusätzlichen Angeklagten Hirne & Rollatoren doch zu altersschwach und es besteht keine Flucht- und Verdunklungsgefahr (was der Hauptgrund für die Fortdauder der U-Haft wäre)?

    Geheimsache Gruppenname?

    Die Putsch-Bewegung hat nicht nur ihre Führungselite verloren, sondern auch ihren Namen:
    Nachdem bis zur gründlich vorbereiteten (und an interessierte Medien vorab durchgereichten) Verhaftungswelle den Behörden nicht einmal ein Gruppen-Name bekannt war (siehe im Artikel oben), tauchte bald die angebliche Eigenbezeichnung „Patriotische Union“ auf. Die Tagesschau verwendete ihn noch im März 2023 (zumindest als Kleinüberschrift oberhalb der Hauptüberschrift), als sie über zusätzliche Verhaftungen berichtete.

    Inzwischen erwähnt kein Bericht mehr den griffigen Namen – es ist umständlich die Rede von der Reichsbürgergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß (kürzer geht es nicht, denn es gibt ja nicht nur eine Reichsbürgergruppe).

    Tagesschau: „Welt des Wahns“

    Schon die Rekrutierung geeigneter Kandidaten, die in den engeren Kreis des Prinzen aufgenommen wurden, hatte offenbar übersinnliche Anteile: Reuß umgab sich mit einem Seher und einer Astrologin, die auch weitere Personen, die sie zuvor jahrelang astrologisch beraten hatte, zu der Gruppe herangeführt hatte – so etwa auch die ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD, Birgit Malsack-Winkemann und einen Spitzenkoch. Andere Kandidaten sollen eine astrologische Überprüfung hingegen nicht überstanden haben.

    (Beim Spitzenkoch handelt es sich um TV-Koch und Kochbuch-Autor Frank Heppner, dessen Tochter Shalimar Heppner – Model und Unternehmerin – mit Fußball-Star David Alaba liiert ist.)

    Den Astro-Test bestanden hatte ein Mann namens Marco van H. aus Pforzheim – kein Wunder, denn er pflegt Kontakte zur „Allianz“.
    Hierbei handelte es sich nach Überzeugung einiger Beschuldigter um eine angeblich weltweit agierende Geheimarmee, zu der angeblich sowohl irdische als auch überirdische Kämpfer zählen, die eine globale Machtübernahme vorbereiteten.

    Es bleibt abzuwarten, ob gegen die Außerirdischen ebenfalls Haftbefehle ergehen. Vielleicht ist für jene ja die US-Justiz zuständig? Immerhin beschäftigt sich der US-Kongres seit vielen Monaten intensiv und öffentlichkeitswirksam mit bisher geheim gehaltenen Kontakten der US-Regierung zu Aliens und ihren Ufos!

    https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/terrorverfahren-reichsbuerger-rechtsextremismus-prinz-reuss-100.html
    https://www.hessenschau.de/politik/gruppe-um-heinrich-xiii-prinz-reuss-22-reichsbuerger-bleiben-in-u-haft-v1,reichsbuerger-haft-100.html
    https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/razzia-reichsbuerger-polizisten-101.html
    https://www.focus.de/politik/deutschland/seine-tochter-ist-mit-alaba-liiert-tv-koch-heppner-sollte-reichsbuerger-kantinen-leiten_id_180442338.html

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